Der Schmied aus Intal 35/38

Kapitel 35Mit gemischten Gefühlen kam ich bei Rea und Rikan an. Meine Geschichte war schnell erzählt, viel durfte ich nicht preisgeben, was Rikan verstanden. Rea hingegen platzte fast vor Neugierde, die ich nicht befriedigen konnte. Am nächsten Tag verließ ich fluchtartig die Stadt. Es trieb mich mit Gewalt nach Hause. Niemand hätte mich aufhalten können. Ich ging Tag und Nacht, machte Pause, wenn es nicht mehr anders ging und ein wenig Schlaf angezeigt war. Schnell wie dieses Mal war ich zu Fuß nie vorangekommen. Als ich unser Dorf erblickte, begann mein Herz zu rasen. Mehr stolpernd als laufend strengte ich meine schweren Beine ein letztes Mal an. Die Sehnsucht ließ mich einen Schritt nach dem anderen machen. Endlich kam unser Haus in Sicht. Friedlich und ruhig lag es vor mir, eine dünne Fahne Rauch, stieg aus dem Schornstein auf. Zwanzig Schritte, und ich hatte die Tür erreicht. Ich wagte kaum, sie zu öffnen. Mit einem innerlichen Ruck drückte ich sie leise wie möglich auf. Eine ungewohnte Stille herrschte im Innenraum. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt. Es war niemand da. Enttäuscht verstaute ich meine Sachen. Allerdings ließ ich was auf dem Tisch liegen, falls Alia zurückkommen würde, während ich sie suchte. Nun machte ich auf den Weg. Vielleicht war sie bei Kasi. Junge Mütter hatten immer was miteinander zu tun. Aber auch das Haus war leer. Keine Menschenseele war da. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ins Dorf zu gehen und zu fragen. Selbst im Dorf war fast kein Mensch zu sehen. Ein paar kleine Kinder spielten in den Gärten oder auf den verlassenen Wegen. Langsam stieg die Sorge in mir auf. Wo waren nur alle? Als ein junger Bursche um eine Ecke bog, sah er mich und blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Er versuchte vor mir wegzulaufen, aber ich war schneller. Fest in meinem Griff verlangte ich zu wissen, was los sei und wo die anderen wären. Er stammelte was vom Gasthof und sah mich ängstlich dabei an. Losgelassen rannte er davon. Jetzt wurde mir ganz seltsam zumute. Irgendwas lief falsch. Am Gasthof angekommen, konnte ich Stimmen hören, dazwischen Kreischen und andere nicht zu deutende Geräusche. Mit einem Ruck riss ich die Tür zum Schankraum auf. Alle Dorfbewohner saßen oder standen dicht gedrängt zusammen und bildeten einen Halbkreis. Mit einem Mal wurde es totenstill. Ihre Gesichter drehten sich zu mir und starrten mich stumm an. Keiner regte sich, keiner konnte oder wollte mir Auskunft darüber geben, was los war. Ich drängte mich durch die schweigende Versammlung und blieb wie erstarrt stehen. In der Mitte des Halbkreises saß Alia gefesselt auf einem Stuhl. Ihr Gesicht war geschwollen und die Haut zeigte eine feuerrote Farbe. Godan saß, ähnlich anzuschauen, daneben. Sein nackter Oberkörper war gezeichnet von roten, leicht blutenden Striemen. Jetzt wurde ich fast wahnsinnig vor Wut. Ich schrie den Nächstbesten an der neben mir stand, doch er zeigte keine Regung. Doch plötzlich änderte sich alles. Die Meute fiel über mich her. Mich zu wehren war nicht möglich, zu viele Hände und Arme hielten mich fest, zerrten an meiner Kleidung und drückten mich zu Boden. In kürzester Zeit war ich gefesselt wie Alia und Godan. Die ganze Zeit schrien mich die Leute an und keifende Frauen rissen an meinen Haaren. Man hob mich auf und setzte mich auf einen schnell beschafften Stuhl. Vielleicht würde ich jetzt erfahren, was die Leute hatten. Ich glaubte, dass sie vom Wahnsinn befallen waren.Der Bürgermeister des Dorfes verlas eine Art Anklageschrift. „Michael und Alia, ihr werdet beschuldigt, außerehelichen körperlichen Kontakt in diversen Fällen begangen zu haben in Verbindung mit Rea. Polygamie wird in unserer Gemeinde nicht geduldet, zählt für uns zu den schändlichsten Taten, die ihr begehen konntet. Des weiteren wird Godan angeklagt, trotz dessen, das er Mitwisser dieser abscheulichen Tatsache zu sein, dies nicht zur Anklage gebracht hat. Weitere Mitwisser, die hier nicht anwesend sind, werden ebenfalls angeklagt und in Abwesenheit verurteilt!Jetzt erklärte es sich von alleine. Wir hatten nie daran gedacht, dass es einmal soweit kommen würde. Vielleicht waren wir einfach zu blauäugig gewesen. Selbst wenn wir ins Dorf gingen, waren die oft argwöhnischen Blicke der Bewohner uns nicht aufgefallen. Was waren wir dumm gewesen! Irgendwann in der Zeit, die ich weg gewesen war, ging der Kessel in die Luft. Ein Wort gab das andere und putschte die Dorfbewohner auf. Wenige versuchten uns zu verteidigen und führten an, dass wir es gewesen waren, die das Dorf wohlhabender gemacht hatten. Leider nicht alle und diese waren in der Überzahl. Die wenigen, die sich für uns eingesetzt hatten, lagen gefesselt in einem Nebenraum und warteten auf die Entscheidung des eilig gebildeten Gerichts. Der Bürgermeister hatte sich selber zum Richter gemacht und wollte die Ältesten dazu bewegen, ein Urteil gegen uns zu sprechen. Godan war außerdem angeklagt worden, weil er bis zuletzt an Alias Seite gekämpft hatte. Es war klar, das er mit unter der Decke steckte, und so war schnell bei der Hand, dass er auch was mit Alia hatte oder schlimmer. Und jetzt hatten sie auch noch mich zwischen die Finger bekommen. Allerdings wunderte es mich, das Kasi nicht anwesend war. Gerade sie musste die beste Zeugin sein oder genauso verdächtig. War ihr was passiert? Der Groll in mir wuchs von Minute zu Minute und ich versuchte mich zu befreien, doch die Stricke hielten zu gut. Als ich anfing herum zu brüllen, kamen von mehreren Seiten starke Schläge, die mich schmerzhaft auf den Boden der Tatsachen zurückbrachten. Jetzt verhielt ich mich ruhig, sammelte Kräfte, während ich in die traurigen Augen von Alia blickte. So verwundbar und hilflos sah sie aus. Sie musste in den letzten Stunden viel ertragen haben, davon zeugten die Schwellungen in ihrem Gesicht. Aufmunternd lächelte ich sie an, ein Gequältes kam zurück. Sie hatte innerlich aufgegeben. Wo Samira war, hatte ich nicht erfahren. Ich hoffte, dass sie irgendwo wohlbehalten untergebracht worden war.Die Gerichtsverhandlung geriet außer Kontrolle. Die Leute konnten sich nicht darüber einig werden, wie sie mit uns verfahren sollten. Ähnliches hatte es noch nicht gegeben. Diebstahl war vorgekommen, auch Vergewaltigung hatte es gegeben, aber dies stellte die Leute vor ein Problem. Während die einen von Verbannung sprachen, heizten sich die anderen wieder gegenseitig auf. Die Forderungen gingen von Peitschenhieben bis hin zum Tod. Ein Geständnis von Alia oder eine Aussage von Godan hatten sie nicht bekommen. Alia konnte nichts sagen und Godan war standhaft geblieben. Ob er überhaupt was davon wusste, war mir nicht bekannt. Vielleicht ahnte er, dass es wahr war, was die Leute uns zur Last legten. Zum Glück hatten wir in unserem Dorf keinen Folterknecht. Er hätte es vielleicht geschafft ein Geständnis zu erwirken, ob es den Tatsachen entsprach oder nicht, spielte keine Rolle. Mit den primitiven Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen, war es ihnen nicht gelungen. Eins stand fest. Von mir würden sie nichts erfahren. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sie vor mir Angst hatten. Es passte ihnen nicht, dass ich zurück war. Vielleicht hatten sie sich gedacht, dass ich nicht mehr wiederkommen würde, war eine längere Zeit nicht im Dorf gewesen. Es war spät, daher kamen sie zu keiner Einigung. Also wurden wir getrennt voneinander in die Gasträume gesperrt. Hier konnte ich mich ein wenig ausruhen. An Schlafen war nicht zu denken. Zu viele Sorgen um Alia, Samira, Godan und Kasi gingen mir durch den Kopf.Am nächsten Tag kamen sie nicht zusammen. Vielleicht mussten sie sich erst darüber beraten, denn dass ich erschienen war, hatte die Situation vollkommen geändert. Erst gegen Abend kamen drei von ihnen in mein Zimmer und prügelten auf mich ein. Schlag folgte auf Schlag, doch ich ließ es, soweit es möglich war, ohne einen Laut, über mich ergehen. Schnell merkten sie, dass es so keinen Sinn machte, und gingen nach kurzer Zeit. Die Nacht verlief sonst ereignislos. Irgendwie mussten sie gedacht haben, dass die Zeit für sie arbeiten würde. Von nun an gab es nichts mehr zu essen oder trinken. Es war ihre Art unseren Willen zu brechen. Ich hörte des Öfteren Lärm im Gastraum, doch kam höchstens einmal jemand nach oben, um zu sehen, ob die Fesseln saßen. Das war leider die ganze Zeit so. Es gab keine Möglichkeit, sie zu lösen. Meistens trugen sie einen Becher bei sich, um mir das kühle Nass schmackhaft zu machen. Sie stellten sich hin, dass ich genau sehen konnte, wie sie mit großen Schlucken tranken. Manch einer lachte mich aus, ging erst nach ein paar spöttischen Bemerkungen. Wie tief konnten Menschen sinken? Drei Tage ging veränderte sich nichts. Meine Zunge war geschwollen und klebte am Gaumen. Ich hoffte, dass es den Anderen, nicht schlechter ging als mir. Gehört hatte ich nichts von ihnen, lediglich ein paar Stimmen aus dem Nachbarzimmer. Der Durst wurde schlimmer. Gegen Mittag wurde es wieder laut im Schankraum. Zwei Leute kamen und holten mich ab. Sie schubsten und trugen mich in Richtung des Lärms. Auch Alia und Godan sah ich wieder. Während Godan es einigermaßen gut ging, konnte Alia kaum noch laufen. Sie wurde mehr getragen, als dass sie sich auf eigenen Füßen halten konnte. Eine Welle von Mitleid brandete durch mich und ich versuchte mit letzter Kraft zu ihr zu kommen, doch es war ein leichtes mich aufzuhalten. Jetzt war ich kurz vor dem Ende. Dass man so verzweifelt sein konnte, hatte ich nie gedacht und selbst bei den Holzfällern hatte ich einen Funken Hoffnung gehabt. Im Raum angekommen war das ganze Dorf versammelt. Sie waren jedoch ruhiger als sonst und sahen uns mitleidslos an. Ich meinte in einigen Minen Hass zu erkennen, aber das schrieb ich meinem Zustand zu. Der Verlust von Wasser tat sein übriges. Diesmal mussten wir stehen, Alia war dazu nicht mehr in der Lage. Für sie stand ein Stuhl bereit. Der Bürgermeister verkündete jetzt hoch wichtig, mit unübersehbarem Stolz das Urteil. Wegen fortgesetzter Bigamie und angenommener Polygamie wurden Alia und ich zum Tode durch Erhängen verurteilt. Godan sollte einhundert Peitschenhiebe bekommen. Sollte er es überleben, wurde er für den Rest seines Lebens aus dem Dorf verbannt. Gleiches traf für Kasi in Abwesenheit zu. Ebenso sollte dasselbe für alle gelten, die Kontakt zu uns hatten. Alle weltlichen Güter, die wir besaßen, sollten dem Dorf zugeschlagen werden.Ein Raunen ging durch die Reihen. Vereinzelt sah ich Köpfe, die geschüttelt wurden. Einige waren mit dem Urteil nicht einverstanden, doch sie sagten nichts, waren in der Minderheit und befürchteten in Kreuzfeuer zu geraten. Das Urteil sollte sofort nach der Verhandlung folgen, wobei Godan als Erstes ausgepeitscht werden sollte, damit Alia und ich es mit ansehen mussten. Danach würden wir so aufgehängt werden, dass wir uns dabei ansehen konnten. Ich konnte sehen, wie Alia in sich zusammensackte und fast vom Stuhl gefallen wäre, hätte man sie nicht vorher aufgefangen. Auch mir waren die Beine wackelig geworden. Damit hatte ich nicht gerechnet. Dass es keinen Freispruch geben würde, war klar, aber das übertraf meine schlimmsten Vorstellungen. Rufe wurden laut. Es war die Rede davon, dass man endlich anfangen sollte. Doch der Bürgermeister hob seine Arme und beruhigte die Menge. Er stand hoch aufgerichtet, seiner Wichtigkeit bewusst, mitten im Raum und meinte, als es endlich ruhig war: „Wie immer, haben die Verurteilten das letzte Wort!“, dabei sah er feist grinsend in Alias Richtung.Mit versteinertem Gesichtsausdruck wendete er sich an Godan und mich. Ich bekam nur ein Krächzen aus meiner ausgetrockneten Kehle und Godan schüttelte den Kopf. Plötzlich ging ein Stoß durch die Gemeinde. Lärm ertönte und wir wurden durch die Menge zur Tür gezogen. Als ich kurz davor war, schlug sie mir heftig entgegen. Ich traute meinen Augen nicht. Vor mir stand Rikan in voller Kriegskleidung. Mein Schwert, was er in der Hand trug, blitzten im Tageslicht auf und ließ die Meute augenblicklich verstummen. Hinter ihm, hoch zu Ross, saß mein Herr, genauso gerüstet wie Rikan. Eine Reihe Soldaten umschloss den Platz in voller Ausrüstung. Ich fiel losgelassen zu Boden, einen Schritt vor Godan. Hinter mir hörte ich es poltern. Alia und Rikan ging es nicht besser. Ich drehte mich um, kroch zu Alia und zog sie mit letzter Kraft Richtung Ausgang. Godan schaffte es selber. Rikan trat einen Schritt zur Seite und ließ uns vorbei, ohne uns zu helfen. Er hatte seine volle Aufmerksamkeit auf die Anwesenden gerichtet und funkelte sie mit bösem Blick an. Als wir draußen waren, liefen ein paar Soldaten auf uns zu und trugen uns weg. Was danach geschah, wurde mir später erzählt. Wir drei wurden in unser Haus gebracht und sofort versorgt. Mit unendlicher Freude nahm ich war, das Kasi im Haus war, die Samira und ihr eigenes Kind in den Armen hielt. Dann tranken wir was, allerdings langsam, Schluck für Schluck. Den Durst fürs Erste gestillt, kroch ich zu Alia, hob sie mit neu gewonnener Kraft hoch, und legte sie ins weiche Bett. Selber daneben liegend nahm ich sie in den Arm und schlief ein. Den ganzen restlichen Tag und die Nacht hindurch schliefen wir. Ab und zu wachte ich auf, um was zu trinken. Einmal meinte ich in der Nacht Feuerschein zu sehen und Brandgeruch zu riechen, aber ich dachte, dass es der Kamin sei, und schlief ein. Am späten Morgen wachte ich ganz auf, kam mir weiterhin vor wie gerädert vor, wollte trotzdem aufstehen. Alia lag an meiner Seite und ich küsste sie zärtlich. Ihre Schwellungen waren abgeklungen und sie sah schön aus wie immer. Sie öffnete kurz ihre Augen und wir lächelten uns an. Ein weiterer intensiver Kuss folgte. Danach drehte sie sich um und schlief ein. Vorsichtig löste ich mich und stand auf. Kasi war dabei was zu essen zu machen und Godan schlief in einem anderen Bett. Leise ging ich zum Tisch, auf dem schon was zu essen und trinken stand. Kasi kam ebenfalls und setzte sich mir gegenüber. Als ich hungrig die ersten Bissen herunter schlang und was getrunken hatte, erwachte meine Neugierde. Ich sah Kasi fragend an und sie begann, im Flüsterton zu berichten.„Als die Leute auf euer Haus zukamen, bin ich geflohen, hatte keine Zeit mehr die anderen zu warnen. In den Wäldern gaben sie es schnell auf mich zu verfolgen, dort bin ich im Vorteil. Ich habe überlegt, was ich machen sollte. Es gab eine einzige Möglichkeit. Ich lief so schnell wie möglich Richtung Stadt deines Herrn, unterwegs traf ich auf einen Reiter, der dich kannte. Er nahm mich auf seinem Pferd mit. In der Stadt bin ich zu Rea gelaufen, sie erzählte es Rikan, dieser deinem Herrn. Ohne zu zögern, machte er sich mit seinen Soldaten auf den Weg. Kurz vor dem Dorf hielten sie an, erkundeten die Lage. Als ihr hier alle im Gasthaus ward, wurde jedes Haus systematisch durchsucht und die wenigen Verbliebenen schnell überwältigt. Dabei haben wir Samira und mein Kind bei der alten Hebamme gefunden. Nachdem klar war, dass keine Gefahr mehr bestand, umzingelte die Truppe das Gasthaus und ging in Stellung. Alles Weitere weißt du selber. Was danach geschehen ist, kann ich dir nicht sagen. Es besteht jedoch keine Gefahr mehr für dich!“Ich wollte mich davon überzeugen. Mit festem Schritt ging ich in Richtung Dorf. Ein Geruch von verbranntem Holz zog in meine Nase. Dazwischen war ein süßlicher, widerlicher Geruch vorhanden, den ich nicht gleich erkannte. Das Dorf lag wie ausgestorben vor mir. Eine schwarze Rauchwolke hing mahnend darüber. Als ich freie Sicht auf den Marktplatz hatte, erkannte ich, was passiert war. Das Gasthaus gab es nicht mehr. Es war bis auf die Grundmauern abgebrannt. Eine kleine Gruppe von Bürgern stand verängstigt zusammen. Unter ihnen erkannte ich den Bürgermeister und einige, ihm Nahestehende. Wut stieg in mir auf und ich konnte sie schwer nicht zügeln. Ich ging an ihm vorbei zu meinem Herrn, der auf einem hohen Stuhl mitten auf dem Marktplatz saß, sodass er die Reste des Gasthofs sehen konnte. Mit eisernem Gesichtsausdruck starrte in die Überreste. Als ich näher kam, drehte er seinen Kopf in meine Richtung. Rikan stand wie gewohnt in seiner Nähe und kam mir entgegen. Er hielt mich auf, damit ich nicht weiter ging. „Störe ihn jetzt nicht!“, raunte er mir zu und hinderte mich daran, weiterzugehen.Ich hatte Fragezeichen auf meiner Stirn. Rikan kam näher heran, flüsterte mir Informationen ins Ohr, die ich brauchte, um alles zu verstehen: „In der Nacht hat unser Herr die Rädelsführer aus der Gaststätte geholt. Sie stehen dort drüben, wie du gesehen hast. Danach gab er den Befehl das Haus anzuzünden. Die verbliebenen Leute sind bei lebendigem Leib verbrannt. Jetzt denkt er darüber nach, was er mit den anderen macht!“Erschrocken starrte ich Rikan an. Dass mein Herr grausam sein konnte, wusste ich, dieses Ausmaß war mir unbekannt. Ich machte mir Vorwürfe nichts dagegen unternommen zu haben, wusste zugleich, dass es nichts genutzt hätte. Rache für alles, was mir angetan wurde beherrschte seine Gedanken und innerlich wusste ich, dass er erst aufhören würde, wenn alle Tod sein würden. Sein Gesetz war einfach. Er war stärker und bestimmte. Gnade war kein Wort, was er kannte. Vielleicht ging es ihm auch daran, dass über seinen Kopf hinweg Gericht gehalten wurde, dies sogar über Menschen, die unter seinem Schutz standen.Mit gesenktem Kopf ging ich zurück nach Hause.In der folgenden Nacht glaubte ich, Schreie zu hören. Ich ging nicht nach draußen, um mir Gewissheit zu verschaffen. Am nächsten Tag waren Alia und Godan soweit klar, dass wir zusammen was essen konnten. Wir unterhielten uns über dies und das, vermieden es die Geschehnisse der letzten Tage zu erwähnen. Wenn Alia und Godan ins Dorf gegangen wären, hätte ich sie aufgehalten. Ich fürchtete, dass sie von den Schrecken der Nacht zu sehen bekamen.Als Kasi und Godan nach Hause gingen, bat ich sie nicht ins Dorf zu gehen. Sie verstanden, was ich meinte. Tagsüber roch es wieder verbrannt, jedoch stärker als sonst. Ich saß vor unserem Haus und genoss die Sonnenstrahlen, als mein Herr alleine auf mich zukam. Sein Gesicht war übermüdet, doch seine Augen funkelten lebhaft und kalt. Er setzte sich zu mir und saß eine Weile neben mir, ohne ein Wort zu sagen. Eine Last schien von seiner Schulter zu fallen und er atmete tief ein. Geräuschvoll stieß er sie sogleich wieder aus. Irgendwann begann er leise, mit einer eindringlichen, zugleich gefährlichen Stimme zu sprechen. „Stimmt es, was man dir zulasten legt?“Ich nickte, sagte kein Wort dazu.Er holte wieder tief Luft. Man konnte seine Gedanken fast fühlen. Es dauerte eine Minute, bis er fortfuhr.„Das Dorf und seine Bewohner gibt es nicht mehr, die Alten und Kinder haben wir weggebracht. Ich habe nicht deswegen getan, weil man dir Leid angetan hat, sondern weil sie meine Gesetze nicht beachtet haben. Die Gerichtsbarkeit ist in meinen Händen und niemand hat das Recht dies zu untergraben. Ich musste ein Signal dafür setzten, dass alle Macht bei mir liegt. Schon bald werden es alle wissen, dass ich alleine das Sagen habe!“Wie ich es bereits vermutet hatte, ging es ihm darum. Daher die drakonische Strafe, er hatte ein Exempel statuiert.Später sah er mich mit traurigem Blick an und fragte mich, in einem entspannteren Ton: „Was soll ich nur mit dir machen? Du hast auch gegen mein Gesetz verstoßen, dagegen steht, dass du für mich viel getan hast und du meinen Dank zu erwarten hast!“Ich wusste keine Antwort und überließ ihm das Urteil, fügte mich seinem Standpunkt.Unerwartet fing er leise an zu lachen, wurde dabei lauter. Ich war verwirrt darüber, starrte ihn ungläubig an.„Weist du was? Ich selber bin an der Misere schuld, zumindest zum Teil. Ich habe dich vor langer Zeit dazu gezwungen! Aus dem einen Mal ist mehr geworden, das wiederum lag an dir selber!“Eine kurze Ruhe trat ein, um einen Moment zu überlegen.„Hier mein Urteil über dich. Ich verurteile dich dazu, das Dorf wieder aufzubauen, und eine Handwerkersiedlung daraus zu machen, wobei der Schwerpunkt auf der Schmiedekunst liegen soll. Es soll zu einem Zentrum der Metallverarbeitung werden unter deiner Leitung, nur mir verpflichtet. Des weiteren wirst du Alia offiziell heiraten!“Mit allem hatte ich gerechnet, Verbannung wäre das kleinere Übel gewesen, aber das war einfach zu viel. Ich musste lächerlich ausgesehen haben, wie ich dasaß, mit offenem Mund und dummem Gesicht. Ein folgendes befreiendes Lachen hatte ich von ihm nie zuvor gehört und es war ansteckend. Alia kam mit Samira aus dem Haus und sah nach, was los war. Sie verstand uns einfach nicht und wunderte sich, dass zwei erwachsene Männer dasaßen und vor Lachen fast umkippten. Als mein Herr ging, stürmte ich ins Haus und verkündete die Neuigkeit. Stürmisch umarmten wir uns und weinten minutenlang vor Freude. Alle Sorgen fielen von uns ab und ließen nur noch ein Hochgefühl zurück. Wenige Tage später kamen die ersten neuen Siedler an. Die Leichen und Überreste der Dorfbewohner waren von den Soldaten in einem Massengrab, weit weg, verscharrt worden. Außer der verkohlten Ruinen, war nichts mehr davon zu sehen, was hier geschehen war. Die Arbeiten gingen schnell voran und es dauerte kein Jahr und ein neues Dorf war entstanden. Handwerker aller Art siedelten sich an. Wie gewünscht lag der Schwerpunkt auf der Schmiedekunst. Selbst Gold und Silberschmiede waren gekommen. Es gab nichts aus Metall, was hier nicht hergestellt werden konnte. Das Dorf wurde eine kleine blühende Ansiedlung von Fachleuten, die meinem Herrn alles herstellten, was er benötigte und darüber hinaus ein nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor wurde. Ich ließ für Alia, zur Hochzeit, aus einem Teil meines Goldes und einiger Edelsteine prächtigen Schmuck herstellen, wie wir es vorher noch nie gesehen hatten. Wir heirateten sehr spät, die Zeit ließ es vorher nicht zu. Die vielen Aufgaben waren von mir kaum zu bewältigen und wäre Godan mir nicht zur Hand gegangen, hätte ich es nicht geschafft. Er entwickelte sich zu einem wirklichen Organisationsgenie. Wo keiner mehr den Durchblick hatte, behielt er kühlen Kopf. Jetzt hatten wir etwas gefunden, was er konnte. So kam es, das wir unsere Hochzeit in aller Ruhe vorbereiten konnten. Sogar Rea mit Rikan kamen, unser Herr nicht. Er ließ sich mit bedauern entschuldigen und wünschte uns alles Gute. Trotzdem feierten wir drei Tage lang. Jetzt waren wir Mann und Frau. Unser Glück kannte keine Grenzen. Einen Tag nach den Feierlichkeiten packten wir einige Sachen zusammen und stahlen uns davon. Samira war bei Kasi wir stiegen alleine zu unserer Höhle auf. Wir wollten Mann und Frau sein, ohne dass uns jemand störte. Seit Monaten war an eine traute Zweisamkeit nicht zu denken gewesen, zu viel war zu tun und die Arbeit endete oft am späten Abend. Wir waren zu erschöpft, um uns umeinander kümmern zu können, wie wir es wollten.

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