Teil 1 Am Abend vor meinem Urlaub mache ich gerade den dritten Koffer auf die altbewährte Methode zu – ‚draufsetzen – als es an meiner Tür klingelt. Und wahrscheinlich habe ich schon australischen Sand unter den Füßen, oder, noch wahrscheinlicher, schon einen gehörigen Sonnenstich. Wie sonst soll ich mir erklären, daß ich einfach aufmache. Wenn man als Frau alleine lebt, sollten gewisse Vorsichtsmassnahmen eigentlich schon unterbewusst ablaufen. Aber ich gucke nicht durch den Spion, schiebe nicht die Kette vor, gehe nicht über Los, kriege kein Geld, und lande sozusagen auch prompt im Gefängnis. Die Frau vor meiner Haustür ist vielleicht zwei oder drei Zentimeter kleiner als ich, mit offenen, schwarzen Haaren, die in dicken Locken ihren Rücken herunterfliessen. Sie wirkt zierlich, trägt sich mit der tadelloser Haltung einer Ballerina, die aber Kraft zu kosten scheint, als wäre sie sehr müde. Wie jemand, der sich zu lange zu sehr angestrengt hat, etwas zu lange auf körperlichem Kredit gelebt hat. Ihre Haut ist hell, fast bleich, und auch wenn sie ein heller Typ ist, sieht sie nicht gesund aus. Wäre da nicht ihre Kleidung – eine Kombination aus schwarzem Leder und dickem schwarzen Stoff, teuer, wie die Kleidung eines Samurais, der sehr leicht friert – würde ich sie für einen Junkie halten. Aber ihre ganze Art spricht dagegen, sie sieht zu stolz aus, fast arrogant, und unendlich selbstbewusst. Nur müde. Sie könnte auch eine Reise in die Sonne vertragen, denke ich. Und zwölf Stunden Schlaf. Auf dem Boden neben ihren Stiefeln steht eine Sporttasche, blaues Nylon, die überhaupt nicht zu ihrem Outfit passt. „Hallo Claudia.“ sagt sie. Ihre Stimme ist weich, mit einem slavischen oder polnischen Akzent, was zu ihren Wangenknochen passt. Ihre Augen sind dunkelbraun, so dunkel, daß man bei dem Flurlicht nicht sehen kann, wo die Pupille anfängt. Irgendwas stimmt nicht mit ihrem Gesicht, so fein und schön es auch ist. Selbst beim zweiten Hingucken kann ich nicht sagen, was, aber da passt etwas nicht. Eins ist sicher: ich habe diese Frau noch nie in meinem Leben gesehen. „Kennen wir uns?“ Sie lächelt, sehr grade Zähne zwischen roten Lippen. Ich spüre einen kurzen Stich des Neids – die Frau ist wunderschön. Nur völlig übernächtigt. „Noch nicht,“ sagt sie. „Ich -“ Weiter komme ich nicht. Mit beiden Armen stösst sie mich plötzlich nach hinten, einen Stiefel gegen die Tür gestemmt. Auch wenn ich gewusst hätte, was sie vor hat, hätte ich es wahrscheinlich nicht verhindern können. Ungeheuere Kraft liegt in diesem Stoß, mehr, als eine Frau dieser Größe eigentlich haben dürfte. Ich taumele nach hinten, falle hin, lande hart auf der rechten Schulter, schlage mittelschwer mit dem Kopf auf. Sofort steht sie über mir, hockt auf mir, und eine kühle Hand greift in meinen Kragen, an meine Halsseite. Weit entfernt höre ich meine Tür zufallen. „Aber das ändern wir jetzt, Claudia.“ Ich bringe grade mal die Arme hoch, nicht genug, um die Finger an meinem Hals abzuwehren. Mit Daumen und Zeigefinger greift sie einmal zu, dann nochmal, ihre langen Fingernägel spitz auf meiner Haut. Beim dritten Mal heule ich auf, meine Schulter wird zu einem Eismeer aus Schmerz. Sie hat ein Nervenbündel getroffen, mein Arm ist gelähmt. „Und zwar sehr bald.“ Ich stöhne nur, immer noch von dem Sturz benommen, von dem Schmerz wie betäubt. Und dann wird alles schwarz. Ich finde mich auf meinem Bett wieder, einen dumpfen Schmerz in der rechten Schulter von dem Fall, und mir ist heiß, schweisstreibend heiß, sie muß die Heizung aufgedreht haben. Ich liege auf der rechten Seite, unter meiner Wange ist der Bettbezug nass, und ich bin gefesselt, Hände auf dem Rücken, Knöchel zusammen. Der Gummiball in meinem Mund kommt mir schrecklich bekannt vor. Mit etwas Mühe kann ich mich auf den Rücken drehen, mein Kopfkissen ist mir in den Rücken gedrückt worden. Stabile Seitenlage, fällt mir ein. Oder soweit es unter den Bedingungen möglich ist. Die Frau ist nirgendswo zu sehen. Ich hatte meine drei Koffer auf dem Bett ausgebreitet, jetzt stehen sie sauber gestapelt auf dem Fußboden. Es sieht nicht so aus, als wären sie durchwühlt worden. Mein verspiegelter Wandschrank ist auch noch geschlossen, auch der Teil, wo mein Schmuck liegt. Die Tür zum Wohnzimmer ist offen, aber vom Bett aus kann ich nichts sehen, und zu hören ist auch nichts. Und die Heizung ist wirklich an, mitteln im August steht sie auf fünf. Etwas Abseits von der Heizung, unter dem Tisch mit meinem kleinen Fernseher, steht ihre Sporttasche. Sie ist prallgepackt. Vom Bett aus kann ich den Namen auf der Seite nicht lesen. Schritte von der Tür zum Wohnzimmer, harte Schritte, ihre Absätze auf Stein. Die Frau ist in der Küche. Meiner Küche. Vielleicht doch ein hungriger Junkie. Meine Unterarme sind prallel zueinander gebunden, Finger zu Ellenbogen, so daß sie in der Wölbung meiner Ledenwirbelsäule passen, wenn ich auf dem Rücken liege. Mit dem Zeigefinger einer Hand kann ich die Stricke um meine Oberarme fühlen, und ansatzweise sehe ich die Seile, die über mein Schultern verlaufen. Nirgendswo kann ich einen Knoten sehen oder fühlen. Meine Knöchel sind auf einer Strecke von mindestens zehn Zentimeter zusammengebunden, und drei oder vier Turns ziehen die einzelnen Schlingen fester zusammen. Ich erkenne das Seil, es gehört mir, und wohnt sonst in einem Ledersack mit meinem anderem Spielzeug unter dem Fußende meines Betts. Den Ballknebel in meinem Mund kommt aus der gleichen Sammelung, es ist aus hartem Kunststoff, hohl, mit Löchern, von einem Rasentennisspiel meines Cousins. Durch die Löcher kann man ungehindert atmen, sabbert aber wie ein Schwein. Daher der nasse Fleck auf dem Bett. Sie kennt den Seesack mit meinen Spielzeugen, oder sie hat ihn sehr schnell gefunden. Sie kann knoten, fesseln, und ist ungeheuer stark. Sie hat mich nicht ausgeraubt, und sie hat sich die Mühe gemacht, mich vor dem Ersticken zu bewahren. Wie sie an meine Schulter gegriffen hat wirkte fast professionell. Und sie mag es heiß, kleine Schweissstraßen beginnen an meinen Achseln und Rücken herunterzulaufen. Ich bin froh, daß ich nur ein T-Shirt und Shorts anhabe. Zusammenfassung: Ich bin in Schwierigkeiten, und Australien kann ich mir erstmal von der Backe schmieren. Sie kommt ins Schlafzimmer, immer noch in ihrer Lederkombination, in der einen Hand einer meiner Glaskrüge, randvoll mit Wasser. Sie setzt sich zu mir aufs Bett, fast wie eine Ärztin, die einen kranken Patienten besucht. Das Wasser im Krug ist ohne Kohlensäure, Leitungswasser. Auch jetzt kann ich nicht sehen, wo die Pupillen aufhören, was für eine Augenfarbe sie hat. Und mit ihrem Gesicht stimmt wirklich etwas nicht, es wirkt irgendwie künstlich. Eine Maske? Plastische Chirurgie? „Du heißt Claudia Weberleid,“ sagt sie, „bist 23 Jahre alt und studierst seit zwei Jahren Biologie hier an der Uni Münster. Dein Vater ist Chemiker und deine Mutter hat Geschichte studiert. Du hast keine Geschwister. Dein letzter Freund hiess Peter, und du hast dich von ihm getrennt, da er dir nicht einflühlsam genug war. Und bei deinen Neigungen brauchst du jemand, der wirklich sehr einfühlsam ist, nicht wahr, Claudia.“ Sie macht eine Pause, nimmt einen großen Schluck aus dem Krug. Ich bin wie erschlagen. Was zum Teufel – „Eigentlich hast du vor, morgen früh mit Lufthansa 221 von Düsseldorf aus für vier Wochen nach Australien zu fliegen. Die Blumen hat der Nachbar, und deine Katze – ein peinlich dickes Tier names Fabian – hat eine Freundin von dir namens Birgit Schäfer. Die anderen Mitbewohner im Haus sind seit einer Woche weg, und bleiben noch fünf Wochen in Spanien und Belgien. Niemand wird vorbeikommen, niemand wird hier anrufen, und niemand erwartet, daß du in den nächsten vier Wochen erreichbar sein wirst.“ Sie nimmt noch einen Schluck aus dem Krug, und dann noch einen, und dann ist er leer. Mit einem Finger wischt sie sich elegant die Lippen ab, stellt den Krug vorsichtig auf den Fußboden. Diese Frau weiß alles über mich, oder kann es auf jeden Fall gut vorspielen. Ich bin nicht nur in Schwierigkeiten, sondern in großen Schwierigkeiten. Vielleicht sogar in ganz großen Schwierigkeiten. „Und niemand kann dich hören. Wirst du Ärger machen, wenn ich dir den Knebel herausnehme? Du sabberst dein ganzes T-Shirt voll.“ Ich schüttle langsam den Kopf. Ich bin nicht in der Lage, Ärger zu machen. Gott weiß, was diese Frau von mir will. Meine Familie ist nicht reich, eine Erpressung wäre sinnlos – aber wenn sie mich haben will – „Sehr gut.“ Zehrr gutt. Sie kommt nicht aus Polen, vielleicht aus Kroatien oder Serbien oder so. Sie schnallt den Knebel mit einer einzigen fliessenden Bewegung ab, fast zärtlich. „Was willst du von mir?“ Wenn sie lächtelt, lächeln diese dunklen Augen mit, unter anderen Umständen hätte sie ein sympathisches Lachen. Mit einem Finger streicht sie eine Locke aus meinem Gesicht, ich zwinge mich dazu, nicht wegzuzucken. Ihre Hand ist kühl, angenehm in dem immer tropischer werdenden Klima meines Schlafzimmers. „Das, meine liebe Claudia, ist eine lange Geschichte.“ Dann steht sie auf und stellt sich vor die Fenster, den Rücken zu mir, die Hände auf der Heizung. Ich wohne im ersten Stock, vor meinem Schlafzimmerfenster stehen zwei alte Kastanienbäume. Regen tropft von ihren Blättern. Eigentlich wollte ich Uebermorgen vor Sydney surfen. „Ich heiße Narlinea. Ich bin dreitausend Kilometer gereist, um hier in Münster ein neues Revier aufzubauen.“ Sie streckt sich, Arme über den Kopf. Ihr schwarz-lederne Samurai-Ärmel rutschen nach unten, ihre Unterarme sind weiß wie Porzelan, keine Uhr, kein Schmuck, makellos. Ein Revier aufmachen? Ihr Gesicht spiegelt sich im Fenster. Für einen Moment sieht es so aus, als würde eine zweite – wie war der Name? Narlinea? – von außen hereingucken. Dieses gespiegelte Gesicht hat etwas genauso seltsames an sich, wie wenn man es direkt sieht. Fast habe ich es… „Und du wirst der Grundstock meiner Diener, meine Famula.“ Sie dreht sich wieder zu mir, schaut mich ernst an. „Ich werde dich nicht töten, nicht ausrauben, nicht unter Drogen setzen, dir keine Organe entnehmen, und dich nicht länger als zwei Wochen einsperren – in vier Wochen, wenn dein Urlaub zu Ende ist, wirst du auch normal wieder arbeiten gehen.“ Sie dreht sich wieder dem Regen zu, legt die Hände zurück auf die Heizung, ihr Gesicht wieder im Fenster. Plötzlich weiß ich, was nicht an ihrem Gesicht stimmt: es gibt keinen Unterschied zwischen dem direkten Anblick und ihrem Spiegelbild. Ihre Züge sind völlig symetrisch. Beide Augen haben die genau die gleiche Form, die Mundwinkel sind absolut identisch, ihre Augenlider, ihre Wangenknochen. Kein Mensch hat ein völlig symetrisches Gesicht. Gerade die kleinen Unterschiede zwischen den Gesichtshälften machen das Menschliche an einem Gesicht aus. Für eine Maske ist die Mimik zu gut. Das muß chirurgisch gemacht worden sein. „Du nimmst das alles sehr gut auf“, sagt sie, setzt sich wieder zu mir, beugt sich etwas nach vorne. Meine Augen kleben an ihrem Gesicht, es ist wahr, alles ist wie über die Mittellinie gespiegelt, jede Falte, fast erwartet man, daß ihre Locken sich auch in Reih und Glied einordnen. Und die Augen – „Die meisten machen etwas mehr Geschrei.“ – sie ist nah genug, daß ich jetzt auch ihr Augen genau sehen kann, und sehen kann, warum warum sie so dunkel wirken, warum man keinen Uebergang zwischen Pupille und Regenbogenhaut sieht. „Besser?“ Sie hat mir zwei Backpfeifen gegeben, links-rechts, wie im Film, und ich habe aufgehört zu schreien. Sie hat keine Regenbogenhaut, ihre Pupille geht nahtlos in das Weisse ihres Auges über. Dort, wo Menschen noch einen farbigen Ring haben, blau, grau, braun oder grün, ist bei ihr noch mehr schwarze Pupille. Menschen brauchen die Regebogenhaut, um den Lichteinfall zu regeln. Sie offenbar nicht. „Was zum Teufel bist du?“ Ich zittere etwas, aber ich habe mich wieder unter Kontrolle. Einigermassen. Diesmal kein Lächeln, die – schwarzen? – Augen ruhig und ernst. „Ich bin eine Demonia.“ „Kein Mensch.“ Ich bin zwar keine Medizinerin, sondern Biologin, aber Augen entwickeln sich nicht so bei Säugetieren, und niemand hat ein symetrisches Gesicht. Absolut niemand. „Nein. Kein Mensch. Irgend ein Affe war ein gemeinsamer Vorfahre, aber wir haben uns seitdem parallel zueinander entwickelt.“ Ein kurzes Lächeln, als sei in dem Satz ein Witz versteckt. „Ich habe nie etwas von ‚Demonias‘ gehört.“ „Wir sind weniger als ihr. Liegt in unserer Natur.“ „Was -“ Sie hält eine Hand hoch, unterbricht mich. Ich denke wieder, wie müde sie aussieht, ausgelaugt. „Später. Claudia, ich habe länger in überfüllten Zügen gehockt, als du dir vorstellen kannst, gar nicht zu reden von der Zeit, die ich hier in Münster herumgelaufen bin. Ich bin dreckig und müde und – hungrig. Ich werde dich etwas bequemer fesseln und erstmal duschen.“ Ich liege ausgestreckt auf meinem Bett, Beine weit gespreizt, die Arme zusammengebunden und zum Kopf des Betts gezogen. Ob ich so bequemer liege, ist eine Sache der Auslegung. Wenigstens liege ich nicht mehr auf meinen Armen, dafür sind jetzt meine Beine gespreizt, was die Shorts weit hochrutschen lässt. Sie hatte damit angefangen, mich wie ein X zu fesseln, was ich nie leiden konnte, aber fast so, als konnte sie meinen Unmut fühlen, brach sie ab, änderte die Fesselung. Wie ich jetzt liege, hat mich Peter immer gebunden, wie ein umgekehrtes Y, sagte er immer. Sie ist ordentlicher als Peter, wo er dazu neigte, alle Stricke zu fest zu ziehen, sind sie bei ihr nur eng. Eng aber bequem. Sie sass praktisch auf mir, als sie mich neu fesselte, ich konnte sie nicht mal beissen. Und sie ist ungeheuer stark. Die Heizung hat sie wieder auf 3 zurückgedreht, aber es ist hier immer noch wie in den Tropen – wie in Australien. Scheiße. Das Geld für den Flug kann ich mir auf jeden Fall abschminken. Sie singt unter der Dusche. Narlinea die Demonia. Wenn die Augen und das Gesicht und die Muskulatur so verschieden sind, muß diese Rasse schon ziemlich lange parallel zur Menschheit existieren. Eine andere Art Mensch? „Dämonen“? Ich spiele etwas mit dem Gedanken, und dann gebe ich mir einen Ruck, was für ein Blödsinn, kein Mensch, was soll das. Sie ist eine Verrückte, eine Satanistin oder sowas mit einer seltenen, vielleicht angeborenen Augenkrankheit. Und Verrückte sollen ja Zugang zu Muskelreserven haben, die Gesunden nur im Notfall zur Verfügung stehen. Daher die Stärke. Sie hat zwar gesagt, daß sie mir nichts tuen wird, aber Leute, die umherstreifen und etwas von anderen Menschenarten faseln, sind nicht sonderlich vertrauenswürdig. Gott weiß, was sie mit mir vorhat. Wengistens hat sie keine spitzen Eckzähne. Sie sitzt neben mir auf dem Bett, ihre Haare zu einem nassen Pferdeschwanz mit einem meiner Spangen zusammengefasst. Sie trägt jetzt nur noch ein T-Shirt und einen kurzen Rock, beide schwarz, beide aus ihrer Tasche. Was ich von ihrer Haut sehen kann ist so bleich wir ihr Gesicht, sie hat auf jeden Fall einen hellen Taint, aber die Hautfarbe kann selbst für sie nicht gesund sein. Ihre Haut sieht völlig glatt aus, ohne irgendwelche Haare, und auch ohne die kleinen Venen, die man manchmal an den Handgelenken von Hellhäutigeren sieht. Sie riecht nach Poison und Schampoo. Ich trage kein Poison, sie muß es mitgebracht haben. In einer Hand hat sie wieder den gläsernen Wasserkrug, wieder mit Leitungswasser gefüllt. Mein Schritt wird langsam unbequem. Vor dem Freund so zu liegen ist eine Sache, vor einer einer Einbrecherin eine ganz andere. „Viel besser.“ Sie nimmt einen tiefen Schluck. „Woher weisst du soviel über mich?“ Sie zuckt mit den Schultern. „Ich habe dich in der Strassenbahn gesehen, und dann war klar, daß du die Richtige warst. Ich bin dir etwas gefolgt, habe einige Leute nach dir gefragt. Das ist alles.“ „Wie lange gefolgt?“ „Vier Tage.“ Ganze vier Tage. Und ich habe nichts davon gemerkt. „Warum ich?“ „Weil du eine Masochistin bist.“ Warum braucht sie eine Masochistin? Und – „Woher wusstest du das?“ Etwas habe ich mich an diese Augen gewöhnt, wenn man nicht genau hinsieht, und das Licht nur in einem bestimmten Winkel kommt, kann man sich vorstellen, daß sie einfach tief braun sind. Sehr tief braun. Mein Hysterieanfall ist mir im Nachinein peinlich, und für eine werdende Biologin höchst unprofessionell. „Wir können sowas riechen.“ „Riechen.“ Sicher. „Nicht wirklich riechen. Wir fangen Stimmungen auf, spüren Emotionen. Ohne jemanden sehen zu müssen wissen wir, ob ein Mensch Angst hat, wütend ist, erregt ist. Wir empfinden das als Geruch. Warum, ist etwas kompliziert -“ „Ich bin Biologin. Und nicht dumm.“ Sie schaut mich einen Augenblick nachdenklich an, nickt, und nimmt einen weiteren tiefen Zug aus dem Krug. Wo sie das ganze Wasser hintut, weiß ich nicht. Sie scheint nicht zu schwitzen, während sich bei mir das Wasser zwischen den Brüsten sammeln. Und wenn sie die Toilette benutzt hat, weiß sie wohl nicht, wie der Abzug funktioniert. „Was weisst du über Gehirnentwicklung?“ „Jede Menge. Aber sprich langsam, ich bin Blond.“
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Hinzugefügt: 6 Jahren vor