5. OutingAlso: wo fange ich an? Zuerst musste Geli, eine liebe, alte Freundin, die ich seit über 30 Jahren kenne, und mit der ich eigentlich schon immer gegenseitig Probleme und Sorgen ausgetauscht habe, daran glauben. Ich traf mich mit ihr in einem Biergarten; am Telefon hatte ich zunächst noch nicht viel erzählt. „Ich brauche jemanden zum Reden“ – das war alles, was ich ihr gesagt habe. Ihre Antwort war kurz und eindeutig: „Ok – wann und wo?“ Eine tolle Frau! Ich nannte ihr die Adresse, und sie war pünktlich dort. Wir bestellten uns etwas zu trinken, dann kam sie direkt auf den Punkt. „Was ist los?“ Warum nun noch drum herum reden? Schließlich hatte ich sie ja um das Gespräch gebeten… „Ich glaube, ich bin schwul…“ Geli sah mich an – und sagte nichts. Erst nach einer kurzen Pause meinte sie trocken: „Das weiß ich. Na und?“ Booah! Mit dieser Reaktion habe ich nun absolut nicht gerechnet! Es wurde ein toller Nachmittag, wir unterhielten uns noch bestimmt zwei Stunden, bevor wir uns trennten.So nach und nach fiel es mir immer leichter, in meinem alten Freundeskreis mit der Wahrheit „herauszurücken“. Einer nach dem Anderen erfuhr von meiner Homosexualität, und eigentlich haben alle sehr positiv darauf reagiert. Keiner meiner Freunde ist „abgesprungen“, nur weil er damit nicht klar kam. Nun gab es nur noch zwei Hindernisse: meine Firma und damit die Kollegen, und meine Eltern. Im Betrieb geht das eigentlich keinen etwas an – also war das zunächst kein Thema. Meinem Vater wollte ich es ganz vorsichtig beibringen – immerhin war er ja auch schon Mitte 60, und ich hatte keine Ahnung, wie er reagieren würde. Also begann ich, vom CSD zu erzählen, und wie viel Spaß ich daran habe. Er reagierte beinahe, wie ich es erwartet hatte: „Wie kommst Du denn dazu, Du bist doch nicht schwul!“ Sollte ich es ihm jetzt direkt sagen? Vielleicht wäre es besser gewesen, doch ich redete mich raus. Ich spürte, dass er mir nicht glaubt, was ich ihm da am Telefon erzählt habe (immerhin ist er mein Vater, und kennt mich nur zu genau!). Ok, wie auch immer – zunächst beendeten wir ohne echtes Ergebnis das Gespräch; doch ich war mir fast klar, dass er es nun wusste. Es wird sich in der nächsten Zeit zeigen, wie er darauf reagiert…. Und ich war verblüfft, dass ausgerechnet mein Vater schließlich meinte: „Dann ist es eben so – wenn Du glücklich bist, ist ja alles in Ordnung. Und Du bist und bleibst unser Sohn.“ Inzwischen wissen auch meine Arbeitskollegen Bescheid – von zwei oder drei Kollegen wurde ich bereits direkt darauf angesprochen, die Anderen nehmen es scheinbar zur Kenntnis. Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt: Wer Probleme hat, damit umzugehen, sollte mich einfach in Ruhe lassen. Ich lebe offen schwul – jeder, der es wissen will, kann es wissen. Auch wenn ich mir sicherlich kein Sc***d um den Hals hängen werde, mache ich aber auch kein Geheimnis mehr daraus. Ich bin so, wie ich bin, und ich möchte auch kein Anderer sein. Heute, im 21. Jahrhundert, sollte jeder Mensch so leben und sein können, wie er es möchte – auch in sexueller Hinsicht. Homosexualität ist keine Krankheit. Doch eines sage ich auch ganz deutlich: Sex ohne Kondom ist gefährlich! AIDS tötet! Ich habe schon in sehr jungen Jahren miterleben müssen, wie grausam es ist, an dieser Krankheit zu sterben.
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Hinzugefügt: 6 Jahren vor