Der Schmied aus Intal

VorwortDieser Roman ist bereits im Internet erschienen, aber auf freien Seiten, nicht in dieser vollständigen und weitestgehend korrigierten Form. Dieser Roman beruht auf keinen wirklichen Geschehnissen, ist kein Spiegel seiner Gesellschaft. Weder die Zeit noch die geschichtlichen Hintergründe haben einen Zusammenhang. Die Geschichte ist eine reine Fiktion, zusammengewürfelt aus meiner Fantasie. Viel Spaß damit.Kapitel 1Ich weiß nicht, wann ich geboren wurde, ich weiß nicht, wie der Landstrich hieß, auf dem das Haus meiner Eltern stand. Ich weiß nur, dass es eine ganze Weile her ist. Rückblickend eine Zeit, von der ich kaum Erinnerungen habe. Es muss in einem Frühling im Jahre des Herrn 1666 gewesen sein. Das hat man mir später erzählt, es kann auch früher gewesen sein. Zumindest kam das Datum gut hin.Ein neues Jahr war angebrochen, was in den Augen der einfachen Landbevölkerung keinerlei Bedeutung hatte. Sie bekamen es nicht mit, einmal davon abgesehen, dass der Winter vorbei war, und spielte in ihrem anspruchslosen Leben auch keine Rolle. Die Menschen in den Städten, die jeden Sonntag zur Kirche gingen, wurden von den geistlichen darüber aufgeklärt. Diese nutzte das Datum zu ihrem Vorteil. Sie sahen wie alles mit dunklen Aussichten, riefen das neue Jahr als das Jahr des Weltuntergangs aus. Zu viel Leid war über die Menschen hereingebrochen. Eine Aussage, die genaugenommen zu oft getätigt worden war, dass es nur noch die Leichtgläubigen beeindruckte. Jeder Ältere unter den Kirchgängern hatte nach diesen Aussagen, mehrere Weltuntergänge überlebt. Mehrmals in den letzten Jahren war die Drohung über das bevorstehende Übel von der Kanzel gepredigt worden.All dies bekam ich nicht mit. Wie gesagt, ich wurde auf dem Lande geboren und war das vierte männliche Kind von insgesamt acht Geschwistern. Anders gesagt hatte ich zwei ältere Brüder, einen Jüngeren und vier Schwestern. Zumindest war es so, als ich geboren wurde und hier sind nur die gezählt, die eine Zeit lang überlebten. Die Überlebensrate der Kinder war nicht hoch und es war üblich den Kindern erst an ihrem ersten Geburtstag einen Namen zu geben. Ich an meinem ersten Geburtstag, zumindest um die Zeit, auf den Namen Martin getauft. Den genauen Tag konnte keiner sagen, selbst das Jahr ist nicht bestimmt. Frühling. Eine Zeit, die genau genommen gut für die Geburt eines Kindes war. Die Frau war in der Zeit der meisten Arbeit, einsatzfähig.Mein Geburtshaus, ein Bauernhof, lag im Nirgendwo, zumindest kam es einem so vor. Nie verirrte sich jemand anderes in unsere Gegend, daher kam es mir vor, als wenn es nur die Menschen gab, die den Hof bewirtschafteten.Dies waren neben Vater, Mutter und uns Kindern, zwei Knechte und zwei Mägde. Eine Gemeinschaft, die sich zusammengefunden hatte, um zu überleben, um nichts anders ging es in diesen schlechten Zeiten. Seit Jahren hatte sich das Wetter zum negativen verändert. Es war kälter und feuchter geworden und jedes Jahr mussten wir um die Ernte fürchten. Gerade die Winter wurden länger, man säte spät, um früher zu ernten. Kam der nächste Winter zu früh, bedrohte es die Lebensgrundlage.Von all dem bekam ich die ersten Jahre meines Lebens nicht viel mit. Uns als Bauern ging es relativ gut, wir als Selbstversorger hatten als Erstes Zugriff auf die Ernte. In den Städten sah es anders aus. War die Ernte schlecht, hungerten zuerst die Städter.Wir Kinder wurden uns in den ersten Jahren selbst überlassen, wir erwirtschafteten nichts und standen in der Hierarchie an unterster Stelle. Wer nicht arbeitete, bekam, was übrig blieb. An oberster Stelle stand mein Vater, der sich um uns Kinder nicht kümmerte. Wir waren, solange wir klein waren, Ballast in seinen Augen, von daher widmete er sich uns nicht. Er blieb für mich ein Fremder und ich kann heute kaum sagen, wie er aussah. Er war selten da, kümmerte sich um alles, was anfiel, ob es um die Bestellung der Felder ging oder um die Viehwirtschaft. War im Winter nichts auf den Feldern zu tun, kümmerte er sich um alles, was im Winter kaputt gegangen war oder ersetzt werden musste. Es war die Zeit, in der er mit einem Fuhrwerk öfter für ein paar Tage wegfuhr, um Geschäfte zu tätigen. Was wir nicht verbrauchten, wurde zu Geld gemacht, was er fast alles ausgeben musste.Einige Dinge des Lebens konnten wir nicht herstellen und musste erworben werden. Trotzdem blieb was von dem Geld übrig und wurde versteckt. Vater achtete darauf, dass außer ihm niemand wusste, wo es blieb und selbst meine Mutter kannte das Versteck nicht.Mutter war eine ebenso beschäftige Frau und war immer schwanger. Nicht jedes meiner Geschwister überlebte das erste Jahr. Besonders als Mutter älter wurde, häuften sich die Fehlgeburten und hinter unserem Haus standen später mehrere kleine Holzkreuze, zwischen denen unserer Vorfahren. Nun hätte man meinen können, dass Mutter an zweiter Stelle der Hierarchie stand, doch das war nicht so. Diesen Platz nahmen unsere Knechte ein. Zwei grobschlächtige Kerle im besten Alter, die über den Erhalt von Kost und Logis etwas Geld dazubekamen. Mutter kam an dritter Stelle, danach unsere Mägde, die sich um alles weiter im Haushalt kümmerten. Sie waren für das Federvieh in den Ställen verantwortlich und arbeiteten im Haus. Vater und die Knechte waren draußen, vom frühen Frühling bis späten Herbst auf den Feldern. Im Winter im Wald. Sie rodeten einen Teil des Waldes, um mehr Fläche für den Ackerbau zu gewinnen. Nebenbei fiel Brennholz an.Erst nach den Mägden kamen wir Kinder dem Alter nach. In dieser Reihenfolge jedoch umgekehrt, wären wir verhungert. Das war kein Gesetz, sondern eine Überlebensstrategie. Das Leben an sich war einfach. Wie gesagt, wir Kinder waren uns regelrecht selbst überlassen, bis wir in ein Alter kamen, in dem wir anfingen mitzuarbeiten. Wir Jungen lernten, soweit es unser Alter zuließ, vom Vater, die Töchter von der Mutter. Eine Ausbildung bekam ich nicht. Es war vorbestimmt, dass der älteste Sohn den Hof erbte. Er bekam von Vater mehr beigebracht. Dieser war es, der später mit Vater in den weit entfernten Ort fuhr, um alles über Geschäfte zu lernen. Die anderen Kinder wurden nicht mitgenommen. Für uns gab es den Hof und nichts als den Hof. Ab einem bestimmten Alter wurde mit dem Sonnenaufgang aufgestanden, mit dem Untergang machte man sich für die Nacht fertig. Kerzen waren viel zu teuer und somit beendete die Dunkelheit alle Tätigkeiten von Vater, Mutter, den Knechten und Mägden. Im Winter war ehedem nicht viel zu tun. Mutter und die Mägde saßen hauptsächlich in der riesigen Küche und saßen an den Spinnrädern oder dem Webstuhl. Das Klappern und Surren der Spindeln und des Webstuhls kann ich heute noch in meinen Ohren hören. Sie saßen gerne hier, es war der einzige warme Ort im Haus. Der Ofen lief die ganze Zeit, um zu backen oder kochen. Diese Wärme strahlte in den Raum ab. Wenn wir Kinder klein waren, spielten wir hier mit allem, was es gab. Es gab nicht viel. Das wenige Spielzeug, das wir hatten, bildete schon jetzt ab, was aus uns werden sollte. Dieses Spielzeug war nicht gekauft, dafür gab es kein Geld und ich weiß nicht, ob man es kaufen konnte. Das, was wir hatten, war von Veit, einem der Knechte geschnitzt worden. Wenn draußen nicht gearbeitet werden konnte, zum Beispiel ein Schneesturm über das Haus fegte und es nichts anderes zu tun gab, setzte sich Veit zu uns Kindern in die Küche und begann für uns zu schnitzen. Wir Jungen bekamen ein Tier geschenkt. Entweder eine Kuh, ein Pferd oder was, was ähnlich aussah. Für die Mädchen schnitzte er Puppenköpfe, aus denen meine Schwestern, mithilfe von Stoffresten oder anderem, ganze Puppen machten. Veit war ein Baum von einem Mann, ruhig und zu uns Kindern freundlich. Im Gegensatz zu Mathes, dem zweiten Knecht. Er war ein Hitzkopf, mit nichts zufrieden und konnte mit uns Kindern nichts anfangen. Aber das musste er auch nicht. Er kam nur ins Haupthaus, wenn der Lohn ausgezahlt wurde. Sonst verbrachte er seine freie Zeit in der Baracke für die Knechte. Wir Kinder mochten ihn nicht, das beruhte auf Gegenseitigkeit.Die Jahre vergingen und ich wuchs langsam heran. Mein Pech war, dass mein Körper nicht wollte, wie er sollte. Er blieb schwächlich, während meine Brüder zu Kerlen heranwuchsen, die das waren, was Vater brauchte. Selbst mein jüngerer Bruder, der zwei Jahre nach mir geboren war, überholte mich in Kraft und Größe.Meinen Brüdern blieb dies nicht verborgen und sie begannen mich, zu hänseln. „Schaut euch den an, der arbeitete wie ein Mädchen und sieht genauso aus!“, riefen sie mir zu. Ging ich mit ihnen in den Wald Bäume fällen, waren sie es, die die dicksten Bäume aussuchten und in wenigen Stunden umhauten. Ich bekam ein Beil in die Hand gedrückt, um die Äste und Borke von den Stämmen zu entfernen.Meine Brüder lachten und neckten mich, wo es ging. Oft stellten sie mir ein Bein oder mir fiel zufällig was auf den Kopf. Selbst beim Essen machten sie nicht halt. Wir bekamen entsprechende Rationen mit, damit wir nicht zurücklaufen mussten, und wurde vom Ältesten verteilt. Ich bekam den geringsten Anteil ab, wenn überhaupt. Es kam vor, dass einer von ihnen es mir wegnahm und mit einem Grinsen verschlang. „Der braucht nichts, hat nicht viel gearbeitet und sein schwächlicher Körper benötigt nichts zu essen. Das sieht man doch!“Anfänglich hatte ich versucht, mich zu verteidigen, das endete mit blauen Augen und gleichfarbigen Flecken am ganzen Körper. Sehr schmerzhaft und ich schwor mir zu dieser Zeit, dass ich nur so lange bleiben würde, bis ich alt genug wäre, den Hof hinter mich zu lassen. Bis dahin war es ein langer Weg, dachte ich zumindest.Ob es an dem wenigen Essen lag oder an meinem Körper, kann ich nicht sagen, ich blieb schmächtig, soll heißen, dünn und schwach. Sahen meine älteren Brüder mit sechzehn Jahren wie Männer aus, hatte ich im gleichen Alter nichts davon. Zwei Jahre später hatte sich nicht viel verändert. Selbst mein Bartwuchs war kümmerlich. Ein kaum wahrzunehmender Flaum wuchs an meinem Kinn.Diese Jahre wurden eine wirkliche Tortur für mich. Wäre zu der Zeit nicht Veit da gewesen, ich weiß nicht, ob ich es überlebt hätte. Aus irgendeinem Grund war er es, der mich vor zu großem Schaden bewahrte. Mutter konnte und wollte nichts gegen die Drangsal meiner Brüder tun. Wenn Vater es bemerkte, war es ihm egal. Der Stärkste sollte überleben und ich würde nicht derjenige sein.Veit war, als erster Knecht auf dem Hof, für meine Brüder nicht zu überwinden. Sein Wort war für sie Gesetz und wurde nur durch das Wort meines Vaters gebrochen. Ich weiß nicht, ob es Mitleid gegenüber mir gewesen war, oder Veit sah in mir anderes, als in meinen Brüdern. Er nahm mich unter seine Fittiche, konnte aber nicht immer auf mich aufpassen. Er brachte mir alles bei, was ich wissen musste und ich hatte den Eindruck, dass er mehr wusste als Vater. Bevor Vater mit meinem ältesten Bruder in den Ort fuhr, um Geschäfte zu tätigen, war Veit mitgefahren. Er war es, der zu der Zeit Vater beibrachte, wie man handelte, wie man sich und seine Ware auf dem Markt verkaufte. Veit konnte rechnen und schreiben, was die wenigsten beherrschten.So kam es, dass er mich mitnahm, wenn er die Felder bestellte oder andere Tätigkeiten verrichtete. Diese Zeit war die glücklichste in meinem bisherigen Leben, an die ich mich erinnern kann. In den Pausen, die wir machten, brachte er mir das Rechnen und Schreiben bei, wobei mir das Rechnen besser gefiel.„Junge, wenn du mit den Händen nicht arbeiten kannst, dann musst du es mit dem Kopf tun!“, meinte er, lächelte mich dabei an.Es brachte mir in diesen Zeiten wenig, in meiner Situation galt die Faust mehr als die Feder. Aber Veit meinte, dass es nicht schaden könnte, es würde mir irgendwann helfen.Heute weiß ich, dass ich Veit viel zu verdanken habe. Leider konnte ich ihm niemals danken. Es kam der Tag, der alles veränderte. Er fing ganz normal an. Es war im frühen Herbst des Jahres 1684. Die Ernte war schlechter gewesen, als die Jahre zuvor. Das Wetter hatte uns in Stich gelassen. Zuerst wollte der Winter nicht enden, selbst im späten April, fror es und ein leichter Schneefall blieb liegen. Die vorbereitete Aussaat konnte nicht erfolgen und so kam sie erst Mitte Mai unter die Erde. Diese verfaulte, nach der Kälte, kam der Regen. Das Wasser stand auf den Feldern und konnte nicht in dem gesättigten Boden versickern. Die Feldfrüchte die es schafften zu keimen und wachsen, blieben unter der erwarteten Größe und wurden zu langsam reif. Die Erträge waren entsprechend gering, kaum größer als das Saatgut, was man mühevoll unter die Erde gebracht hatte.Hunger war vorprogrammiert und das sogar bei uns. Im späten Herbst war unser Vorratsspeicher nicht halb gefüllt, bedeutete also die Hälfte der Menge, die wir für uns benötigten. Doch in unserer Not ging es uns noch gut. Menschen ohne ein Stückchen Land, hatte es weitaus schlechter getroffen. Die Preise auf den Märkten explodierten. Eigentlich hatte keiner mehr was abzugeben und das, was es gab, war von schlechter Qualität. Der Hunger hielt Einzug, gefolgt von Krankheiten, die sich über die geschwächten Körper der Menschen hermachten. In dieser Zeit war sich jeder der Nächste. Menschen wurden für einen Leib Brot getötet, wer essen konnte, der überlebte.Was sollten die Menschen tun. Einige schlossen sich zu Banden zusammen, waren bereit alles zu tun, um ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen. Andere schlossen sich den Heeren an, die in den Krieg zogen. Sie verdingten sich als Söldner, lebten von dem, was sie erbeuteten. Gab es kein Scharmützel, an dem sie sich beteiligen konnten, fielen diese Gruppen über das Land her, um sich das zu nehmen, was ihnen nicht freiwillig gegeben wurde.Eine dieser Gruppen Landsknechte durchzog die Wälder um unseren Hof. Irgendwann stießen sie auf den Feldweg, der zu uns führte. Sie waren um die zwanzig, mit Keulen, Beilen und Äxten bewaffnet, die auf unseren Hof zukamen. Es war am frühen Abend, einem der wenigen, an dem es nicht regnete. Veit und ich kamen gerade von einem Rundgang zurück, um nachzusehen, ob es was auf den Feldern zu retten gab. Veit sah sie als Erstes und wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Ansatzlos rannte er parallel zu den Männern in Richtung Hof und ich hinter ihm her, konnte ihm nach wenigen Hundert Metern nicht mehr folgen. Im leichten Trab und keuchend vor Anstrengung blieb ich weit zurück und konnte sehen, wie Veit zwischen den Bäumen verschwand. Die Männer auf dem Feldweg hatten die Bewegung neben sich bemerkt und setzten ihren Weg schneller als zuvor fort. Sie rannten nicht richtig, langsamer, einen Schritt, der sie am Ende des Laufs befähigte, sofort kampfbereit zu sein.Auch diesem, von ihnen gewohnten Schritt, konnte ich nicht folgen und sie verschwanden hinter einer Biegung aus meinem Sichtfeld. Es war nicht mehr weit, hinter der übernächsten Biegung würde man den Hof sehen können. Dann war es ein kleiner Weg über die Felder bis dorthin, bei der Geschwindigkeit innerhalb kürzester Zeit zu meistern.Eine viertel Stunde später stand ich am Rand des Waldes und konnte nicht glauben, was ich sah. Vater, Veit, Mathes und meine Brüder standen so auf dem Vorplatz, dass sie mit dem Rücken zur Hauswand zeigten. Die Landsknechte in einem geschlossenen Halbbogen davor.Die Soldaten riefen Wörter, die ich aus dieser Entfernung nicht verstehen konnte. Dass es keine freundlichen Worte waren, konnte man trotzdem heraushören.Drohend hoben sie ihre Waffen, wobei ich erkennen konnte, dass auch Vater und die anderen Gegenstände in den Händen hielten. Veit hielt eine Forke stoßbereit vor sich, meine Brüder waren mit Beilen bewaffnet. Mathes hatte sich einen Dreschflegel geschnappt, wobei das lose Holz am Ende bedrohlich kreiste.So gesehen war es ein absolutes Missverhältnis. Sechs gegen gut zwanzig. Der einzige Ausgleich bildete die körperliche Überlegenheit von Vater und den anderen. An Kraft waren sie den schmal wirkenden Soldaten überlegen.Ich war aus der Puste, aber auch wenn ich es nicht gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, was ich tun sollte. Ich stand alleine im Rücken der Soldaten und hätte mir höchstens einen Knüppel besorgen können. Ungeübt, wie ich war, hätten die Soldaten mich wahrscheinlich nicht wahrgenommen. Wenn doch, nicht als Gegner.Die Lautstärke und Bedrohlichkeit der gewechselten Worte wuchs an, Fäuste wurden in die Richtung der anderen geschüttelt. Auch wenn ich es nicht glauben wollte, es musste zum Kampf kommen, es gab keine andere Möglichkeit. Dies begann, als einer der Soldaten vorstürmte, hatte sich nicht mehr zurückhalten können, war in der Hitze der Spannung unvorsichtig geworden.Mit einem Schrei, den ich bis zu mir hören konnte, stürmte er los, kam bis auf zwei Schritte an die Gruppe um Vater heran, um seinen nächsten auszustoßen. Dieser war von dem Schmerz gezeichnet, den der fühlte, als Veit ihm die Mistgabel in den Bauch rammte und ihn mit unheimlicher Kraft in die Höhe hob. Zappelnd hing er in der Luft und sein Schrei endete abrupt, als der Dreschflegel von Mathes seinen Schädel traf und diesen zertrümmerte.Es herrschte für einen winzigen Moment Stille, während die Forke von Veit gesenkt wurde, der tote Körper von den Zinken rutschte und auf das Steinpflaster vor dem Haus aufschlug.Kaum kam der Körper zur Ruhe, brüllten die Soldaten auf und gingen gemeinsam vor. Ihr halber Ring schloss sich enger, und da sie kampferprobte Männer waren, die zu allem entschlossen schienen, wurde es jetzt für die Sechs aussichtslos. Trotz der großen Enge schafften die Soldaten es, der Forke und dem Dreschflegel geschickt auszuweichen, auch wenn einer von ihnen an der Schulter erwischt wurde. Er schrie vor Schmerz auf, als sein Schlüsselbein brach. Dies war das Signal für die anderen, anzugreifen.Vater und die anderen wehrten sich tapfer und manch einem der Soldaten wurden schwere Wunden zugefügt, drei sanken zu Boden und hauchten dort ihre Leben aus. Die Übrigen schafften, was sie von Anfang an gewollt hatten. Als einer meiner Brüder zu Boden ging, war der Bann gebrochen. Es dauerte wenige Minuten, bis nur noch Vater und Veit, Rücken an Rücken dort standen und von dem Rest der Soldaten bedrängt wurden.Sie konnten nicht mehr gewinnen, obwohl sie einen kleinen Aufschub bekamen, als Mutter und die Mägde aus dem Haus gestürmt kamen und mit dem Mut der Verzweiflung und langen Messern versuchten, den Männern Schaden zuzufügen. Dieses kurze Aufglimmen von Hoffnung versank sofort. Die Soldaten mussten sich nicht sonderlich anstrengen, diese Bedrohung abzuwehren. Die Mägde bekamen jeweils einen kräftigen Schlag auf den Kopf, Mutter sank, von einer Axt tödlich getroffen, zu Boden.Ich schrie auf, genauso Vater. Er sah seine Frau sterben und verließ aus blinder Wut seine geschützte Position. Wie ein Berserker schwang er seine Axt, traf den Arm eines Soldaten. Dieser blieb stehen und konnte nicht glauben, dass sein Arm neben ihm lag. Daher nahm er nicht wahr, wie ihm der zweite Hieb den Schädel spaltete. In diesem Moment war Vater unvorsichtig geworden, seine Wut und Verzweiflung hatte ihn blind werden lassen. Seine nächste Bewegung blieb im Ansatz stecken, als die Klinge eines Beils seine Wirbelsäule durchschnitt. Seine Beine knickten unter ihm weg, und während seine Axt von ihm weg flog, fiel er auf seinen Bauch, blieb regungslos liegen. Veit kämpfte weiter, obwohl auf verlorenem Posten. Sein Kampfbrüllen erschallte über die Felder und die restlichen Soldaten töteten ihn langsam und grausam. Mehrmals brachten sie ihm neue Wunden bei, bis er schwächer wurde. Seine Arme waren zum Schluss so schwer geworden, dass er die Mistgabel nicht mehr halten konnte. Sie fiel zu Boden und ich konnte das klappernde Geräusch hören, als der hölzerne Stiel auf den Steinen aufschlug. Hier sackte er in die Knie, senkte den Kopf und ergab sich in sein Schicksal. Dies kam in Form einer Axt, die ihm den Kopf vom Körper trennte. Sie fielen zur Seite weg und blieben auf dem Pflaster liegen. Was folgte, will ich hier nicht erwähnen. Ich saß an einen Baum gelehnt, hörte später und in der Nacht die gellenden Schreie der Mägde und meiner Schwestern. Diese endete am frühen Morgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, trotzdem wurde es auf einmal heller. Ich war in einen Halbschlaf verfallen und hatte verweinte Augen, als ich in Richtung Hof sah. Die übrig gebliebenen Landsknechte hatten Ochsen vor zwei Wagen gespannt, auf dem sich alles türmte, was für sie von Wert war. Auf dem einen diverse Dinge aus dem Haus, auf dem anderen unsere Wintervorräte. Anderes Vieh aus dem Stall hatten sie an die Wagen gebunden oder in Teilen auf dem Wagen verladen. Der helle Schein, der sich breitmachte, kam von einigen Fackeln, die sie an das Strohdach des Hofes hielten, welches sofort Feuer fing und nach wenigen Minuten, in Flammen stand. In dem Schein des Feuers zogen sie ab und wenig später war ich alleine. Obwohl die Gefahr vorüber war, blieb ich wie gelähmt sitzen. Ich konnte nicht fassen, was passiert war. Innerhalb eines Tages war meine ganze Existenz zerstört worden. Ich war alleine, wusste innerlich, dass dort auf dem Hof niemand mehr sein würde, der sich um mich kümmerte. Das Feuer war heruntergebrannt, als ich mich mit wackeligen Beinen und gesenktem Kopf aufmachte, um zu sehen, was ich tun konnte. Irgendwas Brauchbares musste vorhanden sein. Wenig später stand ich auf dem Vorhof und spürte das harte Steinpflaster unter meinen Füßen. Die Toten lagen vor den Überresten des Hauses, welches aus wenigen, schwelenden Balken bestand. Nur der gemauerte Ofen war weitgehend intakt, obwohl der Schornstein in Mitleidenschaft gezogen war, er stand zur Hälfte. Der übrig gebliebene Stumpf sah wie ein mahnender Finger aus, der gen Himmel zeigte.Im Haus war alles zu Asche verbrannt, trotzdem wollte ich nicht hingehen, befürchtete auf die Überreste meiner Schwestern und der Mägde zu stoßen. Ich hatte keine von ihnen, seit dem Abend mehr gesehen. Hier gab es nicht mehr viel zu holen. Entweder war es verbrannt, oder nicht zu gebrauchen. Eine Schaufel steckte mahnend im Boden. Mutter wollte das letzte Gemüse vom Acker holen und Vater hatte diese für sie dort hingestellt.Jetzt diente sie mir dazu, die Toten zu begraben. Die Soldaten hatten ihre eigenen Opfer mitgenommen. Wahrscheinlich, damit niemand nachvollziehen konnte, wer sie gewesen waren. Ihre Bekleidung hätte sie verraten.Als Nächstes ging ich zu Vater und den anderen, die dalagen, wie sie gefallen waren. Die Soldaten hatten sich nicht mehr um sie gekümmert und waren dem Brandschatzen nachgegangen.In dem Moment, als ich an Vater vorbeiging, hörte ich eine leise, schlecht zu hörende Stimme. Ich konnte sie kaum vernehmen und dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Dann vernahm ich sie erneut und sah zu Boden.Vaters Kopf war zur Seite gedreht und ich konnte seine verschmutzen Lippen sehen, die sich zuckend bewegten. Sofort ging ich in die Knie und drehte ihn auf den Rücken, wobei ein gequältes Stöhnen über seine Lippen kam. Ich kniete vor ihm und hob seinen Kopf auf meine Schenkel. Wieder ertönte das Geräusch und sein Gesicht verzog sich schmerzhaft.Hier fixierten seine verschleierten Augen meine und er öffnete mit viel Anstrengung seinen Mund.„Junge!“, sagte er und ich meinte trotz seiner Lage, ein Lächeln zu erkennen. „Du bist entkommen. Dafür danke ich dem Herrn. Geh von hier fort. Du kannst nicht hier bleiben. Wohin kann ich dir nicht raten, doch geh weit weg, hier wirst du nicht lange überleben. Ich werde dich nicht begleiten können, aber ich möchte, dass du mir genau zuhörst.Im Wald, Richtung Osten, gibt es im Sumpf einen einzelnen, abgestorbenen Baum. Gehe dort hin und grabe an seiner Südseite. Dort findest du, was ich erspart habe. Ich kann es nicht mehr gebrauchen. Nimm es und komme nicht zurück!“Die letzten Worte kamen gehaucht, danach bemerkte ich, wie die Kraft schwand, die seinen Kopf gehalten hatte und seine Augen brachen. Ein letztes Mal stieg sein Atem aus der Lunge, dann lag er still.Ich konnte nicht mehr anders. Alles, was ich zurückgehalten, sich angestaut hatte, brach aus mir heraus. Ich schrie den Himmel an und brach über dem toten Körper meines Vaters zusammen.Als ich zu mir kam, erledigte ich, was getan werden musste. Das war ich den Toten schuldig. Ich nahm die Schaufel und grub den restlichen Tag und die ganze Nacht, bis ich nicht mehr konnte. Danach zog ich die toten Körper zu dem großen Loch und legte einen nach dem anderen hinein. Leider war das Loch nicht groß genug, aber ich konnte kein größeres mehr graben. Also legte ich meine Brüder und Mathes übereinander. Vater, Mutter und Veit lagen dicht aneinander. Die Erde, die ich mühsam ausgeschaufelt hatte, kam zurück, und als die Sonne aufging, dieses Mal ohne Wolken, war es das Gesicht von Veit, was als Letztes von der Erde bedeckt wurde. Wäre doch wenigstens er am Leben geblieben.Zum Schluss fand ich zwei Hölzer, die ich mit einem Stück Schnur zusammenband. Das gefertigte Kreuz zeigte an, dass hier jemand begraben war. Minutenlang stand ich mit gesenktem Kopf da und wollte keinen Schritt machen. Am liebsten wäre ich auf ewig dort stehen geblieben, doch das war nicht möglich. Also nahm ich die Schaufel, warf sie in einen Busch und lenkte meine Schritte Richtung Osten. Als ich Vaters Versteck aushob, kam eine kleine, schwere Kiste zum Vorscheinen. Der Deckel war nicht verschlossen. Darin waren mehr Münzen, als ich in meinem Leben gesehen hatte. Ich rechnete alles zusammen, konnte aber mit der Zahl nichts anfangen, da ich nicht wusste, welchen Preis was hatte. Das hatte mir Veit nicht erzählt. Trotzdem wusste ich instinktiv, dass es viel Geld sein musste. Ich nahm mehrere, verschiedene Münzen, heraus und vergrub den Rest, wollte nicht viel Geld bei mir haben. Es würde Begehrlichkeiten wecken und mein Leben gefährden. Ich konnte später zurückkommen und den Rest holen.Vater hatte mir gesagt, dass ich weit weggehen sollte. Aber wohin? Außer dem Hof und unsere Felder kannte ich nichts, hatte nicht einmal das Dorf gesehen, wohin Vater ab und zu fuhr und selbst das, wusste ich nicht, wo es lag. Auf dem Weg wollte ich nicht laufen, befürchtete, dass die Soldaten nicht weit weg waren. Sie noch einmal zu treffen, war nicht in meinem Sinn.Ich hatte gehört, dass es im Süden wärmer sein sollte. Hinter einer breiten Bergkette sollte ein Land liegen, wo es den Menschen besser ging als hier. Da ich es nicht anders wusste und es gerade Mittag war, setzte ich meine Füße in die Richtung der Sonne in Bewegung und nach ein paar Hundert Schritten, war ich auf unbekanntem Boden.Als ich mich auf einer Lichtung umdrehte, sah ich weißen Rauch über die Wipfel der Bäume steigen. Jetzt verließ ich endgültig meine Heimat, meine Jugend und mein altes Leben.Zusatz: Viele weitere Romane sind unter meinem Pseudonym „Kastor Aldebaran“ exklusiv bei Amazon erschienen und als kindle unlimited erhältlich.

Der Schmied aus Intal

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    Hinzugefügt: 6 Jahren vor

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