Die Venus im Pelz Kapitel 6

Venus im PelzKapitel 6»Soll ich Ihnen also Ihr Ideal verkörpern?« sprach Wanda schelmisch, als wir uns heute im Parke trafen.Anfangs fand ich keine Antwort. In mir kämpften die widersprechendsten Empfindungen. Sie ließ sich indes auf eine der steinernen Bänke nieder und spielte mit einer Blume.»Nun – soll ich?«Ich kniete nieder und faßte ihre Hände.»Ich bitte Sie noch einmal, werden Sie meine Frau, mein treues, ehrliches Weib; können Sie das nicht, dann seien Sie mein Ideal, aber dann ganz, ohne Rückhalt, ohne Milderung.«»Sie wissen, daß ich in einem Jahre Ihnen meine Hand reichen will, wenn Sie der Mann sind, den ich suche«, entgegnete Wanda sehr ernst, »aber ich glaube, Sie würden mir dankbarer sein, wenn ich Ihnen Ihre Phantasie verwirkliche. Nun, was ziehen Sie vor?«»Ich glaube, daß alles das, was mir in meiner Einbildung vorschwebt, in Ihrer Natur liegt.«»Sie täuschen sich.«»Ich glaube«, fuhr ich fort, »daß es Ihnen Vergnügen macht, einen Mann ganz in Ihrer Hand zu haben, zu quälen –«»Nein, nein!« rief sie lebhaft, »oder doch« – sie sann nach. »Ich verstehe mich selbst nicht mehr«, fuhr sie fort, »aber ich muß Ihnen ein Geständnis machen. Sie haben meine Phantasie verdorben, mein Blut erhitzt, ich fange an, an allem dem Gefallen zu finden, die Begeisterung, mit der Sie von einer Pompadour, einer Katharina II. und von all den anderen selbstsüchtigen, frivolen und grausamen Frauen sprechen, reißt mich hin, senkt sich in meine Seele und treibt mich, diesen Frauen ähnlich zu werden, welche trotz ihrer Schlechtigkeit, so lange sie lebten, sklavisch angebetet wurden und noch im Grabe Wunder wirken.Am Ende machen Sie aus mir noch eine Miniaturdespotin, eine Pompadour zum Hausgebrauche.«»Nun denn«, sprach ich erregt, »wenn dies in Ihnen liegt, dann geben Sie sich dem Zuge Ihrer Natur hin, nur nichts Halbes; können Sie nicht ein braves, treues Weib sein, so seien Sie ein Teufel.«Ich war übernächtig, aufgeregt, die Nähe der schönen Frau ergriff mich wie ein Fieber, ich weiß nicht mehr, was ich sprach, aber ich erinnere mich, daß ich ihre Füße küßte und zuletzt ihren Fuß aufhob und auf meinen Nacken setzte. Sie aber zog ihn rasch zurück und erhob sich beinahe zornig. »Wenn Sie mich lieben, Severin«, sprach sie rasch, ihre Stimme klang scharf und gebieterisch, »so sprechen Sie nicht mehr von diesen Dingen. Verstehen Sie mich, nie mehr. Ich könnte am Ende wirklich –« Sie lächelte und setzte sich wieder.»Es ist mein voller Ernst«, rief ich halb phantasierend, »ich bete Sie so sehr an, daß ich alles von Ihnen dulden will um den Preis, mein ganzes Leben in Ihrer Nähe sein zu dürfen.«»Severin, ich warne Sie noch einmal.«»Sie warnen mich vergebens. Machen Sie mit mir, was Sie wollen, nur stoßen Sie mich nicht ganz von sich.«»Severin«, entgegnete Wanda, »ich bin ein leichtsinniges, junges Weib, es ist gefährlich für Sie, sich mir so ganz hinzugeben, Sie werden am Ende in der Tat mein Spielzeug, wer schützt Sie dann, daß ich Ihren Wahnsinn nicht mißbrauche?«»Ihr edles Wesen.«»Gewalt macht übermütig.«»So sei übermütig«, rief ich, »tritt mich mit Füßen.«Wanda schlang ihre Arme um meinen Nacken, sah mir in die Augen und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich werde es nicht können, aber ich will es versuchen, dir zulieb, denn ich liebe dich, Severin, wie ich noch keinen Mann geliebt habe.« Sie nahm heute plötzlich Hut und Schal und ich mußte sie in den Bazar begleiten. Dort ließ sie sich Peitschen zeigen, lange Peitschen an kurzem Stiel, wie man sie für Hunde hat.»Diese dürften genügen«, sprach der Verkäufer.»Nein, sie sind viel zu klein«, erwiderte Wanda mit einem Seitenblick auf mich, »ich brauche eine große –«»Für eine Bulldogge wohl?« meinte der Kaufmann.»Ja«, rief sie, »in der Art, wie man sie in Rußland hatte für widerspenstige Sklaven.«Sie suchte und wählte endlich eine Peitsche, bei deren Anblick es mich etwas unheimlich beschlich.»Nun adieu, Severin«, sagte sie, »ich habe noch einige Einkäufe, bei denen Sie mich nicht begleiten dürfen.«Ich verabschiedete mich und machte einen Spaziergang, auf dem Rückwege sah ich Wanda aus dem Gewölbe eines Kürschners heraustreten. Sie winkte mir.»Überlegen Sie sich’s noch«, begann sie vergnügt, »ich habe Ihnen nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß mich vorzüglich Ihr ernstes, sinnendes Wesen gefesselt hat; es reizt mich nun freilich, den ernsten Mann mir ganz hingegeben, ja geradezu verzückt zu meinen Füßen zu sehen – ob aber dieser Reiz auch anhalten wird? Das Weib liebt den Mann, den Sklaven mißhandelt es und stößt ihn zuletzt noch mit dem Fuße weg.«»Nun, so stoße mich mit dem Fuße fort, wenn du mich satt hast«, entgegnete ich, »ich will dein Sklave sein.«»Ich sehe, daß gefährliche Anlagen in mir schlummern«, sagte Wanda, nachdem wir wieder einige Schritte gegangen waren, »du weckst sie und nicht zu deinem Besten, du verstehst es, die Genußsucht, die Grausamkeit, den Übermut so verlockend zu sc***dern was wirst du sagen, wenn ich mich darin versuche und wenn ich es zuerst an dir versuche, wie Dionys, welcher den Erfinder des eisernen Ochsen zuerst in demselben braten ließ, um sich zu überzeugen, ob sein Jammern, sein Todesröcheln auch wirklich wie das Brüllen eines Ochsen klinge.Vielleicht bin ich so ein weiblicher Dionys?«»Sei es«, rief ich, »dann ist meine Phantasie erfüllt. Ich gehöre dir im Guten oder Bösen, wähle du selbst. Mich treibt das Schicksal, das in meiner Brust ruht – dämonisch – übermächtig.« »Mein Geliebter!Ich will dich heute und morgen nicht sehen und übermorgen erst am Abend, und dann als meinen Sklaven.Deine Herrin Wanda.«»Als meinen Sklaven« war unterstrichen. Ich las das Billett, das ich früh am Morgen erhielt, noch einmal, ließ mir dann einen Esel, ein echtes Gelehrtentier, satteln und ritt in das Gebirge, um meine Leidenschaft, meine Sehnsucht in der großartigen Karpatennatur zu betäuben. Da bin ich wieder, müde, hungrig, durstig und vor allem verliebt. Ich kleide mich rasch um und klopfe wenige Augenblicke darnach an ihre Türe.»Herein!«Ich trete ein. Sie steht mitten im Zimmer, in einer weißen Atlasrobe, welche wie Licht an ihr herunterfließt, und einer Kazabaika von scharlachrotem Atlas mit reichem, üppigem Hermelinbesatz, in dem gepuderten, schneeigen Haar ein kleines Diamantendiadem, die Arme auf der Brust gekreuzt, die Brauen zusammengezogen.»Wanda! »Ich eile auf sie zu, will den Arm um sie schlingen, sie küssen; sie tritt einen Schritt zurück und mißt mich von oben bis unten.»Sklave!«»Herrin!« Ich knie nieder und küsse den Saum ihres Gewandes.»So ist es recht.«»Oh! wie schön du bist.«»Gefall‘ ich dir?« Sie trat vor den Spiegel und betrachtete sich mit stolzem Wohlgefallen.»Ich werde noch wahnsinnig!«Sie zuckte verächtlich mit der Unterlippe und sah mich mit halbgeschlossenen Lidern spöttisch an.»Gib mir die Peitsche.«Ich blickte im Zimmer umher.»Nein«, rief sie, »bleib nur knien!« Sie schritt zum Kamine, nahm die Peitsche vom Sims und ließ sie, mich mit einem Lächeln betrachtend, durch die Luft pfeifen, dann schürzte sie den Ärmel ihrer Pelzjacke langsam auf.»Wunderbares Weib!« rief ich.»Schweig, Sklave!« sie blickte plötzlich finster, ja wild und hieb mich mit der Peitsche; im nächsten Augenblicke schlang sie jedoch den Arm zärtlich um meinen Nacken und bückte sich mitleidig zu mir. »Habe ich dir weh getan?« fragte sie halb verschämt, halb ängstlich.»Nein!« entgegnete ich, »und wenn es wäre, mir sind Schmerzen, die du mir bereitest, ein Genuß. Peitsche mich nur, wenn es dir ein Vergnügen macht.«»Aber es macht mir kein Vergnügen.«Wieder ergriff mich jene seltsame Trunkenheit.»Peitsche mich«, bat ich, »peitsche mich ohne Erbarmen.«Wanda schwang die Peitsche und traf mich zweimal. »Hast du jetzt genug?«»Nein.«»Im Ernste, nein?«»Peitsche mich, ich bitte dich, es ist mir ein Genuß.«»Ja, weil du gut weißt, daß es nicht Ernst ist«, erwiderte sie, »daß ich nicht das Herz habe, dir weh zu tun. Mir widerstrebt das ganze rohe Spiel. Wäre ich wirklich das Weib, das seinen Sklaven peitscht, du würdest dich entsetzen.«»Nein, Wanda«, sprach ich, »ich liebe dich mehr als mich selbst, ich bin dir hingegeben auf Tod und Leben, du kannst im Ernste mit mir anfangen, was dir beliebt, ja, was dir nur dein Übermut eingibt.«»Severin!«»Tritt mich mit Füßen!« rief ich und warf mich, das Antlitz zur Erde, vor ihr nieder.»Ich hasse alles, was Komödie ist«, sprach Wanda ungeduldig.»Nun, so mißhandle mich im Ernste.«Eine unheimliche Pause.»Severin, ich warne dich noch ein letztes Mal«, begann Wanda.»Wenn du mich liebst, so sei grausam gegen mich«, flehte ich, das Auge zu ihr erhoben.»Wenn ich dich liebe« wiederholte Wanda. »Nun gut!« sie trat zurück und betrachtete mich mit einem finsteren Lächeln. »So sei denn mein Sklave und fühle, was es heißt, in die Hände eines Weibes gegeben zu sein.« Und in demselben Augenblicke gab sie mir einen Fußtritt.»Nun, wie behagt dir das, Sklave?«Dann schwang sie die Peitsche.»Richte dich auf!«Ich wollte mich erheben. »Nicht so«, gebot sie, »auf die Knie.«Ich gehorchte und sie begann mich zu peitschen.Die Hiebe fielen rasch und kräftig auf meinen Rücken, meine Arme, ein jeder schnitt in mein Fleisch und brannte hier fort, aber die Schmerzen entzückten mich, denn sie kamen ja von ihr, die ich anbetete, für die ich jede Stunde bereit war, mein Leben zu lassen.Jetzt hielt sie inne. »Ich fange an, Vergnügen daran zu finden«, sprach sie, »für heute ist es genug, aber mich ergreift eine teuflische Neugier, zu sehen, wie weit deine Kraft reicht, eine grausame Lust, dich unter meiner Peitsche beben, sich krümmen zu sehen und endlich dein Stöhnen, dein Jammern zu hören und so fort, bis du um Gnade bittest und ich ohne Erbarmen fortpeitsche, bis dir die Sinne schwinden. Du hast gefährliche Elemente in meiner Natur geweckt. Nun aber steh‘ auf.«Ich ergriff ihre Hand, um sie an meine Lippen zu drücken.»Welche Frechheit.«Sie stieß mich mit dem Fuße von sich.»Aus meinen Augen, Sklave!« Nachdem ich die Nacht wie im Fieber in wirren Träumen gelegen, bin ich erwacht. Es dämmerte kaum.Was ist wahr von dem, was in meiner Erinnerung schwebt? Was habe ich erlebt und was nur geträumt? Gepeitscht bin ich worden, das ist gewiß, ich fühle noch jeden einzelnen Hieb, ich kann die roten, brennenden Streifen an meinem Leib zählen. Und sie hat mich gepeitscht. Ja, jetzt weiß ich alles.Meine Phantasie ist Wahrheit geworden. Wie ist mir? Hat mich die Wirklichkeit meines Traumes enttäuscht?Nein, ich bin nur etwas müde, aber ihre Grausamkeit erfüllt mich mit Entzücken. Oh! wie ich sie liebe, sie anbete! Ach! dies alles drückt nicht im entferntesten aus, was ich für sie empfinde, wie ich mich ganz ihr hingegeben fühle. Welche Seligkeit, ihr Sklave zu sein. Sie ruft mich vom Balkon. Ich eile die Treppe hinauf. Da steht sie auf der Schwelle und bietet mir freundlich die Hand. »Ich schäme mich«, sagte sie, während ich sie umschlinge und sie den Kopf an meiner Brust birgt.»Wie?«»Suchen Sie die häßliche Szene von gestern zu vergessen«, sprach sie mit bebender Stimme, »ich habe Ihnen Ihre tolle Phantasie erfüllt, jetzt wollen wir vernünftig sein und glücklich und uns lieben, und in einem Jahr bin ich Ihre Frau.«»Meine Herrin«, rief ich, »und ich Ihr Sklave!«»Kein Wort mehr von Sklaverei, von Grausamkeit und Peitsche«, unterbrach mich Wanda, »ich passiere Ihnen von dem allen nichts mehr, als die Pelzjacke; kommen Sie und helfen Sie mir hinein.« Die kleine Bronzeuhr, auf welcher ein Amor steht, der eben seinen Pfeil abgeschossen hat, schlug Mitternacht.Ich stand auf, ich wollte fort.Wanda sagte nichts, aber sie umschlang mich und zog mich auf die Ottomane zurück und begann mich von neuem zu küssen, und diese stumme Sprache hatte etwas so Verständliches, so Überzeugendes –Und sie sagte noch mehr, als ich zu verstehen wagte, eine solche schmachtende Hingebung lag in Wandas ganzem Wesen und welche wollüstige Weichheit in ihren halbgeschlossenen, dämmernden Augen, in der unter dem weißen Puder leicht schimmernden roten Flut ihres Haares, in dem weißen und roten Atlas, welcher bei jeder Bewegung um sie knisterte, dem schwellenden Hermelin der Kazabaika, in den sie sich nachlässig schmiegte.»Ich bitte dich«, stammelte ich, »aber du wirst böse sein.«»Mache mit mir, was du willst«, flüsterte sie.»Nun, so tritt mich, ich bitte dich, ich werde sonst verrückt.«»Habe ich dir nicht verboten«, sprach Wanda strenge, »aber du bist unverbesserlich.«»Ach! ich bin so entsetzlich verliebt.« Ich war in die Knie gesunken und preßte mein glühendes Gesicht in ihren Schoß.»Ich glaube wahrhaftig«, sagte Wanda, nachsinnend, »dein ganzer Wahnsinn ist nur eine dämonische, ungesättigte Sinnlichkeit. Unsere Unnatur muß solche Krankheiten erzeugen. Wärst du weniger tugendhaft, so wärst du vollkommen vernünftig.«»Nun, so mach‘ mich gescheit«, murmelte ich. Meine Hände wühlten in ihrem Haare und in dem schimmernden Pelz, welcher sich, wie eine vom Mondlicht beglänzte Welle, alle Sinne verwirrend, auf ihrer wogenden Brust hob und senkte.Und ich küßte sie – nein, sie küßte mich, so wild, so unbarmherzig, als wenn sie mich mit ihren Küssen morden wollte. Ich war wie im Delirium, meine Vernunft hatte ich längst verloren, aber ich hatte endlich auch keinen Atem mehr. Ich suchte mich loszumachen.»Was ist dir?« fragte Wanda.»Ich leide entsetzlich.«»Du leidest?« – sie brach in ein lautes, mutwilliges Lachen aus.»Du kannst lachen!« stöhnte ich, »ahnst du denn nicht –«Sie war auf einmal ernst, richtete meinen Kopf mit ihren Händen auf und zog mich dann mit einer heftigen Bewegung an ihre Brust.»Wanda!« stammelte ich»Richtig, es macht dir ja Vergnügen, zu leiden«, sprach sie und begann von neuem zu lachen, »aber warte nur, ich will dich schon vernünftig machen.«»Nein, ich will nicht weiter fragen«, rief ich, »ob du mir für immer oder nur für einen seligen Augenblick gehören willst, ich will mein Glück genießen; jetzt bist du mein und besser dich verlieren, als dich nie besitzen.«»So bist du vernünftig«, sagte sie und küßte mich wieder mit ihren mörderischen Lippen, und ich riß den Hermelin, die Spitzenhülle auseinander und ihre bloße Brust wogte gegen die meine.Dann vergingen mir die Sinne. –Ich erinnere mich erst wieder auf den Augenblick, wo ich Blut von meiner Hand tropfen sah und sie apathisch fragte: »Hast du mich gekratzt?«»Nein, ich glaube, ich habe dich gebissen.«

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