Geteilte Welten Kapitel 11 – Eine neue Woche

Eine neue WochePünktlich um sechs Uhr schellte Tims Wecker. Mürrisch drehte er sich um; er hatte von dem wundervollen Nachmittag mit Marko geträumt. Mistding! Tim knipste seine Nachttischlampe an und tastete noch etwas schlaftrunken nach dem Knopf, der das blöde Teil endlich zur Ruhe bringen sollte. Dann fiel ihm das Bild ein, das er am Abend in seinem Nacht-schränkchen deponiert hatte. Er zog es heraus, betrachtete es mit glänzenden Augen und drückte einen Kuss darauf. ‚Guten Morgen, mein Schatz!“ murmelte er, und betrachtete Markos Konterfei. Dieses Lächeln, die Augen, die freche Stupsnase – Tim liebte einfach alles an ihm. Und er freute sich, ihn heute Nachmittag wieder zu sehen. Noch immer etwas unwillig klappte er die Bettdecke weg, drehte seine Beine aus dem Bett und stand auf. Er warf sich den Bademantel über und schlurfte auf Socken ins Badezimmer. Dort angekommen, hängte er den Bademantel auf einen freien Haken an der Tür, zog Strümpfe und Unterhose aus und stellte sich unter die Dusche. Nachdem er seine Zähne geputzt und sich „rasiert“ hatte, schlüpfte er zwar wieder in seinen Morgenmantel, band ihn aber nicht zu. Auf dem Flur kam ihm seine Mutter entgegen; ein kurzes Räuspern von ihr nötigte ihn, sich etwas mehr zu bedecken. „Morgen, Mom“, sagte er leise, ohne sie anzusehen. Dann verschwand er in seinem Zimmer. Als Tim seinen Schrank öffnete, um eine neue Unterhose und frische Strümpfe herauszuholen, schrak er zurück: Mist – seine Schulklamotten hingen ja noch in seinem Spind in der Schule! Also hieß es ‚Gas geben’, denn er musste sich ja noch schnell umziehen! Also schnappte er sich irgendeine Hose aus dem Schrank, ein Shirt und ein paar bequeme Schuhe. Flink rannte Tim die Treppe herunter – und wurde von seinem Vater gestoppt. „Halt, junger Mann“, rief er, „wohin so eilig? Und wie siehst Du aus? Wo ist Deine Schuluniform?“ „Die hängt noch in der Schule, deswegen habe ich es ja so eilig. Ich muss mich doch noch umziehen!“ antwortete Tim hastig im Vorbeilaufen. Als Tim in die Küche stürzte, hatte Margret ihm schon das Frühstück vorbereitet. Natürlich verbrannte er sich am heißen Tee mal wieder den Mund, schlang schnell ein Brötchen mit Marmelade herunter und lief in den Flur, wo seine Schultasche stand. „Bis nachher!“ rief er durch den Flur. „Ach so, heute Mittag bin ich übrigens nicht da, wir gehen Eis essen!“ Ohne eine Antwort der Eltern abzuwarten, rannte er hinaus und die Haustür schloss sich hinter ihm. Auf der Zufahrt zur Garage warte bereits Robert, der Fahrer seines Vaters. Im Vorbeilaufen rief er ihm zu: „Danke Robert, ich laufe heute zur Schule!“ Robert stand nur da, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Diese Jugend! In der Schule angekommen, riss Tim seine Schuluniform und ein frisches Hemd, das er immer als Ersatz dort zu liegen hatte, aus dem Spind und verschwand in der Umkleide der Sporthalle. In seiner Jacketttasche fühlte er etwas Hartes… sein Handy! Es zeigte 3 unbeantwortete Anrufe an… Aber der Blick auf die große Wanduhr in der Sporthalle mahnte sehr zur Eile – schon fünf vor sieben! In 5 Minuten würde der Unterricht beginnen…. Er warf seine anderen Klamotten in den Spind und knallte die Tür zu. Als er im Klassenraum eintraf, zeigte die Uhr sieben Minuten nach Sieben. „Schau an, Herr von Hochbergen gibt sich auch schon die Ehre!“ wurde Tim von seinem Klassenlehrer begrüßt. Schnell setzte er sich auf seinen Platz und sah kurz zu seinem Nachbarn herüber, um festzustellen, was er aktuell benötigte. Der Vormittag wollte nicht enden; quälend langsam verging die Zeit. Vom Unterricht bekam Tim nicht so allzu viel mit; zu sehr war er mit seinen Gedanken bei Marko. Verflixt, er wollte doch das Bild mitnehmen! Hatte er es eigentlich wieder in sein Nachtschränkchen gelegt? Wilde Gedanken kamen in ihm auf. Hat er oder hat er nicht? Was ist, wenn es jemand findet? Er begann zu schwitzen, und der durch die Krawatte eng gebundene Hemdkragen fing an zu kratzen. Endlich – die letzte Unterrichtsstunde begann! Die Klasse saß im Multimedia- Raum, jeder hatte einen Computer vor sich. Heute ging es irgendwie darum, so ein blödes Abrechnungs-Programm zu schreiben. Tim schaute sich die Vorgaben an, und innerhalb von 20 Minuten hatte er das Programm erstellt. Kein Problem für einen Jungen, dessen Vater Wirtschafts-Wissenschaftler war! Also hatte er jetzt noch etwas Zeit; Tim checkte kurz seine Mails – da war eine von Willy dabei! Er öffnete sie und las: ‚Hi Tim, ich möchte mich bei Dir entschuldigen und hoffe, Du bist mir inzwischen nicht mehr all zu böse. Aber als ich gesehen habe, dass zwischen euch mehr passieren wird als nur Geknutsche, bin ich gegangen. Ok, es war vielleicht auch nicht ganz fair, die anderen Jungs anzurufen, und auf der Lichtung auf euch zu warten. Wir wollten, nein, ich wollte euch sicher nicht so in Verlegenheit bringen. Bitte verzeih mir und lass uns wieder Freunde sein! Willy’ Die Mail verursachte bei Tim ein schlechtes Gewissen – es wurde dringend Zeit, dass auch er sich bei Willy entschuldigte! Den Rest seiner Post konnte er noch daheim lesen – es war nichts Wichtiges mehr dabei. Endlich ertönte sie Schulglocke – die PC ’s wurden heruntergefahren und ausgeschaltet. Dann durften seine Mitschüler und er endlich den Unterrichtsraum verlassen. Tim hatte es eilig; schnell wechselte er wieder seine Kleidung, sprühte sich noch etwas Deo unter die Arme und lief aus der Schule – geradewegs in Richtung Baggersee.

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