(Als der Arlberg-Express wegen Lawinengefahr nicht weiterfahren kann unddie Leute in Busse umsteigen müssen, trifft Gregor die einbeinige Zsuzsa,mit der er spontan beschliesst, anstatt nach Wien weiterzufahren, einenkurzen Italienurlaub anzutreten… )1. TagEs war ein trüber Tag im März. Gregor machte sich auf den Weg vonVorarlberg, wo er beruflich mehrere Tage zu tun gehabt hatte, nach Wien, wodie Zentrale seiner Firma lag und er auch seinen Wohnsitz hatte. Er bestiegin Feldkirch den Zug, der wie an vielen anderen Freitagen überfüllt war. Inder ersten Klasse des „Transalpin“ fand er jedoch einen akzeptablen Platz,auf dem er sich niederliess. Er packte einige Zeitschriften und seinenWalkman aus, damit rechnend, dass er die nächsten acht Stunden mit Lesenund Musikhören verbringen würde. Draussen begann es immer heftiger zuschneien, und er war froh, im Trockenen zu sein und die Wärme im Waggongeniessen zu können.Er war mit sich und den Gesprächen mit den Vorarlberger Kunden in denletzten Tagen recht zufrieden und freute sich nicht nur auf das kommendeWochenende, sondern auch auf eine freie Woche danach. Er hatte schon imSeptember diese Urlaubswoche reservieren lassen, um mit seiner damaligenFreundin in die Türkei zu reisen, dann aber war es mit der Beziehung bergabgegangen und noch vor Weihnachten zur Trennung gekommen. Die Woche war dannvöllig in Vergessenheit geraten, und als er kürzlich von seinem Chef aufden bevorstehenden Urlaub angesprochen wurde, fiel ihm die Vormerkungwieder ein. Spontan hatte er sich dann entschieden, diese Urlaubswocheanzutreten, obwohl die Pläne, wegzufahren, längst verworfen waren. Daherfreute er sich nun auf die freien Tage ohne Türkei.Der Zug hielt in Bludenz, wo der Sturm die Schneewolken über dasBahnhofsgelände trieb. Ihm fiel gleich eine gewisse Hektik desBahnhofspersonals draussen auf, die er zunächst nicht zu deuten vermochte.Dann meldete der Zugchef über die Lautsprecher, dass wegen Lawinengefahrdie Strecke über den Arlberg gesperrt worden war und der Zug nichtweiterfahren könne. Ein Schienenersatzverkehr mit Autobussen stünde auf demBahnhofsvorplatz bereit und würde die Fahrgäste nach Landeck auf die andereSeite des Passes bringen, wo eine Ersatzgarnitur sie aufnehmen und RichtungWien weiterbefördern werde.Missmutig packte Gregor seine Sachen ein und verliess den Zug. Das Chaosdraussen war beträchtlich. Frustriert schleppte er seinen Koffer und dieTasche mit den beruflichen Utensilien – wie schwer doch ein Notebook seinkann!Die Leute vor ihm überholten eine junge Frau, die sichtlich hinkend einegrössere Tasche und einen Skisack trug. Ihre Figur, von hinten betrachtet,gefiel ihm und er verlangsamte, sie weiter musternd, seinen Schritt. Siewar ein wenig kleiner als er, vielleicht einen Meter siebzig gross, langesehr dunkle Haare, hinten zu einem Schweif zusammengebunden, schlank, abernicht dünn. Sie trug eine kurze Strickjacke mit Kapuze. Die Jacke betonteihre Taille, während das ansprechende Gesäss in einer etwas weitergeschnittenen Jeanshose steckte, die auch auf lange Beine schliessen liess.Dazu trug sie Stiefel mit niedrigen Absätzen. Ihr Hinken führte er aufeinen Skiunfall zurück, ganz zum Sack passend, mit dem sie sich abmühte.Sie hielt kurz an, um zu rasten, was ihn zwang, sie zu überholen. Aufgleicher Höhe trafen sich ihre Blicke. „Welch ein Gesicht!“, durchfuhr esihn und er sah nicht ungern, wie sie ihn verlegen anlächelte. „Ich würdeIhnen gerne helfen, bin aber selbst bepackt wie ein Lastesel“, sagte er undwar froh, dass ihn eine so launige Reaktion eingefallen war. Ihre sanfteAntwort: „Macht nichts, es geht schon“, war für ihn Anlass, seinen Schrittbeim Weitergehen ihrem Tempo anzupassen und neben ihr herzugehen. Imfolgenden Small Talk fand er heraus, dass sie nach Bratislava unterwegswar. Aufgrund ihres Reisezieles und ihrer Aussprache war anzunehmen, dasssie aus der Slowakei stammte. Sie machte sich Sorgen, aufgrund derFahrtunterbrechung den Anschlusszug in Wien zu versäumen.Beim Bus angekommen, verstaute Gregor gleich sein Gepäck im grossenKofferraum des Fahrzeuges und brachte dann ihres daneben unter. Der Skisackfühlte sich eigenartig an, als wäre nur ein Ski drin. Er dachte nichtsweiter dabei und enterte nach ihr den Bus. Die Stiegen nahm sie zuerstimmer mit dem linken Bein und zog dann das rechte Bein ziemlich steif nach.Sie liess sich auf einer Bank im vorderen Drittel des Busses nieder undrückte gleich zum Fenster, deutlich machend, dass sie erwartete, er würdesich neben sie setzen. Nachdem sie ihre Jacke ausgezogen hatte, nahm Gregorden Nachbarplatz ein, nicht ohne bemerkt zu haben, dass ihre Bluse, dievorher in der Jacke verpackt war, nun auf zwei schöne Brüste schliessenliess.Dann ergriff sie mit beiden Händen die Lehne des Vordersitzes, zog sich einwenig hoch und sank vorsichtig mit leicht verzogenem Gesicht wieder in denSitz zurück. Er versuchte es weiter auf die launige Tour und fragte sie, inwelchem Krieg sie gekämpft hätte. Sie lächelte wieder verlegen und zögerte,ehe sie sagte: „Ich habe mich mit einem Zug duelliert, natürlich war erviel stärker und hat gewonnen.“ Auf seinen verdutzten Gesichtsausdruck hinfuhr sie fort: „Er fuhr in den Bahnhof von Presov, wo ich studiere, hinein,die letzten Meter. Ich hatte es eilig und sprang auf den Bahnsteig hinaus.Es war Winter, und dort war Eis. Ich glitt aus, mein rechtes Bein kamunters stehen bleibende Rad. Seither trage ich eine Prothese, und die tutmir jetzt weh, weil ich beim Skifahren gestürzt bin und mir an der Hüfteeinen riesigen blauen Fleck geholt habe,“ begründete sie damit auch gleichihre Verrenkungen.Gregor schluckte einige Male, die Antwort war ziemlich anders als er sieerwartet hatte. Es verschlug ihm kurz die Rede, aber er fasste sich raschwieder, ehe er sagte: „Und ich dachte, sie würden mir jetzt erzählen, derFeind wäre ein Liftbügel irgendwo in der Schweiz gewesen.“Dann lehnte er sich kurz zurück. Es war nicht das erste Mal, dass er ohnees zu wissen eine ungewöhnliche Frau anzubraten begonnen hatte. Seinefrüheren Freundinnen hatten etliche Attribute gehabt, die nicht insRepertoire der so genannten Normalität gepasst hatten und er hatte gelernt,die Makel einer Person zu schätzen, was den Umgang mit der gegebenenSituation nun erheblich erleichterte.Seine Sitznachbarin sah ihn mit ihren wunderschönen dunkelblauen Augen an,ehe sie amüsiert schmunzelte: „So hat mich auch noch keiner gefragt“, undfügte dann mit ernsterem Gesichtsausdruck hinzu: „Ich würde es schadefinden, wenn Sie das stört“, und deutete auf ihr rechtes ‚Bein‘.Gregor hatte noch keine Vorstellung, was da auf ihn zukam, aber nichts aufder Welt hätte ihn abhalten können, sie weiter zu umwerben. „Sollte esdas?“, gab er daher keck zurück. „Nun ja, die meisten Männer stört esschon, auch wenn manche gut erzogen zunächst das Gegenteil behaupten“;meinte sie mit misstrauischem Unterton. Gregor sah sie verwundert an: „Ichfinde Sie sehr nett und ungemein hübsch und habe noch nie meine Sympathienfür eine Frau an deren rechter Ferse gebunden.“Jetzt war sie an der Reihe, verblüfft zu sein, liess sich aber sehr raschauf diese Argumentationsebene ein, als sie lächelnd fortsetzte: „Und auchnicht an das rechte Knie?““Das fällt mir zugegebenermassen schwerer, denn ich finde die Knie einerFrau sehr erotisch. Aber das linke Knie ist, wenn ich richtig informiertbin ja noch da und gar so anders wird das rechte sicher nicht ausgesehenhaben.“Beide lachten, dann musterte sie ihn wohlwollend von der Seite. Er hatteihr gleich vom ersten Moment ihrer Begegnung an gefallen. Hellbraune,vielleicht eher dunkelblonde Haare, ziemlich lang und gut geschnitten,blaue Augen, ausdrucksstarkes Gesicht, nicht gerade dünn aber auch nichtdick und ganz sicher nicht blöd“, dachte sie in sich hinein. Ausserdemhatte sie das Gefühl, er sei kein Kind grosser Traurigkeit. Seine Nähe tatgut, das spürte sie.Es war nicht Gregors erster Kontakt zu einer Slowakin und er hatte dieFrauen in früheren Begegnungen stets als offene und herzliche Menschenerlebt. Sie war offenbar auch von dieser Art und dies fand er über ihrekörperlichen Reize hinaus ungemein anziehend.Die Zeit im Bus verging rasch, insbesondere als er seine Kenntnisse überdie Slowakei auspackte. Gregor hatte in den Jahren zuvor beruflicheKontakte dorthin gehabt, insbesondere nach Banska Bystrica und auch nachPresov, was sie sichtlich beeindruckte. Sie selbst stammte aus Zvolen,einer alten Stadt und wichtigem Bahnknoten südlich von Banska Bystrica, waralso aus der Mittelslowakei, lebte aber wegen ihres Studiums in Presov, dassie trotz ihrer Tragödie im Bahnhof sehr schätzte. Erzählen machte ihrgrossen Spass und er genoss ihren liebenswürdigen Akzent, der dieSc***derungen begleitete. Beiläufig hatte er auch ihr Alter erfahren, siewar dreiundzwanzig Jahre alt, fünf Jahre jünger als er. Mit Zufriedenheitregistrierte er, dass immer wieder ihre Blicke aneinander hängen blieben.Sie hatte tatsächlich dunkelblaue Augen, an denen er sich kaum satt sehenkonnte, aber dies war nicht der einzige Grund, von ihnen nicht loszukommen.Er hatte ein starkes Gefühl, sie kriegen zu wollen und spürte ein wohligesKnistern, wenn er sie betrachtete. Für ihn gab es ziemlich bald keinenZweifel, dass nicht nur sie ihm, sondern auch er ihr gefiel. Sie erwidertedas Flirten, das ihr auch die Ehrlichkeit seiner Worte deutlich machte, undgenoss das untrügliche Gefühl, im Fokus seines Begehrens zu stehen. Einesolche Situation war seit ihrem Unfall rar geworden und sie kokettierte mitdem Verlangen in ihrem Inneren. Ihre Ängste, sich zu täuschen, hielt sie imZaum, zumal sie es geschafft hatte, gleich unmissverständlich deutlich zumachen, was mit ihr los war.In Landeck angekommen, war es für ihn keine Frage mehr, dass er eineaussergewöhnliche Reisepartnerin gefunden hatte, die aus ihrem Sympathienihm gegenüber keinen Hehl machte. Sie gab ihm das Gefühl, dass sie dasZusammensein mit ihm ernsthaft mochte, und nahm es auch selbst wahr. Es warunausgesprochen klar, dass sie ihre Reise nun gemeinsam fortsetzen würden.Als sie aus dem Bus stiegen, fragte sie: „Macht es ihnen was aus, wenn ichIhren Koffer mit Rollen nehme und Sie meinen Skisack? Der ist derartsperrig, dass ich stets das Gefühl habe, er geht mit mir und nicht ich mitihm.“ Beide lachten und Gregor störte plötzlich das „Sie“. Er blieb stehen,zögerte und sagte dann: „Sollten wir nicht zum Du wechseln?“ Und als sienickte, hielt er ihr die Hand hin: „Ich heisse Gregor.““Und ich bin Zsuzsa“, sagte sie, während sie seine Hand lange drückte.Dann gingen sie mit ihrem Gepäck langsam zu Ersatzzug. Sie tat sich dabeisichtlich schwer und ihr Gesicht wurde sehr ernst. „Verdammter Bluterguss“,murmelte sie, als sie kurz stehen blieb. Schliesslich standen sie auf demBahnsteig vor einem Wagen erster Klasse und Gregor schickte sich an, dasGepäck durch die offene Einstiegstüre auf die Plattform zu schieben. Siezögerte. „Ich habe nur eine Fahrkarte zweiter Klasse“, sagte sie. „Und ichmöchte Dich einladen, mit mir in der ersten Klasse zu reisen, dort ist esnetter und viel bequemer. Ich zahle den Zuschlag wirklich gerne für Dich.“Sie lächelte, nahm die Einladung an und hielt ihm dann ihre grosse Taschehin.Sie fanden rasch ein leeres Abteil und Zsuzsa setzte sich seufzend nieder,während Gregor das Gepäck über ihr verstaute. Als er den Skisack hinaufhob, fiel ihm wieder der eine Ski darin ein. Natürlich, sie fuhr sicher miteinem Ski, aber wie? Das wollte er sie später fragen.Jetzt setzte er sich schweigend neben sie. Zsuzsa sah sich um. „Damals wares auch ein Wagen erster Klasse“, sagte sie plötzlich. „Wann?“ fragte erunaufmerksam. „Als ich unter den Zug geriet“, verdeutlichte sie. „Fuhrst Dudenn in der ersten Klasse?“, fragte er erstaunt. „Nein, aber da ich eseilig hatte, ging ich in einen solchen Waggon, weil sich dort noch keineMenschentrauben vor den Türen gebildet hatten. Ich konnte rascher raus.““Ich kenne den Bahnhof von Presov, erwiderte Gregor, „seine Bahnsteige habeich in schlechtester Erinnerung. Dort besteht stets akute Sturzgefahr, obbeim Ein- und Aussteigen, beim Überschreiten der Gleise, aber auch schonbeim Gehen auf den Schotterhügeln, anders kann man die zu Gleis steilabgeschrägten Steige kaum bezeichnen. Ganz zu schweigen von Situationen, indenen man abspringt, ehe der Zug steht.““Ich dachte, er wäre schon stehen geblieben, aber er fuhr noch einen Meter,das reichte. Das Rad stand genau auf meinem Knie.““Hast Du das alles mitgekriegt?“, fragte er mit belegter Stimme. „Anfangsschon, allerdings ohne die Konsequenzen erfassend. Es hat geknirscht undich habe gleich fürchterliche Schmerzen gekriegt. Aber es war zufällig einArzt zur Stelle, der mir eine Spritze gab, dann wurde ich bewusstlos.““Also hier passiert Dir sicher nichts“, lenkte Gregor das Gespräch inandere Bahnen, „Aber Schmerzen hast Du jetzt auch“, konstatierte er, alssie sich zur Seite lehnte, um mit ihrer rechten Gesässhälfte nicht voll aufdie Sitzpolsterung zu drücken.Sie nickte. „Die Prellung an der Hüfte und die Prothese mögen sich nicht,der Prothesenrand drückt auf den Bluterguss, das tut ziemlich weh“;erläuterte sie.“Was kann man dagegen tun?“, fragte Gregor besorgt.Zsuzsa schluckte. „Die Prothese ablegen und an Krücken gehen, aber das gehtjetzt nicht, ohne das Kunstbein kann ich nicht reisen, um das Gepäck zutragen brauche ich zwei Beine und freie Hände.““Wir fahren jetzt über sechs Stunden bis Wien, es gibt in dieser Zeitnichts zu schleppen, mach es Dir doch bequem:“Sie zögerte, sah ihn nachdenklich an und fragte dann: „Bist Du sicher, esstört Dich nicht, wenn ich inkomplett neben Dir sitze?““Lass es uns doch einmal ausprobieren, auf Dauer kämen wir an diesemProblem ohnehin nicht vorbei“, konterte er.Zsuzsa lächelte ein wenig gequält und registrierte sehr wohl die auflängeren Kontakt gerichtete Bedeutung seiner Worte, während in Gregorungeordnet Bilder aus seiner, wie er selbst sie nannte, eigenartigenBiographie der Beziehungen zu Frauen auftauchten. Seine erste Freundin, erwar gerade 16 geworden, war schwere Diabetikerin. Er erinnerte sich, dassihr damals, mit 15, wegen Durchblutungsstörungen schon mehrere Zehenfehlten. Seine letzte Flamme war hochgradig sehbehindert. Sie hatte sostarke Brillen gehabt, dass sie praktisch zwei Gesichter, eines mit Brilleund ein sehr schönes ohne Gläser hatte. Auch dazwischen gab es kaum eine,die nicht deutliche Differenzen zum Normalen gehabt hätte.Streng genommen hatte er schon damit gerechnet, dass er wieder aufUngewöhnliches stossen würde, war deswegen in der aktuellen Situationkeinesfalls unglücklich und fühlte sich in seiner Rolle, vom Andersseinangezogen zu werden, bestätigt. Auch seine Diplomarbeit an der Universitätpasste zum Thema, in ihr hatte er als angehender Soziologe dieStigmatheorie des amerikanischen Sozialwissenschaftlers Erving Goffmananalysiert und kommentiert. Eine der dort beschriebenen Formen des Stigmaswar die Amputation gewesen, Goffman hatte an mehreren Stellen das Schicksaleinbeiniger Frauen angesprochen. Gregor hatte dies interessiert registriertund auch zitiert, nun stand er plötzlich in der Praxis vor diesem Thema.Zsuzsa fasste einen raschen Entschluss. Sie wollte es nun genau wissen.“Gib mir bitte den Skisack wieder herunter und mache ihn auf, da sind dieKrücken drin.“ Gregor öffnete den Sack. Neben dem Ski fand er zwei PaarKrücken, ein kurzes Paar mit kleinen Skiern dran und ein längeres mitGummistoppeln an den Enden. „Na klar“, dachte er bei sich, „mit Krückenfährt sie, so habe ich einen Mann schon einmal fahren gesehen.“ Das anderePaar war schwarz, an der Unterarmklammer mit dunklem Leder überzogen undmit gepolsterten Griffen versehen. „Sind es diese?“, fragte er. Zsuzsanickte, nahm dankend die Krücken und legte sie neben sich.Sie stand auf, ging zur Abteiltüre und zog die Vorhänge zu. „Soll ichrausgehen?“ fragte Gregor. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, bleibe bitte da,ich möchte, dass Du jetzt dabei bist, wenn ich mich umziehe. Ich fühle michsicher wohler, wenn ich Dir nachher noch immer gefalle.“Dann öffnete sie den Gürtel ihrer Hose und zog die Jeans hinunter. Gregorverschlug es den Atem. Auf der linken Seite kam ein wohlgeformter, schwarzbestrumpfter Oberschenkel zum Vorschein. Der Strumpf hing an einemStrumpfhalter, ungemein erotisch. Rechts die Prothese, auch mit schwarzemStrumpf bedeckt, der an den Strapsen hing, dazu ein Gürtel um die linkeHüfte, der offenbar dem Festhalten der Prothese diente.Zsuzsa öffnete zuerst diesen Gürtel, löste dann den rechten Strumpf von denStrapsen und rollte ihn bis aufs „Knie“ hinunter. Sie drehte an einem Knopfüber der Mitte des Prothesenoberschenkels. Mit einem Ruck zog sie dierechte Hüfte hoch und dann kam ein kurzes Stück Oberschenkel zum Vorschein,höchstens ein Drittel, eher nur ein Viertel der ganzen Länge ihres linkenSchenkels. Sie zog einen Trikotstrumpf vom Stumpf und stand nun da, so wiesie wirklich war und offen sichtbar mit dem, was von ihrem rechten Beinübrig war. Sie legte die Prothese auf den Abteilboden.Dann richtete sie sich wieder auf. Sie hielt den Stumpf leicht nach vornegebeugt. Er war eine Spur schlanker als der linke Oberschenkel, und auf derflach abgerundeten Kuppe war eine ausgeprägte rote Narbe zu sehen. An derHüfte über ihm war ein grosser schwarzblauer Fleck, grösser als eine Hand.Zsuzsa beobachtete Gregor von der Seite. Er war noch nie in seinem Lebenmit einer solchen Situation konfrontiert worden, empfand nun aber keinerleiAbscheu oder Ablehnung. Ganz im Gegenteil. Er fühlte Wärme und Zuneigung insich aufsteigen, und wenn er auf die Strapse blickte, die vor dem Schenkelspannten und vor dem Stumpf baumelten, konnte er die Erregung kaumverbergen. Diese Frau war schön, so wie sie vor ihm stand, samt ihremBeinstumpf, den er als durchaus anziehendes Stück Oberschenkel empfand. Erwar fasziniert von dieser ungewöhnlichen Erscheinung.Zsuzsa bekam gleichzeitig Angst vor ihrer Courage. Sie spürt plötzlich,dass eine ablehnende Haltung Gregors sie schwer treffen würde. Sie begann,sich für ihren Körper und ihre Aktion zu schämen, während sie wegen derFahrtbewegungen des Zuges zunehmend Probleme hatte, die Balance zu halten.Sie versuchte zunächst kurz mit Erfolg, sich mit ihren Armen und ihrem, wieGregor ihn nun nennen wollte, kurzen Schenkel durch ausgleichendeBewegungen aufrecht zu halten. Als der Zug aber in einer Kurve stärkerrüttelte, verlor sie endgültig das Gleichgewicht und fiel Gregor in dieArme. Der gab ihr einen Kuss auf die Wange, hielt sie fest und flüsterte:“Ich kann Dir gar nicht sagen, wie aufregend ich Dich finde. Du bist eineschöne Frau. Ich mag Dich, wie Du bist.“Zsuzsa stand mit hochrotem Gesicht noch einmal auf, zog die Jeans hoch,faltete das rechte Hosenbein, steckte das untere Ende seitlich in den Bundder Hose und machte den Gürtel zu. Dann setzte sie sich wieder nieder,diesmal eng neben Gregor und sah ihn mit feuchten Augen an. „Ich habegrosse Angst gehabt, Dir könnte vor mir ekeln“, sagte sie leise. Erschüttelte den Kopf: „Es ist, wie ich sagte. Ich mag Dich, wie Du bist“,wiederholte er. Sie blickten sich eine Weile in die Augen. Sie spürte sichwunderbar angenommen, und sie fühlte, wie ihre Gefühle sie überwältigten.Plötzlich sah er, wie ihr Mund sich näherte. Er nahm sie wieder in die Armeund fand diesen Mund für einen wohlschmeckenden Kuss.Eine Weile sassen sie umschlugen da, dann lehnte sich Zsuzsa zurück. IhrBlick fiel auf die Prothese, die noch mitten im Abteil lag. Sie hob siehoch und reichte sie Gregor, damit er sie in den Skisack stecken konnte.“Komisch, ein Fuss im Skisack“, dachte er, ehe er den Sack zumachte undwieder auf dem Gepäckträger verstaute.Zsuzsa sass wieder zurückgelehnt da und schloss nun die Augen. „Bist Dumüde?“, fragte Gregor. Sie schüttelte den Kopf. „Ich geniesse den Satz, denDu gesagt hast, er kreist regelrecht in meinem Kopf:““Welcher?““ Ich mag Dich, wie Du bist. Ich kann es noch kaum glauben“, murmelte sie.Und dann mit einem Anflug von Panik: „Du meinst es doch ernst, nichtwahr?“ Er zog sie an sich und nickte. „Mit einer solchen Aussage spasst mannicht“, beruhigte er sie, sie nicht loslassend. Dann lehnte er sich zurückund streichelte ihren Rücken. Er war mit sich und der Situation zufrieden.Er wollte sie und sie öffnete sich ihm in einer Weise, die ihn beflügelte.Dass er so offen und eindeutig agierte, gefiel ihm. „Liegt sicher an ihr“,resümierte er in sich und nahm wohlig seine Zuneigung ihr gegenüber wahr.Draussen schneite es noch immer stark, Schneewolken wehten vorbei, währendder Zug durch das Oberinntal pflügte. „Ein richtiges Sauwetter“, beschwertesich Gregor.Zsuzsa blickte nun auch in Richtung Fenster. „Das kann man wohl lautsagen“, nickte sie zustimmend. „Wie in der Schweiz. Die ganze Woche gab esdort Wolken, Nebel und Schnee. Dabei hatte ich mit Frühling gerechnet.““Wo warst Du?“, fragte er.“In Belalp, im Wallis.““Kenne ich, ich mag das Goms, in dem Belalp liegt. Eine wunderschönesHochtal im Gebirge, mit etlichen Orten an den Berghängen, wie Belalp, einfaszinierender alter Ort in etwa 2000 m Seehöhe. Aber extrem ungut, wenndas Wetter schlecht ist, nur Schneesturm pur. Wie bist Du dorthingekommen?““Meine Tante lebt in der Schweiz, in Bern. Sie hat mich schon regelmässigin den Ferien eingeladen, als ich noch ein Kind war. In Belalp hat sie einkleines Haus, eher kann man sagen, eine Skihütte.““Ein Chalet“, korrigierte Gregor.“Genau, Du kennst Dich aus. Und wie bist Du in diese Gegend gekommen?““Ich habe einen Studienkollegen, der jetzt in Visp im Oberwallis lebt undhabe ihn schon öfters besucht. Ich war auch schon zweimal zum Skilaufendort, einmal eben in Belalp, allerdings bei Traumwetter.““Visp, das ist der grosse Ort im Tal, den man auf der Fahrt zumLötschenpass vom Zug aus überblickt, nicht wahr?“Er nickte und ergänzte: „Visp ist auch der Ort im Tal, von dem aus manZermatt und Saas-Fee, die berühmten Orte in den Walliser Bergen erreicht.““In Saas war ich vor einem Jahr, da habe ich nach der Amputation wiederSkifahren gelernt, meine Tante hat mir einen Kurs bezahlt.““Fährst Du gerne?““Ja, leidenschaftlich gerne, viel lieber als vorher mit zwei Skiern.Krückenskilaufen finde ich super, gibt ein tolles Gefühl freier Bewegungund ist aus meiner Sicht viel sicherer als normales Skifahren – ausser aufeiner riesigen Eisplatte“, schloss sie dann grinsend.“Kann ich mir schlecht vorstellen“, erwiderte er.“Glaube ich Dir, die Bewegung ist im Vergleich zum normalen Skilauf rechtunterschiedlich, obwohl grundsätzlich auch für Zweibeiner möglich, vomdenen die meisten natürlich nie auf die Idee kommen, das Fahren mit Krückenzu versuchen. Am besten, wir gehen miteinander einmal Ski fahren, dannkannst Du mir dabei zusehen“. Und dann mit interessiertem Blick auf ihn: „Fährst Du gut?““Ich glaube ja, ich war sogar einige Jahre Skilehrer. Am Anfang meinerStudentenzeit habe ich die Prüfung gemacht und dann in den Ferien Gelddamit verdient. Heute mache ich das nicht mehr.““Alle Achtung“, meinte sie anerkennend. „Was hast Du eigentlich studiert?““Soziologie. Und was machst Du?““Germanistik.““Ah, deshalb sprichst Du so gut Deutsch.““Meinst Du?“, fragte sie geschmeichelt und skeptisch zugleich. „Meine Tantesagt immer, ich sollte mal länger bei ihr bleiben, damit ich nicht immer soklinge wie eine weibliche Ausgabe des tschechischen Soldaten Schwejk.“Beide lachten.“Also ich finde Deinen Akzent äusserst sympathisch“, meinte Gregor undspielte dann den Entrüsteten. „Streng genommen sollten die Schweizer indieser Angelegenheit nicht gross reden, die versteht nämlich unsereinsschlechter als Dich.“Zsuzsa grinste. „Jetzt weiss ich, was ich ihr das nächste Mal sagen werde,wenn sie mir wieder mit solchen Vorwürfen kommt“, kicherte sie dann.Sie streckte sich. Dabei zog sie ihren Beinstumpf hoch, ein für Gregorungewohnter Anblick. Sie bemerkte seinen überraschten Blick und liess denStumpf wieder auf den Sitzpolster fallen. „Mein Frosch“, meinte sie dann.“Wie bitte?“Sie lächelte. „Ich sage Frosch zu ihm. Stumpf ist so ein hässliches undnegativ besetztes Wort. Schau, seine Kuppe ist, wie Du vorhin gesehen hast,rund wie ein Froschmaul, dazu die Narbe wie eine Mundöffnung darauf. Daherder Name.““Mir geht es bei dem Wort Stumpf auch nicht gut. Habe sogar Hemmungen, esin den Mund zu nehmen. Ich werde ihn daher auch als kurzen Schenkelbezeichnen.“Sie sah ihn erfreut an. „Eine gute Idee“, pflichtete sie dann bei.“Du magst Frösche?“, fragte er dann, auf ihre Namengebung anspielend.“Ja, ich finde sie ganz lieb“, antwortete sie vergnügt, und fragte dann:“Welches Tier hast Du am liebsten?““Die Katze“, antwortete Gregor ohne nachzudenken.“Ja, die mag ich auch. Ich bin eigentlich eine Katze, eine dreibeinige.“Gekicher. Dann hob sie wieder ihren ‚Frosch‘, der dabei in der Hose bebte.Gregor betrachtete ihn mit interessierten Blick und meinte dann: „Einkleiner Frosch. Du hast erzählt, das Rad des Waggons stand auf Deinem Knie.Muss man dann soviel vom Bein wegschneiden?“Zsuzsa griff mit der Hand nach ihrem Stumpf, und hielt ihn hoch, währendsie den Kopf schüttelte. „Zuerst war er viel länger, mehr als zwei Dritteldes Schenkels. Aber der Notfallchirurg war wohl eine Vorgabe. Es sah aus,als wäre das Bein unter ein Hackbeil geraten. Die Wunde war gross, hässlichund heilte schlecht. Dann kam eine Entzündung dazu, mit Schmerzen, dieschrecklich waren. Eine zweite Operation wurde notwendig.““Wie haben sich die Ärzte für diesen Pfusch verantwortet?““Sie haben gemeint, das wäre alles geschehen, um möglichst viel von meinemBein für die prothetische Versorgung zu retten.“Gregor schüttelte den Kopf. „Und dann musste man erst recht vielwegschneiden.“Zsuzsa zögerte. „Nun ja, ich wollte es so.““Wie?““Ich hatte das Theater satt. Als der Chirurg kam, um die Operationvorzubereiten und etwas von ‚Knochen retten‘ und ‚prothesengerecht’faselte, habe ich gesagt: nur ja keine Verlegenheitslösung mehr. Lieberkürzer, aber nachher keine Beschwerden. Und um der Sache Nachdruck zuverleihen, habe ich ihm erzählt, dass ich Miniröcke über alles liebe undnachher wieder welche tragen möchte, ohne mit dem Stumpf im Freien zustehen. Das hat gewirkt, das war für ihn als Mann offenbar einsichtig. Erhat gegrinst und mit einem Stift die Schnittführung auf der Hautvorgezeichnet. ‚So recht, Gnädigste?‘, hat er dann gefragt.““Ganz schön mutig“, warf Gregor ein.“Dabei war mir elend zumute. Wer gibt schon gerne was von seinem Bein her“,erläuterte sie.“Und hat es sich gelohnt?“Sie nickte. „Auf jeden Fall. Ich habe kaum Beschwerden, der Frosch istschön geformt und gut beweglich. Natürlich hat ein kurzer Stumpf auch seineGrenzen, nicht zuletzt in Bezug auf das Tragen einer Prothese. Der Hebeldes verbliebenen Teils des Schenkels ist kürzer, das Gehen istanstrengender und etwas instabiler. Ich gehe daher gerne als Alternativeauch mit Krücken. Auf jeden Fall ist es mir lieber so als mit Schmerzen undentstellenden Narben wie in den ersten Monaten nach dem Unfall“, schaudertesie sich. Zsuzsa streichelte kurz ihren Frosch.“Und die Miniröcke?“ fragte Gregor, provokant lächelnd. Sie blickte ihnüberrascht an und schmunzelte dann.“Die kann ich tatsächlich wieder tragen, ohne dass man schon von weitem denFrosch sieht. Allerdings fällt es mir meist nicht leicht, viel Bein zuzeigen, weil nur mehr ein Fuss da ist.“ Und nach einer kurzen Pause:“Vielleicht geht es besser an der Seite eines Mannes“, sagte sie undlächelte ihn vielsagend an.“Seit wann bist Du eine dreibeinige Katze?““Der Unfall ereignete sich vor etwas mehr als zwei Jahren, es war EndeJänner. Die zweite Operation war im September danach.““Das ist ja noch gar nicht lange her“, resümierte Gregor.“Ja man merkt es an der Narbe, die noch tief rot ist und ich spüre auchnoch des Öfteren das amputierte Bein. Am Anfang war dieses Gefühl ganzstark und ich bin auch mehrmals gestürzt, weil ich das Gewicht auf etwasverlagerte, was nicht mehr da war. Aber jetzt sind die Erinnerungen schonblasser, ich komme mit der Einbeinigkeit bereits recht gut zurecht.““Ich finde Deinen Umgang mit der Amputation sehr beeindruckend, man könntemeinen, Du magst es so.“Zsuzsa lächelte ein wenig verlegen und blickte zum Fenster hinaus. Draussenweiter Flocken und Nebelsuppe. „Es scheint, als würde der Schneesturm immerstärker. Dabei ist es März, Frühling“, dachte sie laut.Der Zug ratterte auf Innsbruck zu. Über den Zuglautsprecher wurde bekanntgegeben, dass die Verspätung bereits drei Stunden betrage, auf Grund desSchlechtwetters sei mit weiteren Verzögerungen zu rechnen. Ein Zug inRichtung Italien würde in Innsbruck erreicht werden, zwar nicht dergeplante Anschlusszug, der längst weg sei, aber ein anderer Schnellzug inRichtung Verona, Bologna und Rom. „Italien, ob dort wohl Sonne ist?“murmelte Zsuzsa.Gregor wurde wie vom Blitz von einer kühnen Idee getroffen, die ihn gleichbegeisterte. Zum einen war Italien sein Lieblingsland. Zum anderen neigteer dazu, sich voll in Beziehungen hineinzulassen und sich nicht lang beiVorgeplänkeln aufzuhalten.“Am besten, wir fahren hin und sehen nach“, meinte er und spürte einKribbeln in sich hochkommen.“Wie? Was?““Wir steigen in Innsbruck um und fahren in den Süden, solange, bis dieSonne da ist. Magst Du?“Zsuzsa war platt und schaute ihn ungläubig an. „Sicher wäre es schön. Aberwie soll das gehen? Meine Verletzung, das Gepäck, leere Kassa.““Die Kassa lass meine Sorge sein. Ich verdiene recht gut und Du bist nochStudentin. Ich lade Dich auch auf die erweiterte Zugfahrt ein, fürsÜbernachten finden wir sicher Lösungen und verhungern werden wir auchnicht. Kannst Du Dir bis mindestens Dienstag Zeit nehmen?“Zsuzsa überlegte. Hätte sie wirklich nicht gewollt mitzukommen, wäre jetztdie ideale Gelegenheit für den Rückzug gewesen. Sie sagte aber: „Ja, dasmüsste schon gehen, an den slowakischen Universitäten sind noch Ferien.““Prima, ich habe die ganze Woche Urlaub. Ich würde vorschlagen, wir lassenmeine Bürosachen und Deinen Skisack in der Gepäckaufbewahrung auf demInnsbrucker Bahnhof und machen einen Abstecher mindestens bis Verona. DieProthese lassen wir am besten im Sack, weil Du sie in den nächsten Tagenohnehin nicht tragen kannst. Bis wir nach Innsbruck zurückkommen, ist DeineHüfte vielleicht schon wieder in Ordnung. Vorausgesetzt, Du schaffst es anKrücken.“Gregor fühlte, dass er sich bildlich gesprochen weit aus dem Fenstergebeugt hatte, ziemlich weit sogar. Sein Freund Peter würde sagen, er hängewieder einmal gerade noch mit den Zehen am Fensterbrett. Er bekam plötzlichAngst vor einer Abfuhr. Er fühlte, dass ihn diese auf dem falschen Fusserwischen würde und sah sie gebannt an.Zsuzsa kämpfte mit ihrer Unschlüssigkeit. Auf der einen Seite war dieVerlockung gross, auf der anderen Seite ging alles nun ein wenig schnell.Aber dann dachte sie an ihre Panik beim Umziehen, fürchtete sich vor denFolgen einer Absage ihrerseits, gab sich einen Ruck und entschied: „Okay,fahren wir. Das Gehen an Krücken ist für mich sicher kein Problem.“ Undnach einem freudigen Blick auf ihn: „Ich bin wirklich froh, dass derVorschlag, die Prothese nicht mitzunehmen, von Dir kam. So kann ich sichersein, dass es Dich nicht allzu sehr stören wird, Dich mit eineroffensichtlich einbeinigen Frau in der Öffentlichkeit zu zeigen.“Während er glücklich lächelte, wurde sie nachdenklich. „Ich muss aberunbedingt meine Tante anrufen, die wartet nämlich auf einen Anruf von mirheute abends nach meiner Ankunft in Presov.““Dort wärest Du heute sowieso nicht hingekommen, Eine solche Verspätungwartet der Anschlusszug in Wien sicher nicht ab.““Ach ja, an das habe ich gar nicht mehr gedacht“, fiel ihr ein.“Brauchst Du ein Handy? Dann kannst Du jetzt gleich anrufen“, fragte Gregorund kramte in seiner Jackentasche.“Ja, meines ist ein Wertkartenhandy für die Slowakei.““So etwas hatte ich als Student auch, sag mir bitte die Nummer“, grinsteGregor. Er tippte die Schweizer Nummer ein, stellte die Verbindung her undhielt ihr dann den Apparat hin.“Hallo Tante, hier ist Zsuzsa“, meldete sie sich. „Ja, schlimm, schon dreiStunden, aber darum geht es jetzt nicht. Ich habe im Zug einen ganz liebenÖsterreicher kennen gelernt und wir werden in Innsbruck die Fahrt nach Wienunterbrechen und in Italien den Frühling suchen. Er hat mich dazueingeladen.“ Die aufgeregte Frauenstimme auf der anderen Seite schallte solaut aus dem Handy, dass Gregor sie noch aus eineinhalb Meter Entfernunghörte. Dann sagte Zsuzsa nach einigem Zuhören: „Er weiss es, Tante, ichsitze ohne Prothese neben ihm, die habe ich in den Skisack gepackt, weilsie mich schrecklich gedrückt hat“ Und nach weiterem Zuhören zu Gregor:“Sie will Dich kurz sprechen.““Ja, hier Gregor Kratochwil“, sagte er. Eine resolute Frauenstimme stelltesich als Elsa Spörli vor und sagte dann: „Eine tolle Idee, in Italien denFrühling zu suchen, noch dazu mit meiner lieben Zsuzsa. Sie ist so tapfer“,und dann zögerte sie, ehe sie fortfuhr: „aber auch sehr verletzlich. Ichweiss, es ist dumm von mir, so zu reden, aber ich möchte sie nur bitten,nicht mit ihr zu spielen.““Sie können beruhigt sein, gnädige Frau“, antwortete Gregor, „bei sovielSchönheit und Stärke ist kein Platz für Spiele.“ Kurze Pause, dann bedanktesie sich überschwänglich und wünschte ihm einen guten Urlaub. Erverabschiedete sich und sie sagte: „Geben Sie mir bitte noch mal Zsuzsa.“Nach weiteren Ausführungen von Elsa begann ihre Nichte zu strahlen. Kannsie mich auf Deinem Handy auch anrufen? „Natürlich“, nickte Gregor undsagte die Nummer an. Dann beendete Zsuzsa das Gespräch und war sichtlichzufrieden.“Die war völlig begeistert von dem, was Du ihr geantwortet hast, Bei derStrenge Tante Elsas Männern gegenüber eine Seltenheit. Dein Name kommtübrigens in der Slowakei recht häufig vor.““Ja, mein Ururgrossvater war Tscheche, der nach Niederösterreicheinwanderte.“Dann gab sie ihm einen Kuss. „Auf in den Süden“, rief sie, sprang auf undhüpfte auf ihrem einen Bein im Abteil herum. Gregor hatte Gelegenheit, nunwegen ihrer Beweglichkeit verblüfft zu sein, eine Reaktion, die er in dennächsten Tagen noch öfter haben sollte.Rasch packten sie ihre Sachen zusammen und er begann, ihre Gepäckstücke zumAusgang zu tragen, während sie noch Skikleidung in den Sack mit derSkiausrüstung schob, um ihre Reisetasche zu entlasten. „Ich bringe meinBürozeug und den Skisack in die Gepäckaufbewahrung, Du bleibst am bestenbeim anderen Gepäck auf dem Bahnsteig“, schlug er vor.Sie nickte und fragte ihn dann besorgt: „Hast Du alles, was Du brauchst,umgepackt?““Gute Frage“, sinnierte er. Dann fiel ihm der Photoapparat ein, der in derBürotasche steckte und packte ihn hastig in den Koffer.“Hast Du alles aus dem Sack?“, fragte er dann.“Ja, ausser wir gehen in Verona Ski fahren“, erwiderte sie amüsiert.“Na, lieber nicht, sonst holst Du Dir auf der anderen Seite auch einenriesigen blauen Fleck“, konterte Gregor. Sie puffte ihn mit der Krücke indie Seite und grinste.Dann fiel ihr aber doch noch etwas ein. „Ich gehe ja die nächsten Tage dieganze Zeit an Krücken und habe meine Wechselgriffe für diese noch imSack.“ Gregor öffnete den Skisack, der nun bereits auf der Plattform lag,worauf als erstes die Prothese heraus fiel. Zsuzsa nestelte im Sack undbrachte eine kleine Plastiktüte zum Vorschein, die sie in ihre Tascheschob, während Gregor vor dem verblüfften Schaffner das „Bein“ wiederverstaute. Höchste Eisenbahn, denn der ‚Transalpin‘ rumpelte bereits in denInnsbrucker Bahnhof.Als der Zug angehalten hatte, kletterte zunächst Gregor hinaus undschichtete die Gepäckstücke neben eine Sitzbank auf dem Bahnsteig. Dannhalf er Zsuzsa aus dem Waggon. Sie setzte sich auf die Bank, während er mitBürotasche und Skisack in Richtung Kassenhalle startete. Wegen desUmsteigens war er unter grossem Zeitdruck, aber glücklicherweise gab eskeine Wartenden vor dem Depot. Die Aufbewahrung war in Minuten erledigt undGregor rannte zum Fahrkartenschalter für das Ausland. Auch dort ging esschnell und dann lief er zurück zum Bahnsteig.Zsuzsa sass in der Zwischenzeit mit wachsendem Unbehagen auf der Bank. Vorihr stand noch immer der Zug nach Wien und aus diversen Abteilen gafftendie Passagiere ungeniert auf die junge einbeinige Frau draussen auf demPerron. In einem Abteil unterhielten sie sich offensichtlich kopfschüttelndüber sie. Es war einer jener Augenblicke, in denen sie sich sehr behindertfühlte und am liebsten davongelaufen wäre. Aber das ging jetzt nicht: dieKrücken, das Gepäck. Sie atmete auf, als Gregor zurückkam.“Komm, wir müssen rüber auf den anderen Bahnsteig!“, rief er schon vomStiegenaufgang her leicht keuchend. Dann schnappte er das Gepäck undmeinte: „Ich laufe voraus, damit der Zug ja nicht wegfährt.“ Er rannte dieStiegen hinunter, hinter sich das Geräusch der auf den Boden aufsetzendenKrücken Zsuzsas. Dann lief er durch die Unterführung und die Stiegen zumnächsten Bahnsteig wieder hinauf. Der Anschlusszug war schon abfahrbereit,der Schaffner winkte, rasch einzusteigen. Als Gregor das Gepäck bei dererstbesten Tür hinein geschoben hatte und sich umdrehte, stand Zsuzsa mitden Krücken schon hinter ihm. „Das ging aber flott,“ meinte er anerkennend,als er sie zuerst einsteigen liess und ihr dann folgte. „Warum nicht, einBein habe ich ja noch“, entgegnete sie schnippisch.Sie machten sich auf die Suche nach einem Wagen erster Klasse. Der fandsich bald mit vielen leeren Abteilen und sie bezogen ihr neues Quartier.Gregor war noch immer beeindruckt von Zsuzsas Tempo mit den Krücken. „Mitder Prothese warst Du viel langsamer“, konstatierte er verwundert. „Sie hatmir wehgetan, das war eine besondere Situation. Aber es stimmt, mit denKrücken bin ich schneller. Ich gehe auch gerne ohne Prothese, insbesonderewenn es nichts ausmacht, dass die Hände gebunden sind.““Du benötigst eben einen Träger“, meinte er, was sie wortlos mit einemLächeln quittierte.Sie sassen sich nun im Abteil gegenüber. Zsuzsas Hosenbein hatte sich inder Hektik selbständig gemacht und hing lose hinunter. Sie begann es erneuthoch zu falten, als Gregor wieder die kurzen Röcke einfielen. „Ich glaube,Du brauchst jetzt einen Rock,“ stellte er trocken fest. Zsuzsa hieltverdutzt inne, liess das Hosenbein wieder fallen und meinte dann: „Du hastrecht, dafür brauche ich allerdings noch einmal meine Tasche vomGepäckträger.““Gerne, gleich geschehen“, feixte er und hob die Reisetasche herunter.Während Zsuzsa einen Rock und eine Strumpfhose der Tasche entnahm, ging dieTür auf und der Schaffner verlangte die Fahrkarten. Staunend betrachtete erdie junge Frau mit dem leeren Hosenbein, als er die Fahrkarten markierte.Dann ging er wieder, eine gute Reise wünschend.“Gäbe es Dich nicht, man könnte meinen, die Leute hier haben noch nie eineeinbeinige Frau gesehen“, ätzte Zsuzsa.“Das ist gut möglich, für mich bist Du auch die erste.““Er war ja erträglich, aber die Leute im Transalpin waren mit ihrementsetzten gaffen, als ich vor ihnen auf dem Bahnsteig auf Dich wartete,jenseits von gut und böse,“ schimpfte sie. Und nach einer kurzen Pausehakte sie nach: „Wirklich die erste?““Ich kann mich zumindest nicht erinnern… Männer schon“, antwortete ernachdenklich..Zsuzsa hüpfte zur Tür und zog die Vorhänge zu. Dann zog siesich um. Der Rock war aus weichem Jeansstoff, nicht eng, sondern eherglockig geschnitten und tatsächlich recht kurz – er endete mehr als eineHandbreit über dem Knie. Dann kam noch eine schwarze Strumpfhose dazu,deren rechtes Hosenbein sie in den Bund hineinstopfte. Als sie dabei war,ihren Stiefel wieder anzuziehen, öffnete sich nochmals die Tür und derSchaffner stand da mit einem Pack Zeitungen im Arm, die er zum Lesen anbot.Er betrachtete die verwandelte Zsuzsa genauso verblüfft wie sie ihn.Sie begriff nun die Öffentlichkeit ihres Umziehens im Abteil. Als er wiederweg war, meinte sie: „Das war Glück. Ein paar Minuten früher, und er hätteden falschen Zeitpunkt erwischt… „Gregor grinste: „Da war ich besser dran.““Bei Dir ist das anders, Du bist am Üben.“ Beide lachten. „Wieso beimÜben?“, fragte er dann.“Hast Du wirklich noch nie eine einbeinige Frau gesehen?“Gregor wollte gerade zu einer Beteuerung ansetzen, dann stutzte er. „Doch.Als ich etwa zehn Jahre alt war, bin ich mit meinen Eltern im Burgenlandauf Urlaub gewesen und dort war ein Mädchen, etwas grösser als ich, demfehlte ein Bein ab dem Knie, Es hatte einen Tumor gehabt und eine Glatzenach den Therapien, aber beim Spielen am Strand des Neusiedlersees war esimmer voll dabei,“ erzählte Gregor. Ich hatte es völlig vergessen,bekräftigte er dann.“Das war bei mir auch so“, murmelte sie.“Was?“ fragte Gregor verwundert. „Das mit dem Vergessen. Als ich klein war,kam zu uns öfters eine Zigeunerin, eine Roma, wie sie sich selbst nennen,und verkaufte Wollsachen an meine Mutter. Sie hatte nur ein Bein und ichwar von ihr ganz fasziniert. War sie angekündigt, wartete ich immer schonbei der Tür, um sie nicht zu versäumen. Ich hatte das ganz verdrängt, bises meine Mutter nach dem Unfall wieder erzählte.“Gregor wurde neugierig. „Hat das dann irgendeine Auswirkung auf Deine neueSituation gehabt?“, fragte er.“Ja, aber erst später. Es war zwar das erste Mal, dass ich nach dem Unfallwieder lachte, nachdem meine Mutter ihre Sc***derung beendet hatte, aberunmittelbar hat die Erinnerung nicht weiter gewirkt, da war dieVerzweiflung ganz einfach zu gross. Ich war sehr froh gewesen, schöne Beinezu haben, habe sie auch gerne gezeigt, und nun war nur mehr ein Bein übrig.Dazu kam, dass mein damaliger Freund erklärte, „so“ könne er mich nichtmehr lieben und mich verliess. Aber auch andere spielten mir übel mit, wiespäter ein Professor an der Universität, der, als er mich nach dem Unfalldas erste Mal wieder sah, meinte, das sei typisch für mich, mir würdenichts schnell genug gehen. Er könne sich nicht vorstellen, wer nun so eineGermanistin brauchen werde. Dabei wollte ich einen Prüfungstermin bei ihmnicht versäumen, als ich aus dem Zug sprang.““Arschloch“, entfuhr es Gregor.Dann wurden sie von Thema abgelenkt, denn in seiner Jackentasche läutetedas Mobiltelefon. Er holte es heraus und sah auf das Display. „Ein Anrufaus der Slowakei, der ist sicher für Dich“, stellte er fest, drückte aufden Annahmeknopf und reichte es Zsuzsa hinüber. Deren Gesicht hellte sichauf, „Hallo Mama, wir haben gerade von Dir gesprochen“, verstand Gregornoch, dann folgte eine Debatte auf Slowakisch. Zsuzsa sah ihn dabei öfterslächelnd an, woraus zu schliessen war, dass sich das Gespräch um ihndrehte. Dann beendete sie das Telefonat, reichte ihm das Handy zurück undberichtete: „Meine Mutter ist von ihrer Schwester gleich angerufen worden,und war neugierig wie immer. Sie war sehr angetan, als ich ihr erzählte,dass die offene Art funktioniert hat und Du nicht davongelaufen bist, alsDir klar wurde, wie es um mich steht. Schöne Grüsse unbekannterweise.“Gregor bedankte sich und meinte, dass Zsuzsa eine prima Familie habe, diesehr zu ihr stehe. „Was ist eigentlich mit Deinem Vater? Den erwähnst Dunie“, bemerkte er dann.“Der ist tot“, erzählte sie. „Er hat sich von meiner Mutter getrennt, alsich zehn war und ist nach Ende der kommunistischen Ära nach Australienausgewandert. Vor fünf Jahren kam dann die Nachricht, dass er bei einemArbeitsunfall ums Leben gekommen sei. Was genau geschah, weiss ich nicht“,meinte sie betrübt, war aber gedanklich noch beim Gespräch mit ihrerMutter. Zsuzsa hielt viel von ihren Ratschlägen, um die es auch imTelefonat unter anderem gegangen war.Dann stand sie auf, griff nach ihren Krücken und setzte sich mit einemSeufzer neben Gregor, die Gehhilfen wieder zur Seite legend. Der nahm siespontan in seine Arme, was sie gerne geschehen liess. Während er sie hielt,streichelte er sanft ihren Rücken und bemerkte die Fotografie über demmittleren Sitz gegenüber. Sie zeigte die Basilika von Palladio in Vicenza,und da wusste er plötzlich, wo diese Zugfahrt enden sollte.Zsuzsa dreht ihm dann mit fast geschlossenen Augen ihr Gesicht zu. Zartdrückte er ihr einen Kuss auf die Lippen und blieb förmlich an ihnenhaften. Es wurde ein langer und tiefer Kuss. Als sich nach einiger Zeitihre Lippen voneinander lösten, öffnete sie ein wenig die Augen und drücktedann gleich wieder ihren Mund auf den seinen.“Wie Samt“, durchfuhr es Gregor und instinktiv tastete er nach ihren Knien.Er griff zunächst ins Leere, dann spürte er das linke Knie unter seinenFingern und begann, ihr Bein von dort aufwärts zu streicheln. Sie beendeteden Kuss, liess sich in die Ecke der Sitzbank gleiten und seine Hand williggeschehen. Sie dachte an eine Bemerkung ihrer Mutter im Telefonat.“Hoffentlich mag er Dich nicht nur trotz Deiner Einbeinigkeit“, hatte diesebesorgt festgestellt und als sie sein „Ich liebe Dich, wie Du bist“zitierte, hinzugefügt: „der Augenblick der Wahrheit kommt erst, wenn ihrEuch weiter nähert und er Deine amputierte Seite nicht ausgrenzt.“ Nunsteuerten sie auf eine Situation zu, die vielleicht gleich Klarheitschaffen würde.Zsuzsa spürte deutlich das Verlangen in ihr, das ihr lange gefehlt hatte,und sie genoss seine Hand auf ihrem Schenkel. Sie schätzte auch dieBehutsamkeit, mit der er das Bein streichelte.Für Gregor war hingegen die Behutsamkeit auch Vorsicht, weil er ihr nichtzu schnell nahe treten wollte, obwohl er sie am liebsten an Ort und Stellevernascht hätte. Er koste weiter ihren langen Schenkel, und spürte ihrenKörper zittern, als er ihn weiterhin zärtlich und immer weiter oben mitseinen Fingern bestrich. Irgendwann stiess er dabei gegen den Stumpf,erschrak, und zog die Hand wieder zurück, was er sogleich dumm fand. Erhatte instinktiv reagiert, als würde er ihr dabei Schmerz zufügen, was jaabsurd war. Ausserdem entnahm er ihrem „Mhh“, das sie dabei ausstiess, dassdie Berührung für sie alles andere als unangenehm gewesen war. Alsowanderte seine Hand wieder zum Frosch und begann, ihn vorsichtig zustreicheln, zuerst auf der Kuppe und dann bis zur Beuge hinauf. „Ein zarterSchenkel, zugleich ein wirklich kurzer“, dachte er, während sie hörbar zuatmen begann. Er fasste nun mehr Mut und nahm den Stumpf in seine Hand. Erregistrierte überrascht, wie weich er war. Ein Zittern ging durch denFrosch und Zsuzsas Atem wurde noch lauter. Für Gregor war es ein neues undzugleich sehr anregendes Erlebnis. Sanft glitt seine Hand auf dieInnenseite des Frosches, sein Handrücken berührte dabei ihre Scheide. IhrenWangen waren gerötet und ihr Frosch begann in seiner Hand zu zucken. Dannhielt sie plötzlich seine Hand fest: „Später, bitte nicht hier“, flüstertesie.Gregor liess seine Hand auf dem weichen Rest ihres Schenkels liegen und gabihr einen langen Kuss. „War das ein Versprechen?“, fragte er dann. Sie sahihn lange an, kochte in innigen Gefühlen, lächelte und nickte mehrmals.Zsuzsa war selig. Als er seine Hand wegziehen wollte, hielt sie diese mitbeiden Händen fest. Sie hatte die Augen geschlossen, kämpfte mit den Tränenund genoss die warme Hand auf ihrem Frosch.Dann sassen sie still nebeneinander. Der Zug war schon längst in Italien.Langsam dämmerte es draussen, es schneite nicht mehr und die Landschaftzeigte schon ein wenig Grün. Der Zug hielt.“Wo sind wir?“, fragte Zsuzsa, die Augen öffnend und Gregors Handloslassend.“In Bozen“, antwortete er und dachte wieder an das Ziel der Fahrt, das erihr vorschlagen wollte.“Ich würde mit Dir gerne nach Vicenza fahren, eine wundervolle Stadt“,meinte er.“Ich glaube, ich fahr jetzt überall hin, wenn Du es vorschlägst“, flüstertesie und kuschelte sich an ihn. „Dauert es bis dahin noch lange?“, fragtesie dann schläfrig.“Schon noch eine Weile“, meinte er, sich über die Antwort von Herzenfreuend. Sie sank auf seinen Schoss.“So ist es schön“, murmelte sie und es dauerte nicht lange, bis sieeinschlief.Gregor blieb wach und musterte liebevoll seine neue Gefährtin. Er war aufsie abgefahren, daran bestand kein Zweifel. Sie war sehr attraktiv,sinnlich, einfühlsam und klug und hatte einen Makel, der ihre Besonderheitunterstrich und der ihn nun mehr faszinierte, als er jemals gedacht hätte.Er bewunderte die Art, wie sie selbst mit ihrem Anderssein umzugehenversuchte und die Anziehungskraft, die dabei spürbar wurde. Er sah sie vorsich, wie sie auf sein Streicheln vorhin erregt reagiert hatte und dachtemit Wohlbefinden daran, dass er sie liebend gerne verschlugen hätte. Erfühlte noch immer den Frosch in seiner Hand und stellte verwundert fest,dass es ihm nie in den Sinn gekommen wäre, welch positive Gefühle dies inihm auslösen würde. „Ich glaube“, sagte er dann leise zu sich selbst, „ichbin schon verliebt.“Draussen wurde es immer dunkler und nach dem Halt in Rovereto war es Zeit,an Verona und ans Umsteigen zu denken. Ihre Fahrkarten reichten bisdorthin, er würde neue für die kurze Strecke nach Vicenza lösen müssen.Diesmal werde es wohl keine Hektik geben, denn zwischen Verona und ihremZielort gab es Züge in kurzen Intervallen, auf einen Zug früher oder späterkäme es sicher nicht an.“Hallo Zsuzsa, hallo Liebste, wach auf, wir kommen gleich an.“ Sieschüttelte den Schlaf ab, sah ihn liebevoll an und freute sich über seineAnrede.“Guten Abend, Liebster“, flüsterte sie und gab ihm einen Kuss. Dann standsie auf, nahm ihre Krücken und ging zur Toilette. Es dauerte einige Zeit,bis sie wiederkam. Sie hatte sich frisch gemacht, neu geschminkt, dielangen und kräftigen dunklen Haare nun offen tragend und einige kleineZöpfe hinein geflochten.“Mich haut es um“, rief Gregor, „Du siehst toll aus.“Sie strahlte ihn mit ihren schönen Augen an, als sie die Krückenniederlegte und auf ihrem einen Bein balancierend vor ihm stand. In Zügenschien sie aber dabei überfordert zu sein, denn als sie auf ein anderesGleis wechselten, war es durch den Ruck um ihr Gleichgewicht wieder einmalgeschehen. „Uhh“, rief sie lachend mit den Händen rudernd, und liess sichauf Gregor fallen. Der fing sie auf, zog sie an sich und sie schmusten, bisder Zug in den Veroneser Hauptbahnhof, der Porta Nuova, rumpelte.Der Zug hielt und sie stiegen aus. Gregor trug wieder beide Gepäckstücke.Sie sah ihn mitfühlend an. „Ich habe einen Rucksack in der Tasche. Wenn wirnächstens wieder unterwegs sind, werde ich ihn aktivieren, um auch etwastragen zu können.““Ich komme jetzt gut damit zurecht, allerdings werden wir in Vicenza sicherin einigen Boutiquen hängen bleiben, da können wir dann wahrscheinlicheinen zusätzlichen Sack gut brauchen“, grinste er.Als sie den Bahnsteig zum Ausgang entlang gingen, begegneten sie demitalienischen Schaffner, der sie seit dem Brenner begleitet, aber keineinziges Mal ihre Fahrkarten kontrolliert hatte. Er lächelte und sagte lautim Vorbeigehen: „Una vera bellezza:“ Gregor bedankte sich freundlich.“Was hat er gesagt?“, fragte Zsuzsa. Er sagte, dass Du eine wirklicheSchönheit bist.“Sie drehte sich um und rief ihm auch ein „grazie“ zu, was er mit Freude zurKenntnis nahm.Vergnügt gingen sie nach diesem Erlebnis in die Bahnhofshalle, kauftenKarten für den Anschlusszug nach Vicenza und nahmen sich Zeit für einenKaffee an der Bar. Zsuzsa schob dabei die rechte Krücke unter ihren Froschund stützte sich auf ihr ab. Dadurch bekam sie ihre Hände frei und widmetesich wie Gregor dem Einstandskaffee in Italien. „Ich liebe diesen starkenund cremigen Café, der nicht nur anders geschrieben wird als im Deutschen,sondern auch viel besser schmeckt“, befand Gregor. Zsuzsa nickte: „Dabeiseid ihr Wiener in Sachen Kaffee doch Experten.““Trotzdem“, bekräftigte Gregor, „obwohl wir immerhin wie die Italiener zudiesem Getränk Café und nicht Kaffe sagen, hier schmeckt er ganz einfachbesser,“Er betrachtete Zsuzsa, wie sie sich auf die Krücke lehnte. „Ist das nichtunbequem?“, fragte er dann. „Menschen gewöhnen sich an vieles“, meinte siesarkastisch, „wenn man die richtige Stelle findet, an der die Krücke denFrosch nicht drückt, ist es sogar recht bequem, weil nicht nur die Handfrei, sondern auch der andere Fuss entlastet wird.“ Dabei wackelte siekokett mit dem Frosch, bis er plötzlich den Kontakt zur Krücke verlor unddiese umfiel. Gregor fing sie auf, reichte sie ihr grinsend und sagte;“Diese Bewegung solltest Du noch üben, Du siehst dabei aufreizend aus.““Gerne“, erwiderte sie lachend, „In den nächsten Tagen wird es dazu vieleGelegenheiten geben, die Prothese macht gerade Ferien in Innsbruck.“Nach einem Kuss machten sie sich auf den Weg zum Lokalzug, der sie nachVicenza bringen sollte. Er war ziemlich überfüllt und sie brauchten einigeZeit, bis sie freie Plätze fanden. „Ich bin sehr neugierig auf dieseStadt“, meinte Zsuzsa, als er losfuhr. „Du wirst platt sein“, war sichGregor der Sache sicher. Zsuzsa räkelte sich und gähnte. „Wie machen wir esmit dem Hotel?“, fragte sie. „Ich kenne ein kleines, sehr schönes und auchpreiswertes Albergo in der Stadt, das ‚Due Mori‘.Um diese Zeit im März sollten wir keine Probleme haben, ein Zimmer zukriegen, versicherte Gregor, ehe er verschmitzt fragte: „Bist Du eventuellbereit, mit mir ein Zimmer zu teilen?““Witzbold“, konterte Zsuzsa, „Glaubst Du etwa, ich will allein und zitterndvor Angst dort die Nächte verbringen?““Auch in einem Doppelbett?“ legte Gregor nach.“Könntest Du verantworten, dass ich bei getrennten Betten zwischen denbeiden hinunterfalle?““Sicher nicht, ausserdem würde es sicher wenig Sinn machen, ein Zimmer mitzwei kleinen Betten zu nehmen und sich dann die ganze Zeit in einem davonzusammenzudrängen.“Zsuzsa kuschelte sich an ihn. „Ich freue mich auf das Doppelbett“,flüsterte sie, „ausserdem habe ich Dir doch etwas versprochen.“Er küsste sie. „Ich weiss“, sagte er dann, „Und ich freue mich riesigdarauf.“Sie drückten sich dann aneinander und sassen eine Weile in ihre Gedankenversunken da.“Hast Du Hunger?“, fragte Gregor dann.“Ein bisschen schon“, nickte sie.“Dann gehen wir abends auch essen.“Es war gegen acht Uhr abends, als der Zug in Vicenza ankam. Sie nahmen einTaxi zum Hotel. Gregor behielt Recht. Das Hotel war fast leer, kaum Gäste.“In einigen Wochen, zu Ostern, wird das wohl anders sein“, räsonnierte er,während der Mann an der Rezeption ihre Daten aufnahm.Das Zimmer war geräumig und mit schönen alten Möbeln eingerichtet. Das Bettwar auffallend gross, ebenso die Wanne im Bad, wie Gregor zufriedenfeststellte. Sie machten sich kurz frisch und dann wegen derfortgeschrittenen Zeit gleich auf den Weg zum Restaurant, das in der Nähedes Hotels in der Altstadt lag. In einer engen Gasse ging Gregor hinterZsuzsa und bewunderte ihre Figur. Sie spürte dies offenbar und begann beimGehen zwischen den Krücken mit dem Hinterteil zu wackeln. Dann blieb siestehen und drehte sich grinsend um. „Gut so?“ kicherte sie vergnügt. Siewar blendender Laune. Seit Stunden schon fühlte sie sich wie auf einerWolke. Sie war ganz froh, gleich zugelangt zu haben, als er ihr begegnetwar und sie anzubaggern begonnen hatte. Sie war höchst zufrieden, sichnicht geziert zu haben, was der Sache sichtlich sehr gut tat.Dann standen sie auf dem Hauptplatz der Stadt, umrahmt von einemwunderschönen und einzigartigen Gebäudeensemble, mit dem Rathaus, besserbekannt als ‚Basilika‘ des berühmten Baumeisters Palladio, alsbeherrschendem Mittelpunkt. Zsuzsa stand mit offenem Mund da, auch Gregorgenoss den Anblick schweigend. „Wunderschön“, entfuhr es ihr mitBewunderung.Das Restaurant war gleich ums Eck, ein Lokal mit vielen alten Gerichten ausder Region. Gregor bestellte Nudeln mit Pilzen und dann als HauptspeiseBaccala, Stockfisch auf Vicentiner Art. Zsuzsa beobachtete ihn dabei undtat es dann ihm gleich. Sie war neugierig, was die Küche hier zu bietenhatte. Gregor nahm es mit grösstem Wohlgefallen zur Kenntnis und dachteschaudernd an die Essgewohnheiten früherer Freundinnen.Er machte eine diesbezügliche Bemerkung und sie entgegnete selbstsicher:“Beim Essen kann man nur zwei Fehler machen. Der erste ist, nur zu essen,was man schon kennt. Der zweite ist, falsche Schlüsse beim ersten Mal zuziehen.“Gregor war begeistert, aber sie legte noch nach. „Ohne diese Einstellunghätte ich beispielsweise nie entdeckt, wie gut etwa Kutteln schmeckenkönnen.““Du magst Kutteln?“ fragte er ebenso angetan wie ungläubig. Sie nickteheftig. „Ja, die ersten haben gestunken wie die Pest, schon das Hinriechenhat gereicht. Die zweiten waren sorgfältig gekocht, ein Genuss.“Dann wurde sie angesichts seines Hinweises auf frühere Gefährtinnennachdenklich und fragte mit besorgter Stimme: „Ich habe Dich noch gar nichtmit aller Deutlichkeit gefragt: Hast Du wirklich keine fixe Freundin oderPartnerin?““Oh doch, seit heute. Stell Dir vor, ich habe im Zug eine ganz liebe Fraukennen gelernt.“Zsuzsa grinste. „Du hast jetzt Glück gehabt, dass mir ein Bein fehlt“,meinte sie dann, eben wollte ich Dir mit dem rechten auf Dein Schienbeintreten, das geht aber leider nicht. Im Ernst, wie ist es?““So wie ich sage, ich war gerade solo und Du?““Ich war es auch, schon seit dem Unfall mit einer raren Gelegenheitdazwischen.““Magst Du die so genannten Gelegenheiten?““Nein, überhaupt nicht. Ich habe nur im erwähnten Fall erst zu spätbemerkt, dass es die andere Seite nicht ernst meint.“ Und nach einemSeufzer fragte sie zurück, „Wie ist es bei Dir, stehst Du darauf?““Nein, bei mir funktionieren sie nicht. Entweder ganz oder gar nicht.“Sichtlich zufrieden über die gegenseitigen Aussagen verzehrten beide ihreVorspeise und sassen dann bald vor ihren Tellern mit Baccala. „Das schmecktja alles irre“, meinte Zsuzsa. „Du hast einen tollen Geschmack.“Gregor freute sich sehr über dieses Kompliment und schenkte Prosecco ausder Region in die Gläser. „Auf Dich, Zsuzsa“, sagte er als er das Glas hob.“Auf uns beide“, korrigierte sie und sie sahen sich lange in die Augen,während sie die Gläser klingen liessen.“Was machst Du eigentlich in Deinem Beruf?“, fragte Zsuzsa, als die Tellerleergefegt waren und ihre Mägen sich mit dem Stockfisch abzumühen begannen.“Ich arbeite in einem Forschungsinstitut, das vor allem Aufträge aus derWirtschaft zur Analyse der Kompetenzen des Personals und der Ansprüche vonKundengruppen ausführt. Mein Schwerpunkt ist die Kompetenzanalyse, dieimmer wichtiger wird, weil wirtschaftlicher Erfolg in wachsendem Masse vomWissen und von Fertigkeiten der Beschäftigten abhängt, undNeuerungspotentiale, aber auch neue Standorte vermehrt in diese Richtunguntersucht werden, um Erfolgschancen abzuklären. Deshalb war ich auch inBanska Bystrica, als dort ein österreichisches Unternehmen ein neues Werkerrichten wollte. Neuerdings gehen die Analysen auch stark in Richtung e -Kompetenzen, also Fähigkeiten, mit Computern und Internet umzugehen. Darumging es beispielsweise auch in einem Projekt mit Soziologen aus Presov.““Das scheint ja spannend zu sein. Macht Dir diese Arbeit auch Spass?““Ja, sicher. Sie bietet viele Gelegenheiten, kreativ zu sein, allerdingsgibt es oft auch Stress durch Termine für Expertisen und Berichte, die dannnicht nur fertig, sondern auch gut sein müssen.“Zsuzsa hatte aufmerksam zugehört und meinte dann: “ Ich habe mir nievorstellen können, was man mit einem Soziologiestudium nachher anfangenkann. Jetzt wird mir die Sache klarer. Hast Du zu diesen Themen auch DeineDiplomarbeit geschrieben?““In einem gewissen Sinne schon“, fuhr Gregor mit leichtem Zögern fort underzählte dann von seiner Arbeit über die Theorien Goffmans.Zsuzsa war davon sichtlich beeindruckt. „Das hat ja auch mit mir zu tun.Kann es sein, dass Du deshalb oft so umwerfend cool auf mich reagierst?““Irgendwie schon“, meinte er. „Das Anderssein ist mir in Theorie und Praxisvertraut.“ Daraufhin machte er nochmals Andeutungen zu seinen früherenBekanntschaften und grinste dann ziemlich verlegen.Zsuzsa war aber in ihren Gedanken noch immer beim Thema seinerDiplomarbeit. „Fällt Dir spontan von den Theorien Goffmans etwas ein, waszu mir passt?“Gregor brauchte kaum nachzudenken. „Ja, das Kuvrieren. Wenn jemand seinAnderssein so präsentiert, dass es zwar eindeutig identifizierbar aber fürandere auch leicht zu verarbeiten ist, dann bezeichnet Goffman dies alsKuvrieren. Genau das beherrschst Du glänzend. Höhepunkt war bisherzweifellos das Umziehen im Transalpin mit den zum Vorschein kommendenStrapsen. Es war unmöglich, dass Dein Frosch unter diesen Umständenjemanden wie mich hätte abschrecken können.“Zsuzsa wurde rot bis hinter den Ohren. „Oh“, stammelte sie, „Das mache ich,weil ich sonst wegen der Prothese alle Strumpfhosen ruinieren würde.““Glaube ich Dir, aber bei mir kommt dies ganz anders an. Wichtig ist janicht, dass Du dabei bewusst oder gar berechnend vorgingest, denn wenn demso wäre, würdest Du oft zu dick auftragen und damit eher das Gegenteilbewirken. Letztlich geht es darum, sich selbst etwas Gutes zu tun, das vonden anderen positiv aufgenommen wird.“Zsuzsa war sehr angetan. „Deine Diplomarbeit würde ich gerne lesen“,schloss sie das Thema, als die Bedienung vor ihnen stand, unWünschen für die Nachspeise fragte.Das Essen endete schliesslich mit Profiterol, süss gefülltenBrandteigkugeln, eine bekannte Nachspeise aus Italiens Nordwesten. ZweiGläschen vom Averna, dem namhaften Digestivo aus Sizilien, rundeten einenRestaurantbesuch ab, zu dessen erfreulichen Aspekten auch die keineswegsallzu hohe Rechnung zählte.Dann verliessen sie das Lokal und gingen durch schmale Gassen in RichtungHotel. Am Rande des Hauptplatzes hielten sie wieder an und bestauntennochmals ausgiebig das mit Scheinwerfern angestrahlte Meisterwerk vonPalladio. „Wann wurde diese Basilika, die gar keine Kirche ist, erbaut?“,fragte Zsuzsa, die sich daran kaum satt sehen konnte.“Im siebzehnten Jahrhundert“; erwiderte Gregor. Vicenza ist die StadtPalladios, das kann man sicher sagen. Er hat etliche Häuser hier errichtet,die heute noch existieren. Ganz besonders faszinieren mich die Villenausserhalb der Stadt, vor allem die Villa Rotonda, eine runde Villa mitvier im Quadrat angebrachten Renaissanceportalen in alleHaupthimmelsrichtungen. Sie wäre ein lohnendes Ziel für einen längerenSpaziergang in den nächsten Tagen.“Dann spazierten sie weiter zum Hotel. Dort im Zimmer angekommen, liess sichZsuzsa auf das Bett fallen. Sie spürte die Strapazen der langen Reise unddes lange Gehens an Krücken. Gregor half ihr, den Stiefel auszuziehen.“Halbe Arbeit“, feixte er dabei.Sie hob kurz den Frosch und meinte dann, die Entrüstete spielend: „Schonwieder Glück gehabt.““Warum? Wolltest Du wieder mit rechts auf mein Schienbein treten?“Sie nickte und grinste ihn keck an. „Du solltest dies nächstens mit linksversuchen, anders wird das nichts“, provozierte er. Zsuzsa hob ihr Bein undtrat damit zaghaft nach ihm. Er fing es mit einer Hand auf und hielt es amKnöchel fest. Sie versuchte, das Bein zurückzuziehen, doch sein Griffhielt. Sie wehrte sich heftiger und dabei kam unter dem Rock der Frosch zumVorschein, der sich mit mehrfachem Zucken an der Aktion beteiligte.Schliesslich gab Gregor, als sie wieder mit kräftigem Ruck das Beinzurückzuzerren versuchte, nach, löste den Griff und liess sich neben sieauf das Bett fallen. Lachend umschlangen sich beide und begannen, sichleidenschaftlich zu küssen. Ihm fiel dabei auf, dass irgend etwas ungewohntwar, nur konnte er das Gefühl noch nicht zuordnen.“Nehmen wir gemeinsam ein Bad?“, fragte er dann.“Gute Idee“, rief sie, sprang auf und hüpfte ins Bad. Gregor folgte ihr.Sie drehte gleich das Warmwasser auf und beugte sich nach vorne, um dessenTemperatur zu prüfen. Er strich ihr frech mit der Hand unter dem Rock überdas Hinterteil. Sie quiekte leise, richtete sich auf, drehte sich auf ihrenBein um die eigene Achse und schlang ihre Arme um seinen Hals. Nach einemlangen Kuss hob er sie hoch, trug sie zum Bett zurück und legte sie sachtedarauf. Dann begann er, sie betont langsam auszuziehen. Vorsichtig löste ereinen Knopf nach dem anderen an ihrer Bluse. Sie lag mit geschlossenenAugen auf dem Rücken und hielt den Atem an, als er die Bluse öffnete undauseinander breitete. Darunter trug sie einen dünnen schwarzenBüstenhalter, Er streichelte die zarten Brüste, was ihr wohlige Lauteentlockte. Dann half er ihr, sich aufzurichten, damit er die beidenKleidungsstücke ganz entfernen konnte. Er kniete dann vor dem Bett niederund bewunderte ihren schönen Busen. Er war weder zu klein noch zu üppig undzog den Betrachtenden in seinen Bann.Sie nahm seine Begeisterung wahr, strahlte auf und begann, nun ihnauszuziehen. Sie zog den Pullover, den er noch anhatte, über seinen Kopf,und musste lächeln, als er mit zu Berge stehenden Haaren vor ihr kniete.Dann kam sein Hemd dran und sie zelebrierte das Öffnen der Knöpfe genausolustvoll wie er vorhin bei ihrer Bluse, ehe sie es von seinem Körper zog.Eine Weile betrachteten sie zufrieden gegenseitig ihr ‚Werk‘ und schmiegtendann ihre Oberkörper während eines langen Kusses aneinander. Sie machtesich schliesslich daran, ihm die Hosen hinunterzuziehen. Er stand dabei aufund sie sass dann verdutzt vor seinem erigierten Penis, nachdem sie auchseinen Slip hinuntergezogen hatte. Er zog sie vom Bett hoch, öffnete ihrenRock, der lautlos zu Boden glitt und schob ihre Strumpfhose zuerst vomFrosch und dann vom langen Schenkel. Ihr Slip fiel hinunter, nachdem er ihnüber den kurzen Schenkel und ihren Hügel gezogen hatte.Sie umarmten sich. Er nahm sie an den Hüften und drückte ihre Körpermittean sich. Sie verzog dabei das Gesicht. „Oje, Dein Bluterguss, ich solltemehr aufpassen“; meinte er entschuldigend. Sie nickte nur, freute sich überseine Aufmerksamkeit und gab ihm einen stürmischen Kuss, während sie ihrenFrosch an seinen Penis drückte.Dann fiel ihnen plötzlich das Badewasser ein. Gregor lief ins Bad. DieWanne war schon ziemlich voll mit Wasser. Er drehte es ab und als eraufblickte, stand die nackte Zsuzsa in der Tür, hielt sich am Rahmen festund sah ihm vergnügt zu. Als er ihr in die Wanne half, sagte eranerkennend: „Du hast eine umwerfend gute Figur.“ Dann stieg auch er in dieWanne. Es war eng darin, aber es gab doch genügend Platz für beide.Zsuzsa sass mit geschlossenen Augen im Wasser. Ihr Hunger nach Akzeptanzwar an diesem Tag auf wundervolle Weise gestillt worden und die Wärme, diesie in sich spürte, kam nicht nur vom Wasser. Sie sah Gregor liebevoll an.Er hatte die Beine, so gut es ging, gespreizt, damit zwischen ihnen ihrkurzer und ihr langer Schenkel Platz hatten. Nun begann sie mit den Zehen,seinen Penis zu streicheln, was diesen zu sichtlich wachsender Erregungveranlasste. Er tat es dann ihr gleich, strich zuerst mit dem linken Fussüber ihren Frosch und begann dann, mit den Zehen ihren Hügel zu liebkosen.Zsuzsa bekam einen lustvollen Gesichtsausdruck und spreizte ihren Froschzur Seite, um den Genuss des Streichelns zu erhöhen. Er strich sich desÖfteren mit der Zunge über die Lippen, während sie das Spiel in der Wannemit geröteten Wangen und hörbarem Atem begleitete.Das auskühlende Wasser veranlasste sie schliesslich, das Bad zu beenden.Gregor stieg zuerst hinaus und trocknete sich ab. Dann half er Zsuzsa hochund begann, sie abzutrocknen, während sie noch in der Wanne stand, aus derlangsam das Wasser entwich. Sie balancierte vor ihm, legte dann die Armeauf seine Schultern und beobachtete sein Tun. Als er vorsichtig ihrenFrosch abrieb, sagte er: „Wenn ich ihn berühre, habe ich Angst, ihmSchmerzen zuzufügen, obwohl mein Verstand mir sagt, dass dies kaum seinkann.“Sie lächelte. „Und ich habe dabei das Gefühl, dass Du besonders zärtlich zuihm bist. Ich nehme die Situation offenbar ganz anders wahr.“Gregor blickte amüsiert auf: „Wie man sieht, haben Widersprüche auch ihreguten Seiten.“ Dann rieb er sachte ihre rechte Hüfte trocken, besah dieVerletzung und meinte mit besorgtem Gesicht: „Sieht nicht gut aus, ganzblau und schwarz.““Ich muss noch die Salbe drauf tun.““Wo hast Du sie?““Gleich hinter Dir, auf dem Waschtisch.“ Gregor trug dann vorsichtig dieCreme auf dem Bluterguss auf, wobei sie mehrmals das Gesicht verzog.Er neckte sie: „Im fortgeschrittenen Alter sollte man solche Eskapaden wieSki fahren sein lassen, würde mein Vater sagen.“Sie grinste leicht gequält, ehe sie sich belustigt rechtfertigte: „Dabeifahre ich ohnehin schon mit Krücken.“ Beide lachten.Dann setzte sie sich auf den Rand der Wanne, damit er auch mit dem Badetuchihr Bein abreiben konnte. Als er damit fertig war, hob er denabgetrockneten Fuss hoch, und begann, zuerst an ihren Zehen zu knabbern,dann mit der Zunge über ihre Fusssohle zu lecken. „Jiihh“, rief sie laut,lehnte sich zurück und begann, mit ihrem Frosch herumzufuchteln, ehe sie indie Wanne zu fallen drohte. Er half ihr lachend hoch, worauf sie sich anihn klammerte und sich zum Bett tragen liess.Er legte sie auf den Rücken und schmiegte sich an sie. Nach innigemSchmusen und langem gegenseitigem Streicheln begann er, sie vom Halsabwärts mit der Zunge zu lecken. Er verweilte lange bei den Brüsten, beimNabel und bei den Leisten. Den Schenkeln widmete er besondereAufmerksamkeit, während Zsuzsa immer mehr in Fahrt kam. Dann langte erweiterhin leckend bei ihrem Hügel an, drang in ihn mit der Zunge ein undertastete mit ihr die Klitoris. Er war fasziniert von der Heftigkeit ihrerwachsenden Erregung, die sie mit lauten Tönen zum Ausdruck brachte, und diesein eigenes Verlangen massiv beschleunigte. „Komm“, keuchte sie dann undzog ihn auf sich hoch. Sie nahm seinen Penis bebend in ihre Hände undführte in sanft in ihre willige Scheide. Beiden entfuhren wohlige Laute.Dann hoben sie ab. Sie flog seinen innigen Stössen entgegen, erlebte mitihm die fortschreitenden Stadien der Wonne, ehe sie beide lautstark und vonden Entladungen geschüttelt den ersten gemeinsamen Höhepunkt fanden.Dann lagen sie lange still aufeinander. Er spürte wohlig ihre Vagina,während sie den Penis genoss. Er blieb auf ihr, bis sich dieser ganzzurückgezogen hatte, rollte sich dann auf ihrer linken Seite ab undschmiegte sich an sie. Sie drehte sich ihm zu und legte seufzend ihre Handauf seinen Schwanz. Dann schob er seine Hand zwischen ihre Schenkel, wobeisie auf dem langen zu liegen kam. Sie lächelte, wehrte sich nicht mehrgegen die Müdigkeit, die sich über sie breitete und schlief ein. Er tastetemit der freien Hand nach dem Lichtschalter, zog die Bettdecke über beideund fand auch den Weg in die nächtlichen Träume.2. TagGregor wachte auf, als ein Sonnenstrahl durch eine Ritze in dengeschlossenen Fensterläden drang und sich auf seinem Gesicht niederliess.Er blickte auf Zsuzsa neben ihm, die noch tief schlief. Sie hatte einenzufriedenen Gesichtsausdruck und lag auf derselben Seite wie beimEinschlafen am Abend zuvor, nur stärker auf den Bauch gedreht und sich mitdem Frosch auf der Matratze abstützend.Er stand kurz auf, ging auf die kleine Seite, wusch sich ein wenig undkroch dann wieder zu ihr ins Bett. Als er sie dann ins Ohrläppchen biss undstreichelte, drehte sie sich in die Seitenlage zurück, im Schlaf Wortemurmelnd, die er nicht verstand. „Ich glaube, jetzt werde ich nicht darumherumkommen, mich ein wenig mit der slowakischen Sprache zu beschäftigen“;sagte er zu sich, rückte näher an sie heran und schob, wie am Abend vorherseine Hand zwischen ihren kurzen und ihren langen Schenkel. Sie murmeltewieder vor sich hin und presste ihren Frosch auf seine Hand. Er lächeltedarüber, kuschelte sich ganz an sie und schlief wieder ein.Zsuzsa wachte etwas später auf, bemerkte zufrieden seine Hand zwischenihren Schenkeln, erinnerte sich, dass sie abends so eingeschlafen war undfragte sich, ob die Hand wohl die ganze Zeit dort gelegen hatte. Sie dachtevergnügt an die Ereignisse des vorigen Tages und liess mit Wonne die Bildervom Vorabend in sich auftauchen. Seine Zunge hatte sie nahezu um denVerstand gebracht und mit seinem Stempel in ihrer Blume war sie zu einemHöhepunkt gelangt, wie sie ihn mit ihren früheren Partnern nie erlebthatte. Sie fühlte sich voller Zuneigung zu ihrem neuen Freund. „Dabei habeich ihn gestern um diese Zeit noch gar nicht gekannt“, sagte sie leise zusich.Dann fiel ihr ein, wie viel Lust sie selbst verspürte, wenn sie darandachte, ihn mit ihrer Zunge zu liebkosen. Sie beschloss, es ihm gleich zutun, hüpfte vorher aber ins Bad, um ihre Blase zu besänftigen und Spurendes Vorabends zu beseitigen. Als sie zurückkam, kroch sie auf der anderenSeite ins Bett und verschwand unter der grossen gemeinsamen Decke. Gregorlag auf dem Rücken und wurde im Schlaf unruhig, als sie mit ihrer Zungeüber seine Leisten strich. Dann wandte sie sich seinem Penis zu, derzwischen seinen leicht gespreizten Beinen lag. Sie küsste ihn zuerst,bestrich ihn mit der Zunge auf allen Seiten und nahm ihn dann in den Mund.Gregor wurde immer unruhiger und wachte schliesslich auf, vermeintlich auseinem Traum gerissen, in den seine neue Flamme an seinem Schwanz lutschte.Er nahm zuerst Zsuzsas Unterschenkel mit Fuss wahr, neben ihm wie eineKerze in die Höhe ragend, während alles andere von ihr unter der Deckeverborgen war. Sie koste gerade zärtlich seinen Penis. Er begriff, dassdies kein Traum war und fühlte Erregung in sich hochsteigen, die durch denAnblick der zarten Häärchen an ihrem Schienbein weiter Nahrung fand. Erstreichelte ihre Wade, wodurch sie erkannte, dass er aufgewacht war. Sieschlug die Decke zurück, setzte sich aufrecht vor ihm hin, strahlte ihn anund rief vergnügt: „Guten Morgen“.Er war überwältigt von ihrer Aktion. „Guten Morgen“, flüsterte er, „Machbitte weiter.“ Das liess sie sich gerne sagen. Zufrieden grinsend wandtesie sich wieder seiner Körpermitte zu. Sie kniete nun auf ihrem Bein nebenihm, der Frosch hing baumelnd daneben, und koste weiter sein bestes Stück.Gregor schob aufgewühlt seinen Oberkörper langsam nach links, bis er vordem Knie sowie zwischen dem langen und dem kurzen Schenkel über ihm zuliegen kam. Bei seinen früheren Freundinnen wäre dies nicht so einfachgegangen, da wäre immer ein Bein im Weg gewesen, dachte er, ehe er ihrBecken herunterzog und mit seiner Nase ihren Hügel kitzelte. „Mhh“, entfuhres ihr und kurzfristig vergass sie seufzend das Lutschen, als seine Zungeüber ihre Klitoris strich. Dann wandte sie sich wieder dem Blasen zu, aufdie wachsende eigene Erregung mit vorsichtigem und zärtlichem Einsatz ihrerZähne unter seiner Eichel reagierend.Gregor geriet aus dem Häuschen und begann, auch seine Beissercheneinzusetzen. Er biss sie zuerst ganz sachte mehrmals auf die Innenseiteihres Beines und begann dann, zärtlich in ihren weichen Frosch zu beissen.Lustvoll knabberte er an ihrem kurzen Schenkel, während ihr Schlecken ihnschweben liess. Zsuzsa verlor durch sein Kosen des Stumpfes völlig dieFassung, hörte plötzlich auf, seinen Penis zu lutschen, drehte sich aufihrem Knie seinem Gesicht zu und stammelte keuchend: „Bitte“. „Komm“, sagteer, klar machend, dass sie ihn besteigen sollte. Er half ihr, auf ihn zuklettern und stützte den Frosch ab, während sie in unnachahmlicherZärtlichkeit mit ihren Händen seinem Glied in ihre Scheide half.Zsuzsa schwankte keuchend mit seinen Stössen, liess sich rhythmisch in siefallen, während er darum zu kämpfen begann, seinen Orgasmus hinauszuzögern.Dann bäumte sie sich mit einem Schrei auf und sank geschüttelt von ihremHöhepunkt auf ihn nieder, während er sich in sie ergoss.Schwer atmend lagen sie eine Weile aufeinander, dann rollte er auf dielinke Seite, sie behutsam auf die Matratze legend, dabei sie umklammerndund weiter in ihr bleibend. Sie registrierte mit Wohlgefallen, dass ihrelädierte Hüfte nicht dagegen rebellierte. „Dageblieben“, flüsterte sie, alsder Penis auf seinem Rückzug aus ihrer Scheide zu gleiten drohte, undpresste ihre Vagina zusammen. Gregor freute sich darüber und stelltezufrieden fest, dass sein Schwanz in ihr blieb.“Er hört auf Dich“, lächelte er.“Er ist wunderbar“, hauchte sie, „zärtlich und fest zugleich.“Gregor war selig, als er antwortete: „Wie Deine Muschel, sie ist so offen,weich und unendlich tief.“Zsuzsa gluckste vor Freude und drückte sich fest an ihn. „Es warwunderschön, noch schöner als gestern abends“; sagte sie leise, „und ichbin glücklich, dass der Frosch ganz dabei ist.“ Sie seufzte. „Ich habesogar das Gefühl, dass es mich besonders verrückt macht, wenn Du ihn liebhast.““Diesen Eindruck hatte ich vorhin auch“, nickte Gregor. „Der Kleine isteinmalig, das spüre auch ich.“ Und dann fragt er nach einer Pause besorgt:“Das Beissen hat doch nicht geschmerzt, oder?“Sie lächelte. „Es war grossartig, Du musst es unbedingt wieder tun. Ichliebe die Zärtlichkeit Deiner Zähne.““Ich liebe Deine auch“, pflichtete er bei. Und dann grinsend: „Das nächsteMal werde ich Dich sicher nicht wie vorhin beim Blasen stören, ich freuemich schon jetzt auf meine Eruption.“ Sie strahlte wieder einmal und suchteseinen Mund für einen langen Kuss.Nach einiger Zeit fragte sie nachdenklich: „Geht Dir wirklich nichts ab,wenn Du mit mir im Bett bist?“ Gregor blickte sie verwundert an.“Meinst Du das fehlende Bein?“, fragte er und sie nickte.“Nein, Zsuzsa. Du merkst doch, wie ich das Anderssein schon geniesse. Wiesagtest Du gestern? Ein Bein ist ja noch da. Ein Bein, das ich wunderschönfinde. Dazu Dein lieber Frosch.“ Und nach kurzem Zögern: „Ausserdem ist mirschon aufgefallen, dass mir in etlichen Situationen nichts im Wege ist.“Sie sah ihn ungläubig an, drückte sich eng an ihn und echote: „Nichts imWege?““Ja, jetzt zum Beispiel. Ich finde es wundervoll, mit Dir verschlungen aufder Seite zu liegen. Das geht aber nur mit dem kurzen Schenkel, nicht miteinem ganzen Bein.“ Zsuzsa blickte nach unten. Ihr Stumpf lag hochgezogenzwischen ihren Bäuchen, während sie mit ihrem Bein sein Becken umklammerte.“Ja wirklich“, murmelte sie erstaunt. Sie blickte ihn ernst und liebevollan. „Es tut unheimlich gut, wie Du auf meine Situation reagierst“,flüsterte sie und bekam feuchte Augen. „Ich kämpfe immer noch mit denGefühlen, nicht mehr komplett und daran selbst schuld zu sein, das sitztganz tief.““Was meinst Du damit?““Nun ja so blöd muss man erst einmal sein, aus dem Zug zu springen, ohnesich zu vergewissern, dass er schon steht.“ Zsuzsa drehte sich auf denRücken und starrte auf die Zimmerdecke. „Es war eine schlimme Zeit“,flüsterte sie, nicht nur wegen der körperlichen Schmerzen undVeränderungen, sondern vor allem wegen der psychischen Qualen. Immer wiederdie Frage, warum ich es getan habe und ich wünschte mir sehnlich, ichkönnte die Szene am Bahnhof wie in einem Film wiederholen, diesmal mitHappy End. Ich hatte plötzlich nur ein Bein, und das, weil ich einenAugenblick unachtsam war, nicht die möglichen Folgen gesehen hatte, unddies irreversibel für immer. Ich hasste mich deswegen, war unsäglich wütendauf mich selbst und haderte besonders mit der Tatsache, dass das Gescheheneunverrückbar war. Ich hatte das Gefühl, mein Leben zerstört zu haben, unddas aus einem läppischen Grund. Ich fühlte mich auch gegenüber den Menschenum mich schuldig. Ich habe bis heute das hemmungslose Schluchzen meinerMutter im Ohr, als sie im Spital das erste Mal neben meinem Bett sass. Aberich hatte und habe keine Chance. Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen.““Im wahrsten Sinne des Wortes“, nickte Gregor betrübt… „Seit gesternweiss ich, wie grausam die Realität gegenüber Individuen sein kann. JedesMal, wenn ich an die Erzählung vom Rad auf deinem Knie denke, läuft es mirkalt über den Buckel hinunter. So einen Schlag steckt niemand weg, das musslange in einem nagen und man braucht viel Zeit, damit halbwegszurechtzukommen.“ Und nach einer kurzen Pause: „Das mit den Schuldgefühlenbeziehe aber bitte nicht auf mich. Ich habe eine wunderbare undfaszinierende Frau kennen gelernt, die ein Bein hat. Die zweibeinige Zsuzsakenne ich nicht, habe ich nie kennen gelernt und werde ich auch nie direktkennen lernen. Für mich ist das eine andere. Meine Zsuzsa ist ungemeinanziehend und liebenswert, in ihrer Art völlig komplett und ich möchte siegegen niemanden tauschen.“Sie richtete sich vor ihm auf. Tränen liefen über ihre Wangen. „Oh Gregor,flüsterte sie, „Du bist ein Schatz.“ Mit einem langen und innigen Kussbeendeten sie diese Debatte, die sie noch öfter beschäftigen sollte.Dann entschlossen sie sich aufzustehen, immerhin war es schon gegen zehnUhr. Sie stieg als erste aus dem Bett und hüpfte ins Bad. Er beobachtetesie dabei. Ihren Frosch hatte sie dabei wie jedes Mal nach vorneangewinkelt. Nach einigen Minuten folgte er ihr. Sie war schon beim Putzender Zähne, stand vor dem Spiegel und hatte ihren kurzen Schenkel auf denWaschtisch gelegt.“Sieht bequem aus“, meinte er.Sie nickte. „Ist es auch, im Abstützen ist der Kleine, wie Du ihn jetztnennst, sowieso ein Meister“, bestätigte sie lachend.“Zu Hause brauchst Du offenbar nicht einmal Krücken“, stellte er bewunderndfest.“Sie nickte wieder. „Seit das Gefühl für den Stumpf da ist, geht es auf demeinen Fuss wirklich flott, ein Grund mehr, zu Hause keine Prothese zutragen.““Geht Dir die Prothese jetzt ab?““Bisher überhaupt nicht“, schüttelte sie den Kopf, und fuhr dannbeziehungsvoll grinsend fort: „Aber warten wir ab, zu Hause trage ich sieim Bett ja auch nicht.“Sie beobachtete ihn beim Rasieren. Dabei fiel ihr ein, dass sie ihr Beinund auch den Frosch schon lange nicht mehr enthaart hatte, eine Aktion, diesie zwar hasste, aber angesichts gängiger Schönheitsvorstellungen fürunumgänglich hielt. Sie beschloss für sich, ihn später zu bitten, ihr dasRasierzeug zu leihen.Nach der Morgentoilette machten sie sich ausgehfertig. Zsuzsa entschiedsich für einen Pulli in grauer Farbe, dazu wieder den Jeansrock und eineStrumpfhose, die farblich zum Pulli passte. Diesmal verstaute sie das leereHosenbein innen, indem sie auf der rechten Seite in die Strumpfhose griff,das leere Bein hochzog, bis es über dem Frosch spannte und der Fussteiloben heraushing. „So ist es gut“, sagte sie zufrieden, „ich bringe es nichtübers Herz, sie abzuschneiden und zu vernähen“. Gregor zog zu seinerschwarzen Hose und dunkelgrauem Hemd ein blaues Sakko an. Zsuzsa trugwieder ihren Stiefel, während er bequeme Sportschuhe wählte.Dann verliessen sie das Quartier, um in der Nähe des Hotels eine Baraufzusuchen, um mit Cappuccino und Cornetto ‚italienisch‘ zu frühstücken.Als sie an der Rezeption vorbeikamen, guckte der Portier etwas komisch undZsuzsa fiel ein, dass er zuvor wenn schon nicht Augenzeuge, dann zumindestOhrenzeuge gewesen sein musste. Der Gedanke daran belustigte sie. Siefühlte sich blendend und nach langer Zeit wieder ganz als Frau.Eine Bar für das Frühstück war rasch gefunden und während sie den Kaffeeschlürften, machten sie Pläne für den Tag. Es war Samstag, die langersehnte Sonne schien und draussen drängten sich schon viele Leute in denEinkaufsstrassen.“Ich glaube, wir sollten den Samstag auch fürs Shopping nutzen, am Sonntagund auch am Montag sind die meisten Geschäfte in Italien zu“, schlug Gregorvor.“Gute Idee“, bekräftigte Zsuzsa, „ich mag Einkaufsbummel sehr gerne.“ Siehatte die Krücken an den Tresen gelehnt und fand es auf die Dauer unbequem,ihr linkes Bein die ganze Last tragen zu lassen. Sie nahm die rechte Krückeund schob sie unter den angewinkelten Frosch. Dabei erinnerte sie sich andie Situation in der Bar im Bahnhof von Verona, wackelte einige Male mitdem kurzen Schenkel und hielt dann inne: „Lieber nicht, wir sind hierohnehin schon der Mittelpunkt.““Du hast recht“, bestätigte Gregor, als er sich umsah und die vielenneugierigen Blicke bemerkte. „Allzu viele Einbeinige scheint es auch hiernicht zu geben“, resümierte Zsuzsa.“Vor allem wenige schöne junge Frauen an Krücken“, ergänzte er. „So kannman es auch sehen“, strahlte sie ihn an.Dann hörte er ein Gespräch zwischen mehreren älteren Männern. Sieunterhielten sich über Zsuzsa, durchaus in anerkennender Art. Dann erzählteeiner von einer jungen Comtessa, der es auch so ginge. Mehr bekam Gregornicht mit. „Es scheint, als seiest Du hier sicher nicht die einzigeEinbeinige“, meinte Gregor beim Verlassen der Bar und erzählte ihr, was ergehört hatte. „Vielleicht treffen wir sie beim Einkaufen“, scherzte sie.Dann schlenderten sie durch die Gassen der Altstadt, seit dem Vortag fürGregor in einer neuen Art, mit seiner Angebeteten unterwegs zu sein.Interessiert beobachtete er Zsuzsa beim Gehen mit den Krücken. Sie schwanglocker und rasch zwischen den Gehhilfen, es sah leicht und unkompliziertaus.“Ist das Gehen mit Krücken wirklich so einfach, wie es aussieht?“, fragteer dann.“Du kannst es ja einmal probieren“, lächelte sie. „Ich selbst habe amAnfang ausgesehen wie ein Sack zwischen Stöcken, und bin richtiggehend voneinem Schritt in den nächsten geplumpst. Es war enorm anstrengend und dieHände schmerzten. Eine Krankenschwester hat mir dann gezeigt, wie es geht,und ab diesem Zeitpunkt ging es aufwärts. Heute fällt mir das Gehen mitKrücken leicht, es ist jetzt für mich wirklich so unkompliziert, wie esaussieht.““Du bist dabei auch mindestens so schnell wie ich“, sagte Gregor und dachtegerade, dass man von Behinderung nicht sprechen könne, als er über einenRandstein stolperte und hinfiel. Er konnte den Sturz mit seinen Händenabfedern, somit lädierte Knie und Schäden an der Kleidung verhindernd,dafür schmerzte dann das rechte Handgelenk. Er musterte grimmig denRandstein.Zsuzsa stand erschrocken neben ihm und fragte besorgt: „Alles in Ordnungoder hast Du Dich verletzt?““Ein bisschen schon“; meinte er, „das rechte Handgelenk tut weh.““Stark?““Nein, es geht“, schwächte er ab.Nachdem sie den Schreck überwunden hatte, meinte sie mit gespielter Strengeund ironischem Blick: „Man kann auf Dich nicht genug aufpassen. Du solltestDich von einer wichtigen Regel für Einbeinige inspirieren lassen: Schaugenau, wo Du hin steigst.“Gregor war zunächst baff, dann konterte er: „Das kann doch nicht wahr sein.Da bin ich mit einer ganz armen amputierten Frau unterwegs und achteinständig darauf, dass ihrem einzigen Beinchen nichts geschieht. Dannprackt es nicht sie, sondern mich hin, und am Schluss kriege ich nochUnterricht im Gehen.“Der Schalk sass in ihren Augen. „So ist das Leben“, legte sie noch einsdrauf, ehe beide zu lachen begannen…Sie wanderten weiter durch die Gässchen der Altstadt und Gregor bemerkteerst jetzt, wie konzentriert sie angesichts des schlechten Zustandes vielerGehsteige unterwegs war. Gerne wäre er jetzt mit seiner Flamme Hand in Handgegangen, aber das ging leider nicht, weil sie ihre Hände für die Krückenbrauchte. Sie machten vor vielen Auslagen halt und besuchten mehrereBoutiquen. Gregor fiel auf, dass seine Freundin stets sehr zuvorkommendbehandelt wurde, ihr Interesse an kurzen Röcken schien die Verkäuferinnennicht zu wundern. Zsuzsa war auf der Suche nach einem neuen Rock, um Gregordamit zu erfreuen. Sie hatte nur den Jeansrock mit, und der schien ihr fürdie ganze gemeinsame Reise nicht ausreichend. In einem kleinen Geschäftfand sie einen einfachen schwarzen Rock, der nicht allzu kurz war undsowohl zu ihrem Bein als auch zu ihrer Geldbörse gut passte. Dann entdecktesie in derselben Boutique ein ungewöhnliches Kleid. Es war aus einemschwarzen Seidenstoff mit einem Unterteil aus zwei unterschiedlichen Lagendes gleichen Materials: die äussere war durchsichtig, die innere nur einwenig durchscheinend. Das Kleid war asymmetrisch geschnitten, rechts kürzerals links und hatte ein weit geschnittenes Dekolleté. Zsuzsa war gleich vondiesem Kleidungsstück begeistert, verzog aber dann das Gesicht, als sie denPreiszettel sah und schickte sich an, das Kleid wieder auf die Stange zuhängen.Gregor fiel ihr in die Hand: „Ich glaube, Du solltest es probieren“, meinteer.Zsuzsa verschwand in der Umkleidekabine und hüpfte dann in dem Kleid wiederheraus. Die Grösse passte und sie sah darin umwerfend aus. Der Schnittharmonierte bestens mit ihrer körperlichen Asymmetrie, war ziemlich kurz,gab aufreizende Einblicke auf ihr linkes Bein frei und liess auf deranderen Seite nur einige kokette Anspielungen auf den verhüllten Frosch zu.Der Ausschnitt war atemberaubend, aber keineswegs ordinär. Die Ärmel warenaufregend geschnitten und endeten in Handschuhen aus dem durchsichtigenStoff ohne Finger.“Che bella“, meinte die Verkäuferin und Gregor war nicht klar, ob sie damitdas Kleid oder das darin bestens zur Geltung kommende Bein Zsuzsas meinte.“Das kriegst Du, das ist mein Geschenk für die wunderbare erste Nacht“,entschied Gregor. Sie freute sich riesig darüber, hüpfte zu ihm und umarmteihn stürmisch.“Ein Einzelstück eines jungen Designers, der mit einer Tänzerinzusammenlebt, die keine Arme hat und die ihn auf die Idee gebracht hat,solche Kleider zu entwerfen“; erläuterte die Verkäuferin zu Gregor gewandt,“es gibt also einen echten Bezug zu ihrer Frau.““Sehr interessant, haben sie noch was von ihm?““Derzeit leider nicht, diese Sachen tragen auch die anderen Frauen gerne,aber ich kann Ihnen die Adresse der Firma geben, die seine Sachenproduziert.“ Dann kramte sie in ihrer Lade und gab ihm eine Visitenkarte,ehe sie stutzte: „Moment mal, die eine Bluse müsste noch da sein.“ Zsuzsawar in der Zwischenzeit umziehen gegangen. Die Verkäuferin brachte einedunkelblaue ärmellose Bluse mit ebenfalls asymmetrischem Schnitt undreichte sie Zsuzsa hinter den Vorhang der Umkleidekabine.“Die solltest Du auch probieren“, rief Gregor. Als sie herauskam, hatte sieschon den Jeansrock an, dazu diese Bluse, die ihr ausserordentlich gutstand. „Toll“, sagte sie, vor dem Spiegel balancierend. Die Bluse betonteihre zarten, aber wohl durch das Gehen an Krücken muskelstarken Arme undgab ihrer asymmetrischen Figur einen besonderen Reiz. Gregor merkte, wiedie Verkäuferin Zsuzsa fasziniert musterte. Dann bot sie einen Spezialpreisfür die Bluse an, damit diese und die schöne Signora zusammenfänden. Gregorerleichterte schliesslich sein Kreditkartenkonto um etliche hundert Euround trug die grosse Tasche mit den neuen Sachen, als sie das Geschäftverliessen.“Ich glaube“, sagte er dann, „wir brauchen jetzt einen Campari“. Zsuzsabestätigte dies durch heftiges Kopfnicken.Während sie in einer Bar an ihrem Getränk nippten, erzählte Gregor, wasZsuzsa von dem Gespräch mit der Verkäuferin auf Italienisch nichtmitbekommen hatte. Er zeigte ihr die Visitenkarte der Erzeugerfirma ihresneuen Kleides und sie stimmten darin überein, dass man sich diese Adressemerken sollte.“Es gibt tatsächlich kaum Kleidung, die auf amputierte Frauen wie michRücksicht nimmt. Entweder mir passen die Sachen der Zweibeinigen oder ichhabe Pech gehabt.““Was bei Deiner Figur wohl ziemlich selten sein wird“; schwächte Gregorlächelnd ab, „aber das ändert nichts daran, dass Du recht hast.“Zsuzsa freute sich über diesen Kommentar, schwieg eine Weile und meintedann nachdenklich. „Diese Erfahrung war wichtig für mich. Ich muss mehr aufSachen achten, die zu meiner Situation gut passen. Bisher dominiert meinenKleiderschrank die Zsuzsa von früher und ich habe Hemmungen, meineGarderobe anzupassen.““Etwa die Strumpfhosen?“, fragte er.“Zum Beispiel“, nickte sie, „aber Hosen überhaupt. Als mir Tante Elsavorige Woche eine neue Skihose schenkte, gingen wir mit dieser zu einerSchneiderin, um das rechte Hosenbein abschneiden und vernähen zu lassen.Ich hatte grossen Widerstand dagegen, am liebsten wäre ich umgekehrt.“Dann setzten sie ihren Einkaufsbummel fort. Gregor fiel auf, dassSchuhgeschäfte einen besonderen Reiz für Zsuzsa darstellten. Sie bestaunteausgiebig die Vitrinen und liess auch keine aus.Sie betraten den Coin, die Filiale des grossen italienischen Modehauses inVicenza, durchstreiften Herren- und Damenabteilungen und wurden des Öfterenfündig. Beide erstanden je einen Pullover, Gregor kaufte zwei schickeHemden und eine dunkelgraue Hose, Zsuzsa erstand noch ein schwarzes Top, zuihrem neuen gleichfarbigen Rock passend. Auch bei Socken, Strümpfen undUnterwäsche schlugen sie zu, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie zuwenigfür den ungeplanten Urlaub mithatten. Dann standen sie vor den Dessous undbeschlossen, sich gegenseitig verschiedene Stücke auszusuchen und sich mitdiesen zu beschenken. Gregor wählte für sie mehrere reizende Höschen undBüstenhalter aus, auch einen Body mit sehr hübschen Körbchen undschliesslich Strapse in mehreren Farben… Er bekam etliche originelleSlips und eine schöne Boxer Short.Zwei andere Kundinnen hatten die Szene angeregt verfolgt und äusserten sichbegeistert über das ungewöhnliche Paar. Eine sagte zu Zsuzsa, wie toll siees fände, dass sie sich nicht unterkriegen lasse, solche Sachen trage undauch für ihren Mann welche aussuche.“Daran kann man sich ein Beispiel nehmen“, pflichtete die andere bei.Gregor übersetzte alles und Zsuzsa bedankte sich ganz gerührt für diesesLob.“Die Leute sind, auch wenn sie neugierig gucken, unheimlich lieb hier, keinVergleich zu den blöden Gesichtern im Transalpin“, meinte sie dann, als siesich bei der Kassa anstellten, um ihre neuen Schätze zu bezahlen.“Wir sind in Italien“, resümierte Gregor, „da ist manches anders.“Wieder auf der Strasse, kamen sie erneut an einem Schuhgeschäft vorbei.Zsuzsa deutete mit der Krücke auf ein Paar schöne schwarze Halbschuhe. „Diegefallen mir und würden sowohl zu den Krücken als auch zur Prothesepassen“, betonte sie.Sie betraten das Geschäft und Zsuzsa probierte den linken Schuh. DieVerkäuferin fragte Gregor besorgt, was sie mit dem anderen Schuh machenwürden. Er versuchte, sie mit dem Hinweis auf die Prothese zu beruhigen.Aber sie meinte es anders.“Wir haben nämlich eine Kundin, die hat auch nur ein Bein und trägt nieeine Prothese. Da versuchen wir immer den übrigen Schuh über befreundeteGeschäfte zu verkaufen, zuletzt einige Exemplare sogar in Napoli. DieSchuhgrösse ist übrigens dieselbe wie bei ihrer Frau und der übrigbleibende Schuh ist der linke.“Gregor wurde hellhörig. „Haben sie solche, wenn man so sagen darf,Restexemplare da?“, fragte er. Sie nickte. Einen mindestens, ich sehe malnach.“ Während sie hinter einem Vorhang im hinteren Teil des Geschäftesverschwand, übersetzte er Zsuzsa, worum es ging. Sie war zunächstskeptisch.“Und was ist, wenn ich die Prothese tragen will?“, fragte sie. „Dann fährstDu in die Schweiz und suchst Du Dir eine Eisplatte“, grinste er.Sie trat lachend mit ihrem Fuss nach ihm. „Wird schon besser, mit linkssieht es gut aus“, grinste er weiter. Dann kam die Verkäuferin mit zweieinzelnen Schuhen zurück und Zsuzsa fielen bei deren Anblick fast die Augenaus dem Kopf. Eine Stiefelette mit halbhohem Absatz in braunem, weichem undsichtlich teurem Leder sowie ein rote Sandale mit höherem Absatz und tollemSchnitt.“Eine schwarze Sandale mit nicht so hohem Absatz ist auch noch da, aber dieSignora hat ihren Schuh noch nicht abgeholt. Den kann ich Ihnen erstnächste Woche geben, nachdem sie hier gewesen sein wird.“ Beide Schuhepassten gut und fanden um einen Spottpreis ihre neue Besitzerin.“Ihre Signora hat einen sehr guten Geschmack“, befand Gregor und dieVerkäuferin nickte zustimmend lächelnd. Sie erstanden noch je ein PaarTurnschuhe und verliessen reich bepackt das Geschäft, nachdem Zsuzsa nochihr ausdrückliches Interesse an der schwarzen Sandale deponiert hatte.“Mir scheint, Du bist doch auf den Geschmack gekommen, das finde ich gut“;kommentierte Gregor.“Jetzt reicht es, ich bin müde und habe Sehnsucht nach dem Hotel“, befanddann Zsuzsa.“Ich auch“, pflichtete Gregor bei, „zuerst aber organisieren wir fürmittags noch eine Jause im Hotelzimmer.“ In einem appetitlichenFeinkostladen besorgte er Wurst, Käse, Brot, Oliven, eine Mostarda sowieeine Flasche Wein und Mineralwasser, ehe sie ins Hotel zurückkehrten. Dortpackten sie ihre neuen Sachen aus und probierten sie vor dem Spiegel.Zsuzsa war ganz aufgeregt, als sie hintereinander die Schuhe mit denAbsätzen anzog und an den Krücken damit umherging.“Das klappt ja gut“, meinte sie zufrieden und verstellte die Höhe ihrerKrücken, um sie den Stöckeln anzupassen. Ein tolles Gefühl“, strahlte sie.“Ich wieder mit hohen Absätzen, zumindest mit einem.““Mit der Prothese geht das nicht?““Nein, auf alle Fälle mit meiner nicht. Es gibt welche, mit denen man hoheAbsätze tragen kann. Aber die sind entsprechend teuer.““Was kosten solche Dinger?“, fragte Gregor.“Nach oben hin sind die Grenzen offen, manche sind teurer als ein Auto.““Kommt drauf an, ob sie ihr Geld wert sind.““Ja, schon. Mit einer solchen Prothese könnte auch ich recht gut gehen undwürde nicht so humpeln wie mit meiner.“ Gregor war beeindruckt. Es war ihmschlagartig klar, dass seine Zsuzsa ein solches Kunstbein kriegen musste.Wie und wann, würde sich schon noch zeigen.“Au“, rief er dann, „verdammte Nadel“. Er hatte eines seiner neuen Hemdenprobiert und vergessen, eine der Stecknadeln aus der Verpackung zuentfernen, die ihn nun stach. „Eigentlich möchte ich Dich gerne mit demneuen Body sehen“, betonte er, „ich ziehe jetzt einen meiner neuen Slipsan.“ Sie nickte und begann gleich, sich umzuziehen. Als sie die Strumpfhoseauszog, meinte er: „Wir haben was vergessen: der Frosch hat nichtsgekriegt.“Zsuzsa lächelte sanft. „Er ist zu klein, ausserdem ist er mit Deinerstreichelnden Hand und Deiner kosenden Zunge völlig zufrieden.“Er legte sich mit seinem neuen Slip aufs Bett, während sie den neuen Bodyanzog und vor dem Spiegel posierte. Sie drehte sich prüfend auf ihrem Beinum die eigene Achse, besah das neue Kleidungsstück kritisch von allenSeiten und wackelte mit dem Frosch. Gregor geriet in Wallung, als eranerkennend rief: „Toll siehst Du aus.“Zsuzsa errötete, als sie seinen gierigen Blick sah. „Oje, der Mittagsschlafentfällt“, meinte sie dann mit gespielter Entrüstung und stemmte grinsenddie Fäuste in die Hüften. Er fand sie in dieser Pose hinreissend undbreitete einladend die Arme aus. Sie sprang mit einem Jauchzen aufs Bettund warf sich auf ihn. „Ich möchte Dich jetzt vernaschen“, flüsterte sieihm ins Ohr und begann, an seinem Hals zu lutschen.“Na, dann los“, grinste Gregor. Sie betrachtete angetan seinen neuen Slip.“Regt zum Ausziehen an“, befand sie dann und zog ihn hinunter. Er halfdabei durch Anheben seines Gesässes. Sie kniete nun kokett vor ihm. Er zogden Body herunter. Rechts fiel er gleich auf die Bettdecke und sie brauchteihn nur mehr vom linken Bein zu ziehen. Dann bestieg sie ihn und brachtemit sanft kreisenden Bewegungen ihres Beckens seinen Penis in Fahrt. Erüberliess ihr die Initiative und genoss ihr Fallen auf sein bestes Stück.Sie machte es wundervoll und er fühlte sich ungewöhnlich entspannt. Dannfasste er ihre beiden Schenkel an der Seite und beschleunigte ihrenRhythmus. Bald konnte er sich nicht mehr halten und erlebte lautstark einegewaltige Eruption, deren Erlebnis sie zum eigenen Höhepunkt trieb. Dannrollte sie sich nach links ab, darauf bedacht, dass er in ihr blieb. Sielagen nun im rechten Winkel auf der Seite, ihre Erregung hinauskeuchend.Dann wurden sie still und genossen den Zustand nach der Entladung. Er sahsie verliebt an. Zsuzsa war eingeschlafen. Er drehte sich zu ihr unddrückte sie an sich, zärtlich streichelnd. Dann deckte er sie zu, stieg ausdem Bett und bereitete die Jause vor. Als alles bereit war, weckte er sie.“Hallo Liebling, das Essen ist fertig!“, rief er. Sie sah ihn schlaftrunkenan.“Ich liebe Dich“, flüsterte sie und richtete sich auf. Jetzt war er mit demJauchzen an der Reihe. Er nahm sie in die Arme und küsste sie minutenlang.“Ich liebe Dich auch. Das war vorhin der gewaltigste Ausbruch meinesLebens.“Sie strahlte und bekam wieder einmal feuchte Augen. Auf seinen fragendenBlick hin sagte sie: „Hoffentlich hast Du es schon gemerkt: Ich heulegerne, wenn ich glücklich bin.“ Und mit zärtlichem Blick: „Du hast eineHeul – Zsuzsa.“Gregor war gerührt und entgegnete: „Ich mag das an Dir und ich mag dasHeulen überhaupt. Als Bub habe ich gerne geheult, dann aber gelernt, dasssich das für Männer nicht ziemt. Aber so richtig verlernt habe ich es bisheute nicht“; meinte er dann zufrieden.Dann delektierten sie sich an der kalten Platte, die Gregor auf einemTablett angerichtet hatte. Zsuzsa begeisterte sich an der Mostarda. „Wasist das eigentlich?“, fragte sie.“Quittenmarmelade mit scharfem Senf oder Kren, in den anderendeutschsprachigen Ländern Mehrrettich genannt.“Zsuzsa war verblüfft. „Wenn Du mir sagen würdest, diese Kombination würdegut schmecken, könnte ich es sicher nicht glauben. Aber es schmecktwirklich prima.“ Sie tranken zum Picknick Rotwein aus den Hügeln umVicenza, ein leichter und bekömmlicher Tropfen.Am Ende der Jause begaben sie sich wieder ins Bett und kuschelten sichaneinander, voneinander und vom Rotwein gewärmt. Als Gregor mit seinenZähnen gerade an ihrem Hals knabberte, schreckte sie das Klingeln vonseinem Mobiltelefon hoch.Diesmal war es ein Anruf aus Wien. Gregors Mutter war am anderen Ende undwollte wissen, ob er am Wochenende nach Wien käme. „Sicher nicht, Mutter,ich bin in Italien.“ Und nach einigem Zuhören meinte er grinsend: „Ja, ichhabe mich kurz entschlossen, aber allein bin ich nicht.“ Dann feixte er:“Ich kann Dir nur sagen: das liebste Mädchen der Welt und wunderschön.““Ja, ich bin bis hinter beide Ohren verliebt.“ Nach einer neuerlichenPause: „Sicher. Natürlich wieder anders, diesmal errätst Du es nie.“ Dannsass er mit verblüfftem Gesicht da. „Wie bist Du denn darauf gekommen?“,stotterte er. „Ja, sie ist beinamputiert.“ Er hörte mit offenem Mund zu,schliesslich strahlte er. „Ich bringe sie gerne mit. Ich rufe an, sobaldich weiss, wann wir nach Wien kommen. Sie heisst Zsuzsa und stammt übrigensaus der Slowakei.“ Nach der Verabschiedung hob er kopfschüttelnd dieVerbindung auf.“Ein Arbeitskollege meines Vaters hat uns in Innsbruck am Bahnhof gesehenund meinen Alten heute früh angerufen, meine Eltern waren also schon imBilde.““Hoffentlich war er nicht einer von den Arschlöchern im Transalpin“; warfsie ein. Er überlegte.“Kann schon sein, ich mag den Schleimer überhaupt nicht. Aber meine Mutterfrisst nun die Neugier und hat uns gleich eingeladen, sie und Papa zubesuchen, wenn wir nach Wien kommen. Sie lässt Dich schön grüssen.“Zsuzsa kicherte: „Mütter sind offenbar alle gleich, meine war ja auchsofort ganz neugierig. Hat sie was zu meiner Behinderung gesagt?““Ja, sie hat Dich bedauert. Sie hat aber auch gesagt, hoffentlich seiest Duendlich diejenige, die mich glücklich machen wird, es wäre schon an derZeit.“Zsuzsa machte grosse Augen. „Das heisst, sie würde eine einbeinige festeFreundin von Dir akzeptieren?““Ich bin da sicher. Übrigens: heute wurde ich dreimal auf Dich als meineFrau angesprochen.“ Zsuzsa wurde rot und spielte die Belustigte.“Offenbar wirkst Du so, als wärest Du bereits unterm Pantoffel.“Gregor lächelte: „Nun ja, immerhin liege ich Dir wirklich zu Füssen.““Geht ja gar nicht“, entgegnete sie grinsend.“Geht schon, vergiss nicht Deinen kurzen Schenkel.“Zsuzsa blickte ihn zärtlich an. Sie war zuletzt auf dem Bett gesessen,lehnte sich nun in den Polster zurück, stellte das Bein angewinkelt auf undlegte die Hand auf ihren Frosch. „Stimmt, ich bin ja wirklich komplett,allerdings anders.“Gregor kroch zu ihr aufs Bett, küsste ihre Brüste, und kuschelte sich ansie. Er dachte an das Gespräch mit seiner Mutter. Es war ihm nicht ganzegal, was seine Eltern von seinen Freundinnen hielten, und so war er froh,dass sie vorhin auf seine neue Beziehung positiv reagiert hatte. DerRückhalt, an dem sicher auch sein Vater beteiligt war, tat ihm gut.Zsuzsa deckte beide zu. „Dir wird sonst kalt“, sagte sie, ehe sie bat:“Erzähle doch bitte von Deiner Familie.““Wir sind fünf. Vater und Mutter leben zusammen, ich glaube, sie liebensich nach wie vor. Ich habe zwei Schwestern, die eine drei Jahre jünger,die andere zwei Jahre älter als ich. Beide sind schon verheiratet, eine inMünchen und die andere in der Nähe von Wien.““Das bedeutet, Deine Mama hat noch eine Rechnung offen, der Bub ist nochnicht unter der Haube.““So ungefähr“, grinste Gregor. „das war vorhin deutlich zu hören. Ich habemich bisher aber nicht drängen lassen. Das Verhältnis zu meinen Alten findeich aber insgesamt prima, sie haben mir viel geholfen und ich zähle gerneauf ihren Rat.““Was haben sie zu Deinen bisherigen Freundinnen gesagt?““Am Anfang schien es ihnen ein Zufall zu sein. Sie haben Bettina, dieDiabetikerin, sehr bedauert und ich habe nie einen abfälligen Kommentargehört. Mein Vater fand eigentlich alle Mädchen, die ich anschleppte, sehrinteressant, und hatte für ungewöhnliche Attribute meiner Freundinnen stetsSympathien. Einmal tat es ihm sichtlich leid, als eine Beziehung wieder zuEnde war. Sandra hatte ein sehr grosse Nase.“Gregor grinste. „Wenn Du meine Mutter siehst, weisst Du gleich warum: siewäre schon im alten Ägypten ein Schönheitsideal gewesen.“Zsuzsa schmunzelte: „Nun, klein ist meine ja auch nicht.““Deine ist ein Näschen im Vergleich zu der von Sandra, aber es istrichtig“, meinte er feixend, „vor grossen Nasen bin ich noch nie davongelaufen.““Und vor kleinen Fröschen neuerdings auch nicht“, ergänzte sie zufrieden.Während Gregor innehielt und nachdachte, streichelte Zsuzsa seinen linkenSchenkel. Er war stark behaart und sie fand dies sehr anregend. „Ich mussaber auch sagen, meine Eltern haben sich beide nie in meine Angelegenheitenungefragt eingemischt und immer akzeptiert, was ich getan habe“, fuhr erdann fort, dabei wohlig ihr Streicheln geniessend. „Später, während derDiplomarbeit, haben wir des Öfteren über das Anderssein diskutiert. Siehaben mein Interesse am Thema nicht ganz verstanden, aber meineDispositionen akzeptiert.““Bei mir war das mit der Distanz früher auch so, speziell zu meiner Mutter,mein Vater war ja unerreichbar“, warf Zsuzsa ein. „In den letzten beidenJahren hat sich das aber sehr geändert, sie spielt im Umgang mit den Folgenmeines Unfalls eine ganz wichtige Rolle.““Ist sie Expertin auf dem Gebiet der Rehabilitation?“Zsuzsa sah ihn belustigt an. „Das könnte man eigentlich sagen.“ Sie zögertekurz und begann dann ausführlich zu erzählen.“Du erinnerst Dich an die Geschichte von der Roma-Frau aus Kindertagen? Siehiess Jana und es gibt nicht nur meine Story, sondern auch die meinerMutter, die ich erst seit vorigem Jahr genauer kenne. Jana hatte nicht nurmich fasziniert, sondern auch meine Mutter. Während ich eine Ohrfeigebekam, als sie mich beim Nachahmen ihrer Hüpfbewegungen ertappte, warzwischen den beiden Frauen weit mehr als der Wollverkauf. Meine Mutter hateine Schwäche für Frauen im allgemeinen, was auch einer der Gründe war,warum mein Vater sie verliess, und hatte längere Zeit eine Zuneigung zuJana im besonderen. Diese führte dazu, dass Mama schliesslich über dasLeben amputierter Frauen bestens Bescheid wusste und nie verlegen war,ihrer verunglückten Tochter mit Rat und Tat beizustehen.“Gregor hörte interessiert zu. Zsuzsa setzte das Streicheln seines Schenkelsfort, und er begann, dem Frosch in gleicher Weise Gutes zu tun.“Wie hat sie Dir geholfen?“, fragte er dann.“Sie hat vom Anfang an betont, dass die Bewältigung der Amputation zuerstim Kopf stattfände. Der Verlust eines Beines ist ein so schwerwiegenderEingriff in das Leben einer Person; dass er mit den üblichen Selbstbildernnicht bewältigt werden kann. Man muss quasi den Kopf mit seinenWahrnehmungen umstellen, sonst kann man nicht angemessen auf die neueSituation reagieren und die vielen Probleme lösen.An ein Ereignis ganz am Anfang kann ich mich noch gut erinnern. Als ichnach der Amputation im Spitalbett lag, konnte ich mir jederzeit einbilden,der Fuss sei noch vorhanden. Es waren süsse Momente, Tagträume, in denenich immer noch zwei Beine hatte. Dazwischen aber bekam ich manchmal diePanik, weil ich diesen Zustand nicht deuten konnte. Ich erzählte meinerMutter davon, die mich zuerst beruhigte, dies sei nach einem Beinverlustnormal, dann aber aufforderte, die Augen zuschliessen und mich auf meineBeine zu konzentrieren, zuerst auf den linken Fuss. Sie zählte mir alleTeile auf, beginnend mit Zehen, Fusssohle, Rist, Ferse, und so fort und ichsollte sie bewusst zu spüren versuchen, was ich auch tat. Dann kam dasrechte Bein dran und ich spürte zunächst alles genauso wie links. Dannfragte sie mich plötzlich, ob die Beine gleich lang wären. Da fiel mir auf,dass mir das rechte Bein kürzer vorkam als das andere, In weiterenVergleichen fiel mir auf, dass die Empfindung am rechten Oberschenkel,oberhalb des Knies, gestört war. Ich hatte nun die erste Wahrnehmung meinerneuen Situation. Das Bein war ja wirklich kürzer und oberhalb des Kniesabgeschnitten. Meine Mutter betonte, dass dies der Beginn eines Prozessessei, an dessen Ende ich mich mit der Wahrnehmung meiner Einbeinigkeitarrangiert haben würde. Dem war dann auch so, wobei die Entwicklung nochnicht abgeschlossen, sehr wohl aber schon weit gediehen ist.Einige Aspekte ihrer Interventionen waren für mich von besondererWichtigkeit, wie etwa das Beleben der Erinnerungen an meine Sympathien fürJana. Meine Mutter führte mir vor Augen, dass ich selbst, nun verzweifeltdaliegend, mit diesem Thema in meiner Kindheit ganz anders umgegangen war.Ich soll damals auch gesagt haben, dass ich gerne mit ihr tauschen würdeund wünschte mir Krücken zum Geburtstag.““Hast Du die wirklich gekriegt?““Nein, bis zum nächsten Geburtstag war längst die Watschen passiert undmeine Mutter verbarg im weiteren die Kontakte zu Jana vor mir, weil siesich, wie sie sagte, für die Schamlosigkeiten ihrer Tochter nicht genierenwollte. Solche Geschichten haben mich schliesslich einige Zeit nach derAmputation sehr beschäftigt, alte Sympathien, die irgendwo in mir begrabenwaren, wiederbelebt und keinen geringen Anteil daran, dass ich meinenKörper wieder mag und heute beispielsweise auch gerne an Krücken gehe,während andere junge amputierte Frauen am liebsten die Beinprothese rund umdie Uhr tragen würden, um möglichst wenig an ihre Tragödie erinnert zuwerden.Ich habe schon früher erwähnt, dass ich nach dem Unfall sicher war, niewieder einem Mann gefallen zu können und dass Jan, mein damaliger Freund,mich wegen des amputierten Beines verliess. Mama bezeichnete ihn aber alsWaschlappen, der mich nicht eine Sekunde lang wert gewesen sei. Ich solltefroh sein, dass er sich gleich dünn gemacht hätte, andernfalls hätte ichmeine blauen Wunder mit ihm erlebt. Ich war erstaunt über ihre Reaktionen,aber sie meinte, es gäbe viele Menschen, die vor Amputierten nichtdavonlaufen würden. Es gäbe sogar etliche Menschen, wie sie selbst, diesich von jenen sehr angezogen fühlen würden und nicht wenige, die imstandewären, die Besonderheit von solchen Individuen, zu denen jetzt auch ichgehöre, zu entdecken. Lange Zeit fiel es mir schwer, das zu glauben, abersie betonte stets, dass ich Geduld haben müsse und mich nicht auf Tarnenund Täuschen sowie Verstecke spielen einlassen dürfe, weil das nur dasFinden neuer Akzeptanz erschweren würde. Sie hat sich riesig gefreut, alsich ihr gestern am Handy sagte, ihre Auffassungen hätten sich bestätigt.“Der Gewöhnung an mein verändertes Aussehen widmete sie besondereAufmerksamkeit. Sie sagte, ich müsse mich so mögen wie ich bin, damit ichandere fände, die auch an mir Gefallen fänden. Sie drängte mich, dem Froschbesondere Beachtung zu schenken, ihn zu hegen und zu pflegen und mich anihn zu gewöhnen. Einmal rückte sie mit einem grossen Spiegel an, damit ichmich besser und eingehender betrachten könne. Sie betrieb auch vehement dieNachamputation. Jana war der Meinung gewesen, dass ein schöner Stumpf fürdas neue Selbstbild einer amputierten Frau unerlässlich sei. Ich bininzwischen sicher, dass sie da völlig Recht hatte.Was mich aber von Anfang an besonders faszinierte, waren Janas Ideen zurEinbeinigkeit. Ich lebte nach der Amputation zunächst in der zweibeinigenWelt weiter, obwohl sie nicht mehr die meine war. Ich erlebte die neueSituation als grosse Einschränkung, und kam mit ihr überhaupt nicht zuRande. Nach zwanzig Jahren auf zwei Beinen war plötzlich alles anders unddas Leben voller Limits. Meine Mutter hat mir dann erzählt, Jana hätte dieMeinung vertreten, dass das Selbstbild der Zweibeinigkeit in vielenFacetten eine Fiktion sei. Niemand hat zwei völlig gleiche Beine, meist istdas eine stärker, das andere schwächer, manchmal sind sie ungleich lang,fast immer ist eines begabter als das andere, und es lassen sich noch vieleandere Belege dieser Art finden.Beim Stehen wird das besonders deutlich. Kaum jemand steht gleichmässig aufbeiden Beinen, nahezu alle Leute belasten ein Bein mehr als das andere, dasdann mehr auf das Halten des Gleichgewichts konzentriert ist oder derEntlastung des unbewusst favorisierten Beines durch Abstützen hilft. Aberauch beim Hüpfen und Springen ist in der Regel ein Bein der Hauptakteur,während das andere mehr zum Schwung holen dient. Für Einbeinige istwichtig, dass es grundsätzlich keines zweiten Beines bedarf, um diebeschriebenen unterstützenden Funktionen zu sichern. Ein Frosch reichtauch, wenn es um die Balance, das Abstützen und das Schwung holen geht.“Gregor nickte. „Ist bei Dir deutlich zu sehen“, pflichtete er bei. „Aberwie ist das dann beim Gehen?““Da reichen Frösche allerdings meist nicht aus, ausser beim schonangesprochenen Hüpfen, das ich auf kurzen Strecken sehr mag, wie Du schonbemerkt hast. Man braucht zusätzliche Gehwerkzeuge. Aber das ist ja nichtsUngewöhnliches. Hilfsmittel prägen generell die Geschichte der menschlichenFortbewegung, sie sind unverzichtbar, das gilt für alle Individuen und fürEinbeinige nur in spezifischer Form. Ich finde es beispielsweise idiotisch,dass Skistöcke bei Zweibeinigen als völlig normal gelten, während es beimir heisst, das arme Mädchen braucht Krücken. Da hilft es mir gar nichts,wenn ich denen, die das sagen, um die Ohren fahre.““Kommt das vor?“, fragte Gregor erstaunt.“Natürlich, und gar nicht selten. Schnell zu fahren bereitet mir grossesVergnügen.“ Sie dachte vergnügt ans Skilaufen.“Erklärt vielleicht auch die Grösse Deines blauen Fleckes“, meinte er keck.Sie lächelt leicht gequält. „Da war ich tatsächlich zu schnell.“ Nach einerPause ergänzte sie: „Es gibt übrigens auch einbeinige Skiläufer, die mitnormalen Skistöcken fahren. Eine Amerikanerin, wie ichoberschenkelamputiert, ist vor Jahren sogar bei Rennen der Zweibeinigengestartet.““Klingt nach Akrobatik“, meinte er verblüfft.“Ist es sicher, aber bei Hermann Maier auch.“Gregor überlegte. „Das Skilaufen passt aus vielen Gründen gut zu diesemThema“, meinte er dann. „Man fährt viel auf einem Bein, das andere hält dieBalance, wechselt die Belastung des Ski, wenn man anderen imponieren will,streckt man bei hohem Tempo den Aussenschi zur Seite, um nur einige Aspektezu erwähnen.““Fährst Du auch gerne schnell?““Na klar, am liebsten ganz lang gezogene Schwünge, die zu einem Höllentempoführen. Kaum Fersenschub, nur Belastungswechsel.““Siehst Du, das mit diesem Wechsel geht bei mir eben nicht, Einbeinigehaben kein Spielbein. Entlasten und Belasten geht schon, dabei helfen dieKrücken.“Eigentlich klar“, nickte Gregor, „aber solche Sichtweisen sindüblicherweise in den Köpfen nicht drin. Ich habe mich gestern auch überDeine Beweglichkeit gewundert, während Du Dich darüber gewundert hast,warum es nicht so sein sollte. Auch heute war es für mich noch etwasAuffälliges, dass Du sehr flott unterwegs warst.““Du warst so irritiert, dass Du gleich zu Boden gegangen bist“, sticheltesie.Er grinste beziehungsvoll: „Im Denken der Zweibeinigen hat das einbeinigeMädchen nur als ganz armes Mädchen seinen Platz, so ist leider das Leben.“Beide lachten.“Ich glaube, wir sollten bald einmal miteinander Skifahren gehen, Du machstmich richtig neugierig“, meinte er dann. „Aber davon abgesehen beeindrucktmich Deine Sc***derung sehr. Sie macht deutlich, was hinter verschiedenenFacetten des Andersseins an wirklicher Differenz zum so genannten Normalensteckt.“Sie nickte: „Vielleicht wird damit klar, wie wichtig die Neuordnung desKopfes für mich gewesen ist. Dabei ging es nicht um schlüssige Theorien,sondern um eine Disposition, die mir half, meine neue Situation halbwegs inden Griff zu kriegen“, resümierte sie.“Du hast sie schon super im Griff“, korrigierte er.Sie gab ihm einen Kuss, kuschelte sich an ihn und schwächte dann ab: „Dabeiwirft es mich noch oft hin und her. Auf der einen Seite bin ich schon dieneue Zsuzsa, auf der anderen Seite bin ich noch ungemein unsicher.“ Undnach einer Pause: „Der kurze Rock ist ein gutes Beispiel. Den Jeansrockhabe ich von früher, ich habe ihn sehr gemocht und nach langem Zögern fürdie Reise eingepackt. Er wäre unbenutzt wieder nach Hause gefahren, hätteich Dich nicht kennen gelernt. Neben Dir habe ich mich dann heutevormittags in ihm sehr wohl und sehr sicher gefühlt, ganz ohne Prothese undmit Krücken.““Klar“, erwiderte Gregor, „in einer solchen Lage ist man bald malüberfordert. Du brauchst Menschen um Dich, die bereit sind, die Situationmit Dir zu teilen.“Sie sah ihn skeptisch an. „Ist das von den anderen nicht zuviel verlangt?“Er blickte sie verwundert an: „Ich bin sicher, Deine Mutter hat es gernegetan und ich geniesse unsere Zweisamkeit ganz ausserordentlich.“Sie rollte sich auf ihn und sah ihn bewegt an. Dann drückte sie ihren Kopfauf seine Brust. Er wurde dort nass. Sie weinte. Als sie merkte, dass erdies mitgekriegt hatte, liess sie das Schluchzen zu. Sie heulte lange,während er stillhielt und sie sanft streichelte. Schliesslich hob sie ihrenKopf und sah ihn glücklich lächelnd an. „Das hat jetzt sicher gut getan“,flüsterte er. Sie nickte heftig und suchte seinen Kuss.Dann lagen sie lange schmusend aufeinander, ehe sie beschlossen, zu einemweiteren Spaziergang aufzubrechen. Diesmal sollte Sightseeing imMittelpunkt stehen, und weiteres Einkaufen nur dann eine Rolle spielen,wenn sie zufällig auf etwas besonders Schönes stossen würden. Draussendämmerte es schon.Zsuzsa verschwand im Badezimmer. „Gregor, kommst Du mal!“ rief sieplötzlich. Sie stand vor dem Spiegel und hielt ihm grinsend die rechteHalsseite hin. Sie hatte dort einen deutlich sichtbaren Knutschfleck. Ersah in den Spiegel und entdeckte auf seinem Hals auch einen kleinenBluterguss. „Ausgleich“, feixte er, darauf hindeutend.Sie verliessen das Hotel und strebten in Richtung Hauptplatz. Dabei kamensie am Schuhgeschäft von vorhin vorbei, aus dem die Verkäuferinherausgelaufen kam: „Die Signora, eine Comtessa, war schon da, sie könnendie Sandale gerne haben, ein Schlüpfer aus blau gefärbtem Leder ist jetztauch übrig“, rief sie. Das liess sich Zsuzsa nicht zweimal sagen. Sieprobierte im Laden die einzelnen Schuhe, sie passten und wurden gleicheingepackt. Diesmal bekam sie beide umsonst und die Verkäuferin überreichteGregor eine Visitenkarte. „Die Comtessa hat gesagt, ich solle sie Ihnengeben, sie würde sich über einen Anruf, am besten noch heute, sehr freuen.Ihr Vater hat in der Zwischenzeit auch angerufen und gemeint, sie wärenherzlich morgen zum Mittagessen eingeladen und hoffe auf Ihre Rückmeldung.Wenn sie wollen, können Sie gerne gleich von hier anrufen.“ Gregorübersetzte Zsuzsa, worum es ging und als er ihren erfreutenGesichtsausdruck sah, reagiert er rasch. „Darf ich Sie um ihre Hilfebitten. Mein Italienisch ist bescheiden“, betonte er. Sie nickte erfreutund griff zum Telefonhörer. Nach einigen Verbindungsschritten hielt sieGregor den Hörer hin. Am anderen Ende war eine Männerstimme, die sich alsComte Bertalani vorstellte. Er freue sich über die Kontaktanbahnung seinerTochter und spreche gerne eine Einladung zum Sonntagsessen in der Villaseiner Familie aus.Gregor bedankte sich und versicherte, die Einladung ebenso wie Zsuzsa gerneannehmen zu wollen. Er fragte, wie sie zur Villa finden würden. Der Comteversicherte, dass dies ganz einfach sei, er müsse nur das Hotel wissen,dann stünde morgen um halb eins ein Wagen davor, um die Gäste zur Villa zubringen. Gregor nannte den Namen des Albergos und der Comte meinte dann,dies sei genau die Adresse, an der er in jungen Jahren Freunde, die ihnbesuchten, auch untergebracht habe. Er freue sich auf morgen. Gregorversicherte, dass die Freude auch auf Zsuzsas und seiner Seite sei.Als er der Verkäuferin den Telefonhörer zurück reichte, sah ihn diesebewundernd an. Zu Zsuzsa sagte sie auf Englisch, dass sie einen charmantenGatten hätte, der den Comte sicher hatte beeindrucken können. Zsuzsa meintedarauf, sie sei noch nicht mit ihm verheiratet, worauf die Verkäuferin ihrriet, sie sollte sich tunlichst beeilen. Gregor war natürlich das ‚noch’aufgefallen und merkte, dass er es mit Wohlgefallen registriert hatte.Danach brachten sie die Tüte mit den Schuhen ins Hotel. Der Portier guckteplötzlich nicht mehr komisch, sondern fragte devot nach dem Wohlbefindender Herrschaften. Gregor schloss daraus, dass der Comte den Transport amnächsten Tag schon im Hotel angekündigt hatte.Danach begannen sie mit dem geplanten Bummel. Es war, der Jahreszeitentsprechend, schon fast völlig dunkel, doch Vicenza war am Abend besondersreizvoll. Sie gingen zu erst wieder zum Hauptplatz, den inzwischen auchZsuzsa ins Herz geschlossen hatte, genossen erneut die Basilika, aber auchdie fremdartige Loggia dei Capitani gegenüber und die Bürgerhäuser entlangdes Platzes. In einem davon war ein Geschäft mit wunderschönen Stoffen undZsuzsa verspürte Lust, es nach längerer Zeit wieder mit dem Schneidern zuversuchen. Dann entschied sie, ohne Gregor von diesen Wünschen zu erzählen,solche Ideen vorläufig hintan zu halten, weil ihr vor dem Aufwandschauderte, den sie von früheren Versuchen in Erinnerung hatte. Sie zogenweiter zum Corso Palladio, betrachteten dort einige Palazzi, und erreichtendurch enge Gässchen das kleine Wohnhaus Palladios. Dann gingen sie zumCorso zurück, am Samstagabend eine stark frequentierte Fussgängerzone, undschlenderten bis zu seinem östlichen Ende. Sie waren Mittelpunkt der Menge.Die schöne junge Frau an Krücken mit ihrem einen Bein erregtebeträchtliches Aufsehen, wie Gregor registrierte.Der Corso mündete in einen grossen Platz, an dessen linker Seite eingrosses Gittertor den Eingang zu einem im Dunkeln dahinter liegendengrossem Gebäude markierte. „Da drinnen ist das Teatro Olimpico aus demsiebzehnten Jahrhundert, eines der schönsten alten Theater der beginnendenNeuzeit überhaupt. Wir müssen unbedingt tagsüber wieder kommen, das musstDu ganz einfach gesehen haben“, erklärte er. Dann fiel sein Blick auf einenGlaskasten neben dem Eingangstor, in dem eine Konzertankündigung hing.Gregor las den Text und geriet aus dem Häuschen. „Zsuzsa, magst Du Opern?“,rief er ihr zu.Sie war einige Schritte weiter gegangen. „Und wie!“, antwortete sie. „Ichmag viele Musiken vom Gregorianischen Choral bis Madonna, aber Oper iststets etwas Besonderes.““Das finde ich toll“, strahlte er sie an. „Stell Dir vor, morgen ist imTeatro Olimpico ein Arienabend mit Cecilia Bartoli, ob es da wohl nochKarten gibt?““Von der Bartoli habe ich eine CD. Sie singt darauf Arien von Salieri.““Dem angeblichen Mörder Mozarts, wie Milos Forman in seinem Film Amadeusbehauptet?“ Sie nickte, worauf er fortfuhr: „Den Film finde ich super, sotrefflich kann tödliche Wiener Intrigen wohl nur ein Prager beschreiben,trotzdem kann ich die Geschichte nicht glauben.“Sie grinste. „Das ist wahr, Deine Vorfahren kommen in diesem Film ebensowenig gut weg wie die Italiener.“Gregor begann dann in Erinnerungen an eine Rossini – Oper bei denFestspielen in Pesaro zu schwelgen, in der er die Diva gehört hatte. „Ichglaube, sie ist wirklich eine Diva mit allen positiven wie negativenSeiten. Schon zweimal sass ich in einem Konzert von ihr, das sie dannkurzfristig über den Haufen geworfen hat“, sagte er mit vorwurfsvollerStimme. „Wir sollten in der Slowakei in die Oper gehen. Es gibt bei unsviele junge Talente ganz ohne Allüren.“ Und einige Stars wie die Gruberovamit ihrer vortrefflichen Stimme“; ergänzte Gregor. Dann wurde ernachdenklich. „Am besten, wir fragen im Hotel, vielleicht lassen sich nochKarten auftreiben“; befaSie kehrten um und gingen den Corso zurück. Dabei kamen sie an einerkleinen Boutique vorbei, die schon die Sommermode in der Auslage hängenhatte. Schöne Röcke aus Baumwollstoffen, alle etwa knielang.Zsuzsa starrte begeistert auf einen hellblauen Rock mit ganz zartensandfarbenen Mustern. „Der wäre was“, murmelte sie, und ergänzte betrübt:“aber ich darf jetzt nichts mehr ausgeben, ich bin pleite.““So ein Rock wäre aber super. Du hast einen schönen Unterschenkel, dasStück würde sicher gut passen. Ich mache Dir einen Vorschlag: Du probierstihn und wenn er Dir gut steht, kriegst Du ihn als Wiedergutmachung für denKnutschfleck.““Wieso Wiedergutmachung? Ich mag ja meinen Fleck.“Gregor verdrehte die Augen. „Liebste Zsuzsa, hier geht es nicht um dieWahrheit, wir brauchen ganz einfach einen Grund“, grinste er.“Na gut“, kicherte sie und verzog das Gesicht.“Der Fleck tut fürchterlich weh“, sagte sie drohend.“Ich habe es nicht absichtlich getan“, jammerte er kleinlaut, „ich hoffe,Du verzeihst mir noch einmal, wenn ich Dir diesen Rock schenke.“Zsuzsa stellte ihre strengen Bedingungen: „Na gut, den Rock und noch einenFleck.““Abgemacht.“ Dann lachten sie schallend und einige Passanten drehten sichverwundert nach ihnen um.Gut gelaunt betraten sie das Geschäft. Den Rock gab es in der richtigenGrösse und er stand ihr tatsächlich sehr gut. Gregor zahlte wieder mit derKreditkarte. „Die ist sehr praktisch“, meinte sie, als sie den Ladenverliessen. Er nickte: „Noch praktischer wäre sie, würde dann nicht vomKonto abgebucht werden.“ Erneut Gelächter.Dann gingen sie zum Hauptplatz zurück, auf dem die Basilika und die Loggianun von den Scheinwerfern in dezentes Licht getaucht wurden. Es war einlauer Abend, den die beiden nach den kalten und unfreundlichen Tagen davorsehr genossen. Gregor blickte zum Himmel. „Siehst Du diesen wunderbaredunkle Blau? Diese faszinierende Farbe hat der Himmel über diesem Platz beiDunkelheit immer. Das begeistert mich stets aufs Neue.“ Sie hatte denFrosch auf den Krückengriff gelegt und blickte nun auch nach oben.“Wirklich schön, wie eine samtene Haube über den Dächern.“Sie hob irritiert den Frosch vom Krückengriff herunter. „Hoffentlich kommtkein Wetterumschwung“; murmelte sie besorgt.“Wie kommst Du darauf?“, fragte er verwundert.“Ich spüre jetzt mein rechtes Bein, das passiert meist, wenn sich dasWetter stark verändert“, erläuterte sie.“Nun, hoffentlich ist es ein falscher Alarm“; schwächte er ab und führtesie dann in einen stimmungsvollen Winkel mit Laubengängen hinter derBasilika, in dem das Denkmal Palladios stand. Eine Taube thronte frech aufseinem Kopf.“Schon blöd, wenn Dir dauernd eine Taube auf den Kopf scheisst und Du Dich,zu Stein erstarrt, nicht dagegen wehren kannst“, meinte Zsuzsa grinsend.“Dabei trägt er es mit sichtlichem Gleichmut“, bestätigte Gregor belustigt.Dann spazierten sie weiter zum Dom, der etwas abseits lag. „Die Kirche isthier nicht der Mittelpunkt der Stadt“; bemerkte sie. Er nickte. „DasZentrum gehörte den reichen Bürgern, denn sie waren hier wie in etlichenanderen Städten im italienischen Norden der Mittelpunkt der Macht.“Die Glocke des Domes schlug zweimal. Gregor blickte auf seine Uhr. „Halbacht. Ich schlage vor, wir gehen rüber zum Coin und holen meine neue Hose,bei der die Korrekturen fertig sein müssten, das geht sich vor acht Uhrgerade noch aus, und dann erfreuen wir unsere Mägen, hast Du auch schonHunger?““Hörst Du meinen Magen nicht knurren?“ fragte sie schmunzelnd zurück undergänzte: „Weisst Du ein anderes Restaurant, in dem man so gute Sachenkriegt wie gestern?““Ja, es liegt gleich hinter dem grossen Kaufhaus.““Ideal, nichts wie hin.“Sie eilten zum Coin, wo er seine Hose abholte, während sie draussen warteteund das mittelalterliche Stadttor gegenüber bewunderte. Dann kam Gregor miteiner neuen Tüte zurück und sie gingen ums Eck zum Restaurant. Er kanntedas Lokal von früheren Aufenthalten in der Stadt und der Wirt liess keinenZweifel daran, dass er den Gast wieder erkannte.“Du musst hier bleibende Eindrücke hinterlassen haben“, meinte siebelustigt, „was hast Du denn damals angestellt?““Ich habe meinen Teller leer gegessen und dann abgeschleckt, weil das Essenso gut war.“ Gekicher. „Ausserdem liegt mein letzter Besuch noch nichtlange zurück“, ergänzte er.Es gab Reis mit Radicchio als Vorspeise und Perlhuhn mit Polenta alszweiten Gang. Als sie nach dem zartbitteren Risotto auf das Geflügelwarteten, fragte Gregor. „Spürst Du noch das rechte Bein?“Sie nickte. „Ja, insbesondere den Fuss und die Zehen.““Ist das unangenehm?““Ja, es kann aber viel schlimmer sein als jetzt. Einmal hatte ich einenKrampf im Fuss, da habe ich geglaubt, ich fahre aus der Haut. Wenn maneinen Krampf in einem vorhandenen Bein bekommt, versucht man möglichstrasch auf dem Fuss aufzutreten, damit das schreckliche Gefühl nachlässt.Aber stell Dir vor, das Bein ist weg und Du kannst nichts gegen den Krampftun. Man nennt das Phantomgefühle und im negativen Fall Phantomschmerzen.““Hast Du sehr oft solche Beschwerden?““Anfangs hatte ich sie sehr oft, seit der zweiten Operation sind sieerfreulicherweise seltener geworden und treten wie gesagt in erster Liniebei Wetterumschwüngen auf.“Gregor griff unter den Tisch und legte seine Hand auf ihren Frosch.“Glaubst Du, dass es hilft, wenn man ihm Gutes tut?“Sie lächelte sanft und meinte: „Wir können es ja nachher versuchen. Dusolltest ihm aber keine Vorwürfe machen, Wahrscheinlich ist der Kopf fürsolche Gefühle verantwortlich.“Die Bedienung brachte den zweiten Gang und das saftige Perlhuhn lenkte dasGespräch in andere Bahnen. „Sieht aus wie ein Huhn, schmeckt aber deutlichanders“; kommentierte Zsuzsa, „wirklich hervorragend.““Siehst Du die Zertifikate an den Wänden?““Ja, was bedeuten sie?““Der Wirt nimmt regelmässig an Meisterschaften im Kochen von Perlhühnernteil und räumt dort eine Menge Preise ab.““Wirklich? Es gibt Meisterschaften?“; fragte sie ungläubig.“Ja. Perlhühner haben eine ganz kurze Periode des gar Seins, dann werdensie binnen kurzem trocken und zäh. Nur gute Köche bringen eine Faraona, soheissen diese Tiere hier, auf den Tisch, die so gut schmeckt wie unsere.Das ist auch das Ziel der Wettbewerbe, bei denen eine Jury die Leistungender Köche bewertet und die Sieger ermittelt.““In so einer Jury möchte ich auch einmal sein“, grinste Zsuzsa. Sie trankenzu den Speisen eine Flasche Weisswein aus dem nahen Breganze. Nach derSüssspeise, einer Zuppa Inglese, gab es noch Grappa und Gregor stelltezufrieden fest, dass seine Freundin wieder wacker mithielt.Gut gelaunt machten sie sich nach dem Essen auf den Weg ins Hotel. Siespürten den Alkohol und Zsuzsas Phantomgefühle waren schwächer geworden.Sie tänzelte kokett mit den Krücken neben Gregor. Dabei übersah sie eineunebene Stelle im Asphalt und plötzlich war sie im Fallen. Er reagiertegeistesgegenwärtig, erwischte sie am Oberarm und riss sie hoch. Sie liessdie Krücken fallen, warf sich herum und klammerte sich an seinem Arm. Mitgrosser Mühe fand sie hüpfend wieder das Gleichgewicht und stand dannbleich wieder aufrecht.“Das war knapp“, murmelte sie.Gregor hob die Krücken auf. „Alles in Ordnung?“, fragte er.Sie nickte, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich.“Danke“, flüsterte sie.Dann reichte er ihr die Krücken und sie setzten ihren Weg fort. „Einmalnicht konzentriert, und schon klingelt es. Höchste Zeit, ins Hotel zukommen, ich spüre wieder stärker meinen rechten Fuss“, meinte sie beimWeitergehen.Dort angekommen, befragte Gregor den Portier über Möglichkeiten, Karten fürdas Bartoli – Konzert zu kriegen. Der Mann entpuppte sich als wahrer Fander Diva und versprach, sein Bestes zu versuchen, obwohl der Arienabendschon lange ausverkauft sei. Gregor fuhr seine Hoffnungen gegen Null, denner wusste, dass unter solchen Umständen nur sehr einflussreiche Leute nochChancen auf Plätze hatten.Mit kaltem Mineralwasser versorgt, gingen sie aufs Zimmer. „Hilfst Du mirbitte beim Duschen? Es gibt keine Haltegriffe bei der Wanne.“, fragte sieetwas besorgt.“Natürlich“; nickte er und freute sich darauf. Während sie sich auszog,drehte er das Wasser auf und regelte die Temperatur. Sie stand schon nacktin der Tür und massierte mit der Hand ihren Frosch.“Ich muss dringend pinkeln.““Mach nur“, sagte er, „ich ziehe mich auch noch aus. Während sie sichverlegen lächelnd auf die Klomuschel setzte, ging er hinaus. Als er dannunbekleidet zurückkam, ragte sein Penis in die Höhe, so sehr hatten ihn dieGedanken an das Bevorstehende stimuliert.Sie reagierte amüsiert: „Es gibt also doch einen Haltegriff.“Er feixte: „Darf ich bitten, Gnädigste?“, und half ihr in die Wanne. Siestand vor ihm und hielt sich mit einer Hand an seiner Schulter fest,während sie das warme Wasser genoss.“Hilft bei Phantomgefühlen Wärme?“Sie zuckte mit den Achseln. „Viele Leute sind anderer Meinung, mir scheintes jetzt aber gut zu tun.““Versuchen wir es weiter, wenn es unangenehm wird, sag es bitte sofort,damit ich gleich aufhören kann.“ Er verstärkte die Warmwasserzufuhr undliess das Wasser weiter über ihren Körper rinnen. Lange hielt er die Brauseüber ihren Frosch, den sie ihm dabei entgegenstreckte. Sie sah dabeiinteressiert zu und spreizte ihren kurzen Schenkel öfters zur Seite. „Gutso?“, fragte er.Sie nickte zufrieden. Dann seifte er sie ein, zuerst vorne, und nachdem erihr beim Umdrehen geholfen hatte, auch hinten. Er hatte dabei Zeit, ihrenRücken zu betrachten. Er gefiel ihm, nicht zuletzt aufgrund der kleinenLeberflecke unter dem Hals und an der Taille. Geniesserisch seifte er ihrenHintern und bemerkte, dass die linke Backe etwas grösser war als dierechte. Er betrachtete kritisch den grossen Bluterguss an ihrer Hüfte undstellte fest, dass er von hinten noch grösser aussah als von vorne.Allerdings war er heller geworden, in das Blau war mehr Gelb als Schwarzgemischt. Dann kamen das Bein und der kurze Schenkel dran, wobei er sichwieder an ihren Häärchen delektierte. Abschliessend widmete sie sich selbstihrem Schambereich, wobei sie ihn anlächelte, Nach einer ausgiebigenneuerlichen Wasserladung trocknete er sie ab, half ihr aus den Wanne undstieg selbst hinein, während sie ihren Bluterguss behandelte und sichanschliessend dem Zähneputzen zuwandte. Sie beobachtete ihn im Spiegelaufmerksam beim Duschen und beim Abtrocknen. Dann hüpfte sie aus dem Bad,während er noch einige Zeit für die Körperpflege brauchte.Als er ins Zimmer kam, lag sie zugedeckt auf dem Rücken im Bett und machteeinen müden Eindruck. Er streichelte ihre Brüste. „Ich bin unglaublichmüde“, murmelte sie. Dann spreizte sie mit wohligen Lauten die Schenkel.Zärtlich massierte er sie unter der Decke und legte dann die Hand auf ihrenFrosch. „Das tut gut“, flüsterte sie und schlief ein. Er blieb noch eineWeile wach, freute sich riesig über seine neue Liebe, genoss die gemeinsameWärme und driftete schliesslich auch in den Schlaf.3. TagEs war Sonntagmorgen, Zeit zum Ausschlafen. Gregor wachte wieder zuerstauf. Draussen rüttelte ein starker Wind an den Fensterläden, was nichtsGutes verhiess. Er dachte an Zsuzsas Phantomgefühle am Vorabend und an ihreVermutung, dass diese auf einen Wetterumschwung schliessen liessen. Erwandte sich ihr zu und sah, dass sie noch schlief. Sie lag auf dem Rückenund war halb abgedeckt, speziell ihr Frosch war ganz im Freien. Sie hatteihn hochgezogen, sodass er fast im rechten Winkel nach oben stand, ganzwenig nach aussen gespreizt. Er betrachtete amüsiert diese Schlafstellung,und besah dann genauer den kurzen Schenkel, der vor ihm lag oder bessergesagt stand. Es war ein kräftiges Stück Oberschenkel, das in dieseraufrechten Position noch kürzer wirkte als sonst. Mitten auf der Kuppeverlief die Narbe in leicht geschwungener Linie, ebenso wie die nochsichtbaren Einstiche der Naht zu beiden Seiten in hellroter Farbe. Die Hautauf der Narbe mache einen frischen Eindruck und schien irgendwiedurchsichtig zu sein. Fasziniert betrachtete er ihre Häärchen, die auf derVorderseite etwas kürzer waren als hinten. „Genauso wie am Bein“, dachte erund schüttelte dann gleich über sich selbst den Kopf. „Ohnehin klar, mussja so sein, war doch früher ihr anderes“, sagte er leise zu sich. Er strichmit der Hand kurz über den Frosch und richtete sich wieder auf. Zweischläfrige offene Augen sahen ihn verwundert an, Zsuzsa war aufgewacht.“Guten Morgen“, murmelte sie schlaftrunken. „Mir ist kalt“, klagte sie.“Guten Morgen, Schatz. Kein Wunder dass Du frierst, Du liegst ja im Freien.Komm her, ich wärme Dich.“ Sie strahlte und kuschelte sich an ihn, ihrenFrosch an seinen Schenkel pressend. „Uh“, rief er. „Der ist ja ganz kalt.“Er schüttelte sich und nahm den kurzen Schenkel in seine Hand, „der mussdringend gewärmt werden.“Sie lächelte und drückte sich noch fester an ihn. Mit geschlossenen Augengenoss sie die hochkommende Wärme und die Hand auf dem Frosch. „Ich möchtenoch nicht aufstehen“, brummte sie dann.“Musst Du auch nicht. Es ist erst knapp nach acht“, beruhigte er. Sieseufzte, nickte zufrieden und tastete mit der Hand nach seinem Schwanz. Erschloss auch die Augen und spürte sein Verlangen wachsen. „Hast Du schonmitgekriegt, dass es draussen Sturm gibt?“, fragte er und wie zurBestätigung rüttelte draussen ein Windstoss wieder an den Fensterläden.Sie blickte erschrocken zum Fenster. „Habe ich befürchtet“, knurrte siedann, „meine Phantomgefühle trügen nicht. Hoffentlich wird es hier nichtauch noch Winter.““Kaum, das wäre ein Jahrhundertereignis. Doch Sturm und Regen sind um dieseJahreszeit leicht möglich und unangenehm genug. Warten wir ab“,beschwichtigte er dann. „Sind die Phantomprobleme noch da?“Sie schüttelte den Kopf. „Sie sind weg.“ Dann hob sie die Decke und sahnach ihrem Frosch. „Dem geht es jetzt wieder gut, der hat es schön warm“,schnurrte sie.“Hast Du mitgekriegt, dass er abgedeckt vorhin eine Kerze gemacht hat?““Wie?““Bevor Du aufgewacht bist, stand er gerade nach oben.“Sie sah Gregor verwundert an, legte sich auf den Rücken und hob ihrenStumpf. „So?“, fragte sie.“Nein, noch höher, im rechten Winkel und ein wenig nach aussen.“ Dann hattesie diese Position, hielt sie und dachte nach. Ist mir noch nieaufgefallen, dass ich ihn so halte, ist aber nicht unangenehm.““Macht er das von selbst?““Ich weiss nicht“, überlegte sie nachdenklich. „Möglich ist vieles, daweiss man nicht genau Bescheid. Es könnte vielleicht Zusammenhänge zufrüher geben, zur Gewohnheit etwa, im Bett oder beim bequem Machen auf derCouch das rechte Bein stark angewinkelt aufzustellen, aber der Grund kannauch ganz ein anderer sein.““Im rechten Winkel?“, fragte er zweifelnd.“Nun ja, der Rest der Muskulatur des Beines ist oft überreagierend, da dieHebel weitaus kürzer sind als früher. Den Frosch hebe ich deshalb auch vielrascher als das Bein daneben, und wenn es gleich schnell aussieht, ist oftder Trick dahinter, ihn an den linken Schenkel zu pressen.“ Sie blicktewieder unter die Decke. „Ausserdem gefällt es ihm generell in der Beuge. AmAnfang musste ich im Spital immer auf dem Bauch liegen, damit er dabeidurchgestreckt wurde. Um ihn ganz gerade neben dem Bein zu halten, muss ichnoch immer an daran denken, um es zu tun.““Wenn Du stehst, hältst Du ihn leicht nach vorne gebeugt.““Ja, das tut er von selbst.““Und wenn er zuckt?““Das habe ich auch nicht unter Kontrolle. Meist sind es Befehles desKopfes, die ich nicht wahrnehme, an das Bein, das nicht mehr da ist. Wartemal.“ Sie schob die Decke hinunter, lehnte sich dann konzentriert mitgeschlossenen Augen zurück und dann zuckte der kurze Schenkel.“Was hast Du gemacht?“, fragte er.“Ich habe versucht, das rechte Bein über das linke zu schlagen, was ichfrüher sehr gerne und oft getan habe.“ Sie seufzte mit einem Anflug vonBetrübtheit: „Diese Gewohnheit habe ich am Anfang sehr vermisst und ichvermisse sie noch immer.““Eine Beinhaltung, die Frauen viel häufiger haben als unsereins“, ergänzteGregor, den noch immer das auf dem Bauch Liegen beschäftigte. „Du liegstoft auf dem Bauch, kommt das vom Liegen im Spital?“, fragte er.“Nein, ich bin immer schon gerne seitlich auf dem Bauch gelegen, mich mitEllbogen und zur Seite weg gespreiztem Bein abstützend. Ich musste michsogar erst daran gewöhnen, dass dies nach der Amputation anders war alsvorher. Der Frosch ist ja viel kürzer.““Ziemlich komplex, die Vorgänge des Andersseins, eigentlich viel mehr einAnderswerden“, meinte Gregor und deckte sie wieder zu.Sie drückte sich wieder an ihn und begann, ihren Frosch langsam an seinenPenis zu reiben. Er delektierte sich an der weichen Massage, bis dieErregung in ihm hoch zu kochen begann. Dann begegneten sich ihre lustvollenBlicke. „Komm“, flüsterte sie, „rutsche bitte ein bisschen hinunter.“ Sielegte sich auf ihn, wobei sein Schwanz vor ihrem Mund und ihre Mitte vorseinem zu liegen kam. Mit Zungen und Zähnen querten sie die Wollust undliessen erst locker, als zuerst er und dann sie die Stromstösse hinter sichhatten. Zsuzsa hüpfte ins Bad und als sie wiederkam, kletterte sie auf ihn.Versonnen streichelte sie seine mässig behaarte Brust und knabberte dann anseinen Kirschenkernen, Er ergriff die ihren und tat es ihr gleich. Bald kamdas Verlangen wieder. Er rollte mit ihr zur Seite und sie führte sein Glieddorthin, wo es sich neuerdings am wohlsten fühlte. Sie genossen dasVerbundensein in der ungestörten Seitenlage, kamen in kreisendenBeckenbewegungen völlig aus dem Häuschen und erlebten einen wundervollenHöhepunkt. Dann lagen sie lange erschöpft nebeneinander.Es war gegen elf, als sie aus den Federn krochen. „Wunderbar“, meinte er,“da geht sich nach der Morgentoilette auch noch ein später Cappuccino aus,ehe wir zu den Bertalani fahren.“ Sie duschten gemeinsam und werkelten dannnebeneinander vor dem grossen Spiegel des Waschtisches.“Einige Sachen, die ich gestern gekauft habe, lassen sich bestens zu einemkleinen Schwarzen kombinieren“, sagte sie während sie ihre Zöpfchen flocht,“die ziehe ich jetzt an.“ Als sie in die Unterwäsche schlüpfte, sah er siegeniesserisch an. Sie bemerkte es und freute sich still darüber. Zum neuenschwarzen Rock zog sie das gleichfarbige Top aus dem Coin an, darüber dieasymmetrisch geschnittene ärmellose Bluse.“Sehr schick“, meinte er anerkennend und sah mit Wohlgefallen, dass siedazu neben schwarzer Bestrumpfung die neue schwarze Sandale wählte. Sieverschob ihre Krücken auf die zum Schuh passende Länge und wechselte dieblauen Überzüge ihrer Krückengriffe gegen schwarze. Gregor warf sich auchdezent in Schale, mit fliederfarbenem Hemd, schwarzer Hose, schwarzenSchuhen, seinem schönen blauen Sakko und dazu eine Krawatte in dezentemWeinrot.Zsuzsa stand mit fragendem Blick vor ihm. „Elegant, sehr chic, vollakzeptiert“, sagte er. „Dreh Dich mal um“, meinte sie mit prüfendem Blickauf seine Kleidung und sagte dann: „Sehr schön, genehmigt.“Sie verliessen das Hotel, und suchten eine Bar für den Morgenkaffee. DerWind fegte um ihre Ohren und es war spürbar kälter als am Vortag. Nacheinigem Suchen fanden sie eine Bar am Rande des Hauptplatzes, ganz in derNähe des Denkmals von Palladio. Als sie schliesslich ihren Cappuccinoschlürften, fragte er: “ Wie geht es Deinem blauen Fleck? Ich habe heutegar nicht nachgesehen.““Er ist kleiner, heller und noch weniger druckempfindlich als gestern“,meinte sie zufrieden.“Na, bis Du heiratest, ist es sicher wieder gut“, entfuhr es ihm gutgelaunt.Sie grinste ihn an: „Sieh Dich vor“, sagte sie dann. Zsuzsa starrtegedanklich abwesend auf die Reihe von Schnapsflaschen vor ihr und meintedann zärtlich: „Ich bin so froh, dass ich mit Dir über alles reden kann,was meine Lage betrifft. Ich habe das Gefühl, Dich interessiert auchwirklich, wie es mir geht. Das macht mich stärker.“ Und nach einer Pause:“Meinst Du das, als Du gestern davon gesprochen hast, die Situation zuteilen?““Auch. Ich habe das Gefühl, eine andere Welt betreten zu haben und habeLust, mich darin zurechtzufinden und in ihr zu verweilen. Ich merke, dasssogar meine Sprache nicht ausreicht, komme mir manchmal in meinem Denkenblöd vor, muss mich an neue Worte gewöhnen und mit neuen Umgangsformenzurechtkommen.““Du bist auch gut im Finden neuer Worte, verstärkte sie, „der Kleine, wieer jetzt heisst, ist Dir beispielsweise sehr dankbar.“ Sie hatte ihn aufdem Krückengriff liegen und fuchtelte grinsend vor ihm mit ihm herum. Beidelachten.“Was meinst Du mit neuen Umgangsformen?“Gregor zögerte. „Ganz einfache Aspekte des Alltags, wie die Hilfe im Bad,dann Schönes, was nur jemand wie Du tun kann, wie vorhin die wunderbareMassage. Ich muss auch lernen, dass manches nicht möglich ist, wenn Du anKrücken gehst, wie beispielsweise auf der Strasse Hand in Hand zu gehen.““Das lässt sich aber regeln“, meinte sie. „Es funktioniert zwar mit einerAchselkrücke besser, aber es geht auch so. Ich zeige es Dir später.““Wieder ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit, offen mit dem Andersseinumzugehen“, meinte er verblüfft, „Ich hätte Dich auch fragen können, ohnegleich in meinen Annahmen schmorend anzunehmen, dass Händchen Halten beimSpaziergang nicht möglich sei. Bin gespannt darauf.“ Dann zahlten sie ihreKaffees und machten sich auf den Rückweg zum Hotel.Vor dem Denkmal von Palladio stand nun starr eine lebende Figur mit weissbemaltem Gesicht, grosser Kappe und hautengem goldfarbenem Overall. „Schau,ein Clown“, meinte Zsuzsa.“Das ist ein Pantomime“; korrigierte Gregor, „schade, dass wir keine Zeitmehr haben, ich würde gerne ein wenig zusehen.““Was ist der Unterschied?““Pantomime sehe ich mehr als eine Methode der Darstellung der Wirklichkeit,die viel mit Täuschung der Sinne zu tun hat, die Clownerie lebt von derAuthentizität der Figur.“Ich habe beides probiert, die Unterschiede sind doch recht gross.““Wirklich? Davon musst Du mir später mehr erzählen.““Gerne.“ Dann beschleunigten sie ihren Schritt…Als Gregor kurz innehielt und interessiert eine Auslage mit Kaffeemaschinenbetrachtete, schob sich rechts eine Hand in die seine. Zsuzsa standlächelnd neben ihm. Sie stützte sich auf die rechte Krücke, hielt dieandere in derselben Hand und sagte: „Gehen wir.“ Sie gingen weiter inRichtung ‚Due Mori‘. Sie tat sich nicht leicht dabei, brauchte seine Handauch, um sich anzuhalten, aber sie gingen Hand in Hand. Gregor fühlte seinetiefe Zuneigung zu ihr, blieb stehen, umarmte und küsste sie, ehe er sagte:“Du bist die liebste Frau der Welt.“ Sie gluckste vor Freude und presstesich an ihn.Als sie weitergingen, meinte er: „Bin schon gespannt auf unsere Gastgeber.Die leben ja auch in der neuen Welt, in der ich mich jetzt bewege.““Ich bin auch neugierig“, pflichtete sie mit geringeren Erwartungen bei.Die meisten Amputierten, die sie kannte, gingen ihr nämlich gehörig auf denWecker. Sich fallen zu lassen, was viele taten, war nicht ihre Art. Abervielleicht war es in Italien anders.An der Rezeption des Hotels war der Portier in ein Gespräch mit einemsorgfältig gekleideten älteren Herrn vertieft, der eine Kappe in der Handtrug. Der Portier deutete mit dem Kopf auf die beiden, worauf sich derUnbekannte ihnen zuwandte und sie auf Deutsch begrüsste. „Ich heisseCesare, und werde Sie zu den Herrschaften bringen.“Zsuzsa war verblüfft. Ohne Kappe hätte sie ihn gut und gern auch für ihrenGastgeber halten können. Dann marschierten sie zum Auto, einem BMW derNobelklasse. Cesare half ihr fürsorglich beim Einsteigen und dann versanksie neben Gregor im weichen Ledersitz des Fonds. „Na bum“, flüsterte er,“heute wird es ganz edel.“ Zsuzsa musste grinsen. Seine Wiener Färbung derdeutschen Sprache gefiel ihr, und sie dachte vergnügt daran, dass sie durchdas Zusammensein mit ihm davon was abkriegen würde.“Sie sprechen gut deutsch“, sagte Gregor zu Cesare und griff durch Zufalldasselbe Thema auf, um den Small Talk in Gang zu bringen.“Ich war als junger Mann zehn Jahre lang in Deutschland, um zu arbeiten, inAachen. Und woher sind Sie?“, fragte er zurück.“Ich bin Österreicher, aus Wien, meine Freundin ist Slowakin, erläuterteGregor.“Das wird den Comte sehr freuen, er liebt Österreich, Wien ganz besonders.Die Herrschaften machen jedes Jahr Urlaub in Österreich, weil es dort imSommer kühler ist als in Italien. Auch in die Slowakei hat erVerbindungen.“Sie fuhren raus aus der Stadt und hinein in die Hügel, die südlich von ihrlagen, Nach etwa zwanzig Minuten bog das Fahrzeug nach rechts in eineZufahrt ein, die von hohen Zypressen gesäumt wurde. Am Ende war ein grossesGittertor, das sich lautlos öffnete, als das Auto darauf zufuhr. Vor ihnenlag eine Villa mit von grossen Säulen getragenem Vorbau.“Der Architekt hat offenbar von Palladio gelernt“, vermerkte Gregor.Cesare schüttelte den Kopf. „Der Architekt war Palladio, zumindest stammendie Pläne für dieses Bauwerk von ihm.“ Dann stieg er aus und half Zsuzsabeim Aussteigen, lief um das Heck des Wagens herum, um auch Gregor zuassistieren. Der fand dies etwas übertrieben und lächelte etwas gequält,als er „grazie“ sagte.Sie schritten eine breite Stiege hinauf und betraten ein grosses Foyer. EinMann kam mit freundlichem Gesicht auf sie zu. „Ich bin Comte Bertalani,herzlich willkommen“, sagte er auf Deutsch und gab beiden die Hand. Gregorstellte zuerst Zsuzsa und dann sich selbst vor. Der Comte blickte erfreut.“Nun, das wird sicher eine interessante Konversation. Bitte kommen sieweiter, meine Tochter ist schon sehr gespannt auf ihren Besuch.““Wir sind es auch“, erwiderte Zsuzsa und Gregor ergänzte charmant:“Eigentlich ein blind date.““Könnte man sagen“, schmunzelte der Comte und ging dann voraus in denSalon.“Laura, die Gäste“, rief er. Eine junge Frau sass in einem grossenKorbsessel und lächelte den Eintretenden zu. Sie hatte ein schönes, sehrausdrucksstarkes Gesicht mit einem Anflug von Traurigkeit, eine ausgeprägteNase und grosse Lippen. Die Augen waren bernsteinfarben mit grossenWimpern, ihr Haar war lang und dunkelbraun, hinten zusammengeknotet, wasihr einen etwas strengen Eindruck verlieh.Sie hatte ein sandfarbenes Kleid an, ihr rechtes Bein war weiss bestrumpft,vom linken war nichts zu sehen. Gregor fand sie aussergewöhnlich schön undein fehlender Fuss war seit kurzem für ihn keine Neuigkeit mehr. Sie standauf, balancierte auf ihrem Bein und gab beiden die Hand. Zu Zsuzsa sagtesie: „Ich freue mich sehr, dass Du gekommen bist, wir sind jaSchicksalsgefährtinnen.“ Sie blickte an ihr hinab, sah die schwarze Sandaleund lächelte. „Ich sollte meine auch anziehen“, meinte sie dann.Zsuzsa freute sich über die Begrüssung in Englisch, damit war klar, dasssie auch ohne Übersetzungen mit Laura werde sprechen können. Sieantwortete, dass sie die Einladung mit grosser Freude angenommen hätte undgerne gekommen sei. Gregor schloss sich dem an.Laura lud sie ein, sich zu setzen. Zsuzsa landete im zweiten grossenKorbsessel, Gregor auf einem breiten Ledersofa, während Lauras Vater aufeinem gepolsterten Sessel Platz nahm. „Wie bei einer Besichtigungspause ineinem Museum“, dachte Gregor, als er sich umblickte. Überall hingen grosseBilder an den Wänden, in einer Ecke stand eine Skulptur mit einemweiblichen Torso, ähnlich der Venus von Milo und wahrscheinlich auch echt.Er meinte dann, dass hier alles wunderschön sei, der Park, die Villa unddieser Raum.Der Comte lächelte und sagte dann: „Das Werk vieler Generationen, ein alterFamilienbesitz.““Ich habe gehört, Palladio hatte hier seine Hände im Spiel.““Ja, der Entwurf stammt tatsächlich von ihm, leider starb er zu früh. Einerseiner Schüler hat den Bau dann ausgeführt.““Der Kasten ist manchmal etwas mühsam“; warf Laura ein, „Die Leute bautendamals mehr an der Fassade als an Nützlichem im Inneren. Was aber nichtheisst, dass ich die Villa nicht mag.““Laura ist der jüngste Spross unserer Familie, unsere Zukunft.“ Gregorspürte, dass der Comte ein wenig provozieren wollte.“Eine etwas ramponierte Zukunft“, liess sie prompt verlauten.“Was ist Dir zugestossen?“, fragte Zsuzsa mit Blick auf Lauras leere linkeuntere Seite.“Ein Unfall“, sagte sie.“Meine Frau war eines Tages mit Laura nach Padua unterwegs, um Besorgungenzu machen. Ein entgegenkommendes Lastauto streifte ihren Sportwagen, siekam ins Schleudern und raste gegen das Ende einer Leitschiene. Sie warsofort tot und Laura, damals vierzehn, kam viele Monate später mit einemBein wieder nach Hause“, erzählte der Comte.“Mir fehlt seither das ganze Bein bis zur Hüfte“, ergänzte sie und fragtezu Zsuzsa gewandt: „Wie war es bei Dir?“Zsuzsa erzählte von ihrem Unfall und ihrer Amputation auf Raten. „Das warvor zwei Jahren“, schloss sie ihre Sc***derung. „Bei mir werden es in Bäldesieben Jahre her sein. Gehst Du immer ohne Prothese?“Zsuzsa verneinte und berichtete über ihren Skiunfall. „Ich habe es laufenlassen und die grosse Eisplatte vor der Liftstation übersehen. Dann bin ichetwas unsanft geflogen“, grinste sie.“Du gehst wieder Skilaufen? Du musst mir später erzählen, wie das geht.“Laura wandte sich nun Gregor zu. „Habt ihr Euch schon vor dem Unfallgekannt?“Gregor lächelte und es war ihm eigenartig zumute, als er sagte: „Nein, wirkennen und erst seit zwei Tagen.“ Dann erzählte er ihre Geschichte: dieBegegnung, die Suche nach dem Frühling und die neue Liebe. Zsuzsa hörtevergnügt zu, ihre Gastgeber waren zuerst verblüfft und lauschten dannsichtlich angeregt seinen Ausführungen. „Ich habe mich bis über beide Ohrenin dieses wunderbare Wesen verliebt“; schloss er.Zsuzsa strahlte und warf ihm ein Küsschen zu, ehe sie sagte: „Zukunft ja,ramponiert ist mir seit kurzem zu negativ. Mit Gregors Worten: es geht umeine andere Zukunft.“ Sie sah ihn verliebt an. Er freute sich und er sahauch das zufriedene Lächeln des Comte.Laura mochte es nicht glauben. „Du liebst sie, wie sie ist? So wie ichinkomplett?““Ganz sicher. Sie ist in ihrer Art unglaublich komplett, das habe ich schonbegriffen. Und ich lerne dauernd neue Seiten dieses Komplettseins derbesonderen Art kennen. Ich bin dankbar, das erleben zu dürfen.“Zsuzsa sass da und war wieder einmal nahe am Heulen. Tapfer schluckte sieein Weile und fragte dann Laura: „Du fühlst Dich inkomplett, nicht wahr?“Sie nickte, und fragte dann zurück: „Du nicht?“Zsuzsa schüttelte den Kopf. „Das stimmt nur aus einem bestimmtenBlickwinkel.“ Sie erzählte dann über ihren Weg zum neuen Selbstbewusstseinund die Unterstützung durch ihre Mutter. „Als ich dann am Arlberg diesenlieben Typen da kennen lernte und sich der nicht abschrecken liess, als ermerkte wie es um mich steht, war das die Nagelprobe. Ich fürchtete michmehrmals unheimlich vor dem, was ich da tat, es bedurfte also einigerÜberwindung, dem zu folgen, was mein Kopf schon wollte. Aber Du siehst ja,was dabei herausgekommen ist.“ Sie sprang auf, hüpfte zu Gregor, gab ihmeinen Kuss auf die Wange und kehrte dann zu ihrem Sessel zurück.Laura sass nachdenklich da, während ihr Vater strahlte, aber still hielt.Sie räusperte sich. „Tarnen und Täuschen, wie Du erzählt hast, gehen beimir nicht, ich halte keine Prothese aus, ich hatte auch einen Trümmerbruchder Hüfte. Aber der Rückzug und das Verstecken sind mir sehr geläufig. Ichschäme mich jedes Mal zu Tode, wenn ich in der Stadt zu tun habe.““Dabei bist Du eine wunderschöne Frau“, entgegnete Zsuzsa. Jetzt war Lauraam Heulen und fragte mit belegter Stimme: „Hältst Du Dich vor dem Spiegelstehend aus?“Zsuzsa nickte. „Ich bin anfangs davor gestanden und habe bloss geweint.Aber dann habe ich mich solange hingestellt, bis ich angefangen habe, mirwieder zu gefallen. Und seit vorgestern weiss ich, dass ich mir nichtsvorgemacht habe. Wie schon gesagt: Du musst Dir selber so gefallen, wie Dubist, dann gefällst Du auch anderen.“Laura sass eine Weile nachdenklich da, dann hellte sich ihre Miene deutlichauf. „Ich bin froh, dass ihr gekommen seid. Jetzt weiss ich, was mir dieganze Zeit gefehlt hat: ein Gespräch wie dieses.“ Und zu Gregor meinte sie:“Hoffentlich gibt es mehrere Männer von Deiner Sorte.“Der Comte gab sich nun einen Ruck. Ich glaube, wir sollten in denSpeisesaal gehen, ich höre Mägen knurren“, beendete er sichtlich angetandie Debatte, die ganz in seinem Sinne verlaufen war. Er hatte schon oftdarüber nachgedacht, wie er seine Tochter aus ihrer Ecke herausholen könnteund hatte insgeheim gehofft, eine solche Einladung könnte dabei helfen. Dases aber so kommen würde, hätte er sich nicht träumen lassen.Er ging voraus. „Bitte nach ihnen, meine Damen“, sagte Gregor zu den beidenFrauen, die dann vor ihm her krückten. Auf dem dünnen Stoff von LaurasKleid zeigten sich ihre Umrisse deutlich ab. Sie war ziemlich grobknochig,aber mit einer Topfigur und langem Bein. Sie war mindestens so gross wieer, auf jedem Fall deutlich grösser als Zsuzsa. Ihr Gesäss war rechts sehreinladend, die linke Backe wirkte allerdings sehr schmal. Ausserdem war ihmvorher nicht verborgen geblieben, dass das Kleid vor einer beträchtlichenOberweite spannte. Sie spürte vielleicht seine Blicke, drehte sich um undlächelte ihn an.“Keine Sorge“; lächelte er zurück, „da findet sich bald einer, der sicheine solche Chance nicht entgehen lässt. Vorausgesetzt, er kriegt sie.“Sie strahlte und meinte zu Zsuzsa: „Ist er immer so charmant?“Die dreht sich nun auch um, warf ihm einen ihrer lustvollen Blicke zu undkicherte dann: „Ich weiss nur, dass er in den letzten beiden Tagenumwerfend charmant war.“Alle lachten und betraten den Speisesaal. Uralte Möbel, ein grosser Tischmit vier Gedecken aus edlem Porzellan und vier Sesseln standen in derMitte, wobei vermutlich auch zwölf Gedecke Platz gehabt hätten. An denSeiten des Raumes zwei Anrichten, gegenüber dem Fenster ein grosses Ölbildund darunter ein grosser Diwan. Gregor schloss daraus, dass der Comte eswohl liebte, nach dem Essen ohne weite Wege gleich zu ruhen. Der abernannte ungefragt einen anderen Grund. Er blickte sich um und sagte: „DasSofa haben wir hereingestellt, damit meine Laura sich hinstrecken kann,wenn ihr das Sitzen Schmerzen verursacht.“Die Laune bei Tisch war bestens und Laura lebte sichtlich auf. Das Essentrug dann dazu bei, die Stimmung noch weiter zu heben. Es gab zuerstArtischocken mit Sardellen, dann Bandnudeln mit Ragout vom Feldhasen, einekleine Portion vom Stockfisch und dann Kalbsnierenbraten mit Erbsenreis.Gregor wunderte sich über den Nierenbraten, ausgelöstes Kalbskarree,gerollt mit der Niere darin, eine Speise, die er bisher nur dem Wiener Raumzuordnen konnte. „Das ist ja wie zu Hause“; sagte plötzlich Zsuzsa undmachte so deutlich, dass man weiter östlich diese Köstlichkeit auch kannte.Der Comte lächelte nur und schenkte Wien aus der Umgebung, den ColliEuganei nach. Ein hervorragender Wein, ausserhalb Italiens noch wenigbekannt.Laura hatte viele Fragen an Zsuzsa, besonders auch, was deren sportlicheAmbitionen betraf. Diese sc***derte gerne ihre Erlebnisse, nicht nur, wasdas Skilaufen anbelangte, sondern auch bezüglich Schwimmen undSitzvolleyball, eine Sportart, bei der ein fehlendes Bein durchaus vonVorteil sei, wie sie ausführte. Die Bertalanis reagierten mehrmalsverblüfft. Aber dann war auch Gregor platt, als sie erzählte, dass siegerne wieder Fussball spielen würde, es in der Slowakei im Krückenfussballaber keine Frauenmannschaft gäbe.“Was, diese Sportart gibt es?“, fragte der Comte ungläubig.“Sicher, sogar mit Weltmeisterschaften.““Hast Du früher Fussball gespielt?““Ja, ich war sogar in der slowakischen Unter 21 Auswahl der Frauen. Imlinken Mittelfeld, weil mein linkes Bein für den Fussball begabter war undist. Das letzte Tor habe ich allerdings mit dem rechten Fuss erzielt.“ DerComte räusperte sich. Gregor fühlte auch eine verengte Kehle. Zsuzsa hattemanchmal eine Art, die Dinge direkt anzusprechen, die wie eine Keulewirkte.Laura fand an der Geschichte grossen Gefallen. „Wie wäre es, wenn wir eineMannschaft gründeten? Ich bräuchte allerdings vorher noch mehrereOperationen wegen meiner verdammten Hüfte, die hält das sonst nicht aus.“Ihr Vater sah sie verdattert an. „Sie hat die Reihe der Operationen, dieihre Hüfte stabilisieren sollten, vor Jahren abgebrochen, alles Zuredenhalf nichts“, erläuterte er.“Eine tolle Idee“, meinte Zsuzsa, allerdings den Fussball meinend, „Italienhat im Fussball einen grossen Ruf.““Im Krückenfussball auch?“, meinte der Comte weiter skeptisch.“Weiss ich leider nicht, müsste nachschauen.““Ich kümmere mich um die Informationen“, bot Laura an, „das interessiertmich jetzt.““Andernfalls müssen wir uns mit Sitzvolleyball zufrieden geben, das ist fürAmputierte wirklich ein toller Sport.“ Lauras Miene verdüsterte sichkurzfristig. „An meinen Hüftoperationen führt offenbar kein Weg vorbei“;war ihr Resümee.“Vielleicht brauchst Du nur ein Mieder“, schwächte Zsuzsa ab. „Und eingewisses Misstrauen gegenüber den Künsten der Medizin kann nie schaden.“Laura antwortete mit freudigem Kopfnicken.Dann kamen die Nachspeisen, zuerst ein Käse aus Asiago und dann eineSachertorte mit Schlag. Der Comte freute sich über die Komplimente seinerGäste für die Küche. Er sah insbesondere Zsuzsa gerne zu, wie sie mit vielAppetit ihre Portionen verdrückte. Als Gregor vorsichtig zur Torte meinte,sie erinnere ihn an eine Spezialität aus Wien, beschloss er, ein Geheimniszu lüften.Er habe im ersten Telefonat bemerkt, dass er bei Gregor die typischenFehler, die Deutsche in der italienischen Sprache machen, vermisse. Er habedaher im Hotel angerufen und herausgefunden, woher sie seien. Die Köchinwar glücklich, wieder einmal altösterreichische Speisen kochen zu dürfen,denn Etelka, unsere Perle in der Küche, ist zwar schon fast achtzig Jahrealt, aber noch immer höchst aktiv. „Kochen ist quasi ihr Leben.““Etelka?“ echote Zsuzsa, das klingt sehr ungarisch.““Ist es auch, Sie ist gebürtige Ungarin, die seit sechzig Jahren hier lebt.Sie kam mit meiner Mutter aus Ungarn, als diese meinen Vater heiratete.Meine Mutter war Ungarin.““Ich bin eigentlich auch eine“, liess Zsuzsa nachdenklich verlauten. Gregorsah sie verdutzt an. „Das habe ich Dir noch gar nicht erzählt“, sagte siezu ihm gewandt. „Ich stamme aus der grossen ungarischen Minderheit in derSlowakei, und meine Mutter kann bis heute nicht ihren ungarischen Akzentverheimlichen.“Der Comte feixte. „Dachte ich mir. Meine Mutter hiess auch Zsuzsa. Ich holejetzt mal unsere Küchenfee.“Kurze Zeit später kam er mit einer alten, gebückt gehenden Frau zurück, dieneben ihm her trippelte. Sie begrüsste Zsuzsa gleich mit erstaunlich lauterStimme auf Ungarisch. Die zwei schwatzten daraufhin längere Zeit in dieserSprache und Gregor bewunderte seine Freundin, wie gut sie diese Sprachebeherrschte. Dann meinte Etelka, dass sie schon seit sieben Jahren, seitdem Tod der alten Comtessa, Lauras Grossmutter, auf die Gelegenheitgewartet hätte, mit jemandem in ihrer Muttersprache zu parlieren. Der Comtesei zwar ein wundervoller Mensch, aber von Sprachen hätte er keine Ahnung.Der protestierte lachend und zählte seine Fremdsprachen auf, doch sie bliebdabei: Ungarisch, die Sprache seiner geliebten Mutter, könne er bis heutenicht. „Aber jetzt muss ich Kaffee machen, ihr wollt sicher einen guten imGlas“, meinte sie dann und trippelte wieder in Richtung Küche.Zsuzsa und Laura unterhielten sich sehr angeregt, und zogen sich dann füreine Weile in Lauras Gemächer zurück. Der Comte führt Gregor durch denPalazzo und erläuterte die Kunstschätze, an denen sie vorbeikamen. Erselbst hatte sich auf chinesische Kunst spezialisiert und Gregorbegeisterten die zahlreichen Tonfiguren und Gefässe, die er zu sehen bekam.Dann nahm der Comte ihn zur Seite. „Ich kann ihnen gar nicht sagen, wiedankbar ich Ihnen und ihrer lieben Freundin für den heutigen Tag bin. Ichhoffe jetzt auf die Wende bei meiner Tochter, sie würde sie nach all demSchmerz verdienen.“ Und dann: „Ich würde es sehr gerne sehen, wenn Siewiederkommen würden. Im Sommer beispielsweise, wenn es warm ist oder imHerbst, wenn es neuen Wein und Trüffel gibt.“Gregor bedankte sich gerührt und freudig für die Einladung und sagte zu,dass sie gerne wiederkommen werden. „Im Hotel liegt für euch beide noch einkleines Präsent für heute bereit“, lächelte der Comte dann, „mehr verrateich jetzt nicht.“ Gregor bedankte sich im Voraus, und versprach, dies vorZsuzsa nicht zu erwähnen.Dann trafen sie im Salon wieder zusammen, wo es nach Kaffee duftete undauch eine Flasche Grappa mit Gläsern auf einem Tischchen angerichtet war.Zsuzsa betrachtete die Flasche mit Distanz. „Lieber nicht, das letzte Malwäre danach beinahe fürchterlich gestürzt.“ Gregor liess sich hingegen dieChance auf einen guten Kaffee mit Schnaps nicht entgehen.“Laura hat eine Clownsammlung mit sehr schönen und uralten Utensilien, auchClownpuppen und eine Photosammlung, erzählte ihm Zsuzsa.Gregor wurde hellhörig. „Magst Du Clowns?“, fragte er sie.Sie strahlte. „Ja, wirklich gerne. Ich ziehe mich oft zurück, um mich mitder Sammlung, mit der mein Grossvater begonnen hat, zu beschäftigen.Möchtest Du sie sehen?“ Gregor nickte dann bat sie ihn nach oben, um ihmihre Schätze zu zeigen.Zsuzsa und der Comte, blieben im Salon, an ihren Tassen mit dem Kaffeenippend. „Ich bewundere Sie“, meinte der Comte, „ich habe ein Faible fürstarke Frauen. Sie erinnern mich an meine Mutter, in der Statur, imAusdruck, in der Sprache.“Zsuzsa wurde rot bis hinter die Ohren. „Danke“, stotterte sie, „ich fühlemich geschmeichelt.“Der Comte seufzte. „Genau diesen Satz verwendete sie auch oft. Sie warübrigens aus dem ungarischen Teil der Slowakei.““Woher?““Aus Miklos, einem kleinen Ort südlich des heutigen Kosice.““Haben Sie noch Kontakte?““Wenige, es gibt noch Verwandte, die jetzt in Kosice leben, aber wir sehenuns fast nie, nur zu grossen Geburtstagen und Begräbnissen.“ Nach einerWeile wechselte er das Thema. „Mit Ihrem Freund haben Sie offenbar eingrosses Los gezogen.“Sie sah zu Boden. „Ich weiss es, und möchte ihn auch nie mehr auslassen.“Der Comte schmunzelte. „Ich bin sicher, Ihnen wird dies gelingen.“ Zsuzsawurde wieder rot und lächelte verlegen.Er blickte auf, weil Laura und Gregor wieder zurückkamen. „Wirklich einetolle Sammlung“, betonte dieser. „die wäre eine Ausstellung wert.““Mich beschäftigt Deine Frage, die Du oben gestellt hast: ob ich ein Clownbin“, meinte Laura nachdenklich zu Gregor gewandt. „Sagen wir so: ich wäregerne einer.““Na, dann solltest Du eine Antwort herbeiführen und ein einschlägigesSeminar besuchen“, empfahl er.“Gibt es so was?““Ja, ich habe schon an etlichen Seminaren teilgenommen.““Was geschieht dort?““Du lernst, authentisch zu sein, also Laura pur, ohne Maske, ohne Panzer,ohne Zutaten.““Dann wäre ich also ein amputierter Clown?“Gregor grinste. „Das wäre einmal etwas Neues. Ein weiblicher Clown miteinem Bein.““He, cool“, meinte sie.“Was geschieht in so einem Seminar?“, fragte Zsuzsa, ihre Neugier nichtmehr im Zaum haltend.“Es gibt verschiedene Aufgaben, die einem helfen, die einfachen Aspekte desindividuellen Handelns zu bemerken, zu fühlen und zu gestalten. Es sindzunächst die Selbstverständlichkeiten der Präsentation der Person, wieTempo, Rhythmus, Raum und Aura, die auf der Bühne ins Licht gerückt undbearbeitet werden. Ein Beispiel. Wir haben aus verschiedensten Gründen dieTendenz, unser Handeln zu beschleunigen. Wir agieren in der Regel viel zuschnell und zu hektisch. Dadurch geht die Wirkung unserer Anwesenheitverloren und wir verkaufen uns weit unter unserem Wert. Eine ganz einfacheÜbung macht dies auf verblüffende Weise deutlich.“ Gregor stand auf. „JederAuftritt hat drei Punkte: den Auftrittspunkt, an dem wir im Raumerscheinen, den Aktionspunkt, an dem wir unsere Aufgabe erfüllen und denAbgangspunkt, an dem wir uns verabschieden. Die angesprochene Übung zwingtuns zunächst dazu, dieses Dreieck zu bemerken und ernst zu nehmen, wasvielen schon sehr schwer fällt. Dann wird man mit der Aufgabe, sich amAktionspunkt vorzustellen, also etwa zu sagen: ‚Ich bin Zsuzsa‘, vor demTrainer und den anderen Seiner Teilnehmenden ins Dreieck geschickt. Währenddie jeweils agierenden der Meinung sind, sie hätten dabei ein angemessenesTempo, ist das Urteil des Publikums vernichtend: viel zu schnell. Erst wennman aufgefordert wird, so langsam zu agieren, dass man selbst den Eindruckgewinnt, ‚dies sollte ich dem armen Publikum nicht antun‘, kommt in derRegel von den Zusehenden das Feedback, dass nun endlich das Tempo halbwegsgestimmt hätte. Das ist der Beginn der Erfahrung des Verlangsamens, das fürClowns zum Credo ihrer Arbeit wird, aber auch für alle anderen Leute dieBasis gelungener Auftritte darstellt.““Das ist steil“, meinte Laura, von heftigem Nicken Zsuzsas begleitet, „Kaumzu glauben, dass man da so neben dem Gleis steht.“Und Zsuzsa ergänzte: „Ich finde, das wäre auch was für uns.“Gregor feixte. „Und ob. Wenn Du auf der Bühne stehst, musst Du erst einmalaushalten, dass Du so bist, wie Du bist. Die Zuschauer sind wie derSpiegel, von dem ihr vor dem Mittagessen gesprochen habt. Gut ist man nur,wenn man nicht durch das Dreieck stolpert, nicht die Punkte entlang hastet,keinen Punkt auslässt und auch nicht davonrennt.“Zsuzsa machte grosse Augen. „Das erinnert mich an meine Aktion mit demUmziehen im Zug.“ Gregor blickte sie überrascht an.“Das stimmt, allerdings würde in einem solchen Seminar am Anfang niemandvon Dir erwarten, dass Du Dich mit dem nackten Frosch auf denAuftrittspunkt stellst, wie Du es im Transalpin selbst von Dir verlangthast. Das wird erst viel später Thema, wenn die Arbeit an den Makelnvoranschreitet und die Mutproben diffiziler werden“, erläutert Gregor.“Deine Aktion im Zug war gewaltig.““Ich habe dann am Schluss geglaubt, ich komme um vor Angst“, schauderteZsuzsa. Und zu ihm gewandt: „Du meinst es war zu viel auf einmal?“Zuviel nicht, aber sehr viel“, befand er.Was bedeuten Makel?“, fragte Laura.“Ich glaube Du hast einen, der nicht zu übersehen ist“, lächelte Gregor.“Das unterscheidet Dich von vielen anderen, deren Makel weniger offenkundigoder weniger leicht zu identifizieren ist, die ihre auch leichter verbergenkönnen oder glauben, dies zu können. Jeder Mensch hat seine wirklichen odervermeintlichen Schattenseiten und die gängigen Umgangsformen in derGesellschaft legen nahe, diese zu verstecken und nur die so genanntenSonnenseiten zu präsentieren. Clowns hingegen sind nur gut, wenn sieimstande sind, sich ganz zu präsentieren. Entweder sie sind, wie sie sindoder sie sind nicht gut. Davon können wir alle eine Menge lernen.““Das stimmt“, pflichtete Laura bei. „Die schönste und ganz stark berührendeClownszene, die ich je gesehen habe, ist von dem Russen Oleg Popow. Erversucht tolpatschig, einen Sonnenstrahl einzufangen, präsentiert dabeialle Schwächen und zieht damit das Publikum in seinen Bann. Zum Heulenschön.“ Dann stutzte sie. „Wie wäre es Laura,“ sagte sie zu sich selbst,“wenn Du das einmal auf Dich anwenden würdest?““Ich glaube, wir brauchen so ein Seminar, wie kommen wir zu einemsolchen?“, fragte Zsuzsa, zu Gregor gewandt.“Ich darf seit kurzem Basisseminare machen, wenn ihr wollt, spendiere ichEuch eines“, bot er an. „Es sollten aber nicht weniger als sechs bis achtLeute teilnehmen, sonst wird das Feedback mager.““Die werden wir finden, da bin ich sicher“, warf Laura ein.“Und ich biete Euch an, das Seminar in Vicenza zu machen“, sagte der Comte,“ihr könnt hier wohnen und ich organisiere das Theater.““Papa, Du bist toll“, schwärmte Laura. Auch Gregor und Zsuzsa strahlten.“Abgemacht“. Als Zeitpunkt fassten sie Pfingsten ins Auge, um einerseitsgenug Spielraum für die Organisation zu haben und andererseits nicht zuvielZeit verstreichen zu lassen.**********Dann schwatzten sie über vielerlei und kamen auf das Studium der beidenFrauen und den Beruf Gregors zu sprechen. Laura studierte Psychologie inPadua, wohnte aber auch die Woche über zu Hause bei ihrem Vater. Sie hatteein Auto, mit dem sie jeden Tag hin und her fuhr. Nachdem sie auchausführlich über Zsuzsas Studium und Gregors Arbeit gesprochen hatten,kamen sie auch nochmals auf Themen des Andersseins zurück. Sie erheitertensich an skurrilen Episoden, ärgerten sich über diverse Ereignisse, bis derComte zum Schlusswort kam: „Das Anderssein fällt uns wie allen anderenschwer. Es ist das nicht Normale, mit dem wir uns mehr beschäftigensollten, aber dem wir uns erst dann widerwillig nähern, wenn es uns selbstoder unsere Angehörigen trifft. Aber die Konfrontation damit ist wichtig,ich habe schmerzvoll gelernt, sie zu schätzen. Man wird stärker,selbstbewusster und reifer, was ja wie bei mir auch im fortschreitendenAlter nicht schaden kann.“ Er grinste viel sagend dabei und meinteabschliessend, dass heute ein Tag sei, an dem er besonders viel gelernthätte. Die anderen nickten zustimmend.Draussen prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben. „Du lieber Himmel,jetzt ist das Sauwetter endgültig da“, murmelte Zsuzsa, „Ich habe esgestern schon gespürt.““Ich auch“, pflichtete Laura bei, „Immer diese lästigen Phantomschmerzen.““Kannst Du laut sagen“, bestätigte Zsuzsa.“Wenn es so regnet, können wir uns morgen den Besuch der Rotonda in dieHaare schmieren“, knurrte Gregor.“Am besten, Cesare fährt mit Euch auf dem Weg in die Stadt dort vorbei,dann könnt ihr wenigstens einen Blick darauf werfen“, schlug der Comte vor,als sie sich zur Verabschiedung bereit machten. Sie tauschten noch ihreDaten aus und begaben sich nach herzlichen Umarmungen zum Auto.“Bis gleich“, rief Laura nach.“Was hat sie?“, fragte Zsuzsa ihren Georg. „Sie tut so, als würden wir unsheute nochmals treffen.““Ich weiss auch nicht, keine Ahnung.“Cesare fuhr die beiden in die Stadt zurück. Es regnete weiterhin und derWind trieb die Blätter des vergangenen Herbstes vor sich her. Dann bogCesare von der Hauptstrasse ab, durchfuhr ein kleines Tal und dann rumpelteder Wagen weiter auf eine Anhöhe hinauf, auf der eine grosse Villa thronte.“Die Rotonda“, rief Gregor erfreut. Sie stiegen trotz des schlechtenWetters kurz aus, Cesare hatte zwei Schirme mit, einen gab er Gregor, denanderen hielt er über Zsuzsa, und führte sie in den Garten der Villa. Sieumrundeten das grandiose Bauwerk, dessen Säulenfronten an antike Tempelerinnerten und bestaunten es ausgiebig, nachdem sie in einenwindgeschützten Winkel eines Nebengebäudes geflüchtet waren. Dann gingensie zum Auto zurück.“Jetzt auch hier“, murmelte Zsuzsa, pikiert durch die Heckscheibe denwolkenverhangenen Himmel betrachtend. „Wind, Regen und Kälte sind genausoungemütlich wie ein Schneesturm“, heizte Gregor den Unmut an. Bald warensie beim Hotel angelangt und verabschiedeten sich von ihrem freundlichenFahrer.Als sie das Hotel betraten, winkte sie der Mann an der Rezeption zu sich.Er überreichte Zsuzsa ein Kuvert und sagte zu Gregor, dass dieses für sieabgegeben worden sei. Zsuzsa klemmte die Krücke unter den Frosch, bekam dieHand frei und riss das Kuvert auf. Darin waren zwei Theaterkarten und einBrief. Der Brief war auf Ungarisch und besagte laut Zsuzsas Übersetzung,dass dies eine Einladung zum Arienabend im Teatro Olimpico sei. Der Comteund Laura würden sich auf das Wiedersehen am Abend sehr freuen. Die Kartenlägen bei. Zsuzsa liess die Krücken fallen und warf sich Gregor um denHals. Der Mann an der Rezeption stand verlegen daneben und grinste.Offenbar hatte er ihr Interesse an Karten für das Bartoli – Konzert beimFahrer oder beim Comte direkt deponiert und damit auf elegante Weise seinVersprechen, sich um die Sache zu kümmern, eingelöst. Zsuzsa hüpfte um dasPult der Rezeption herum und gab auch ihm einen Kuss. Er strahlte undstrahlte weiter, als Gregor einen Zwanziger über das Pult schob. Dann hobGregor die Krücken auf und reichte sie seiner Freundin. Sie liefen vergnügtdie Treppe hinauf und betraten ihr Zimmer.Zsuzsa liess sich aufs Bett fallen und streckte ihm die Arme entgegen. Erglitt auf sie und sie schmusten lange. Dann frohlockte sie: „Wir gehen insKonzert, wir sehen die Bartoli, ich bin völlig aus dem Häuschen.““Das wird sicher ein toller Abend“, bekräftigte Gregor. Beide standenauf… „Da sieht man, was rauskommt, wenn ein ganz armes Mädchen für seineinziges Beinchen einzelne übrig gebliebene Schuhe findet“, grinste erdann.“Ich glaube, Du möchtest zu Hause bleiben“, drohte sie mit gespielterEntrüstung, ihre Sandale in der Hand schwingend.Dann begannen sie mit den Vorbereitungen für den Abend. Zuerst duschten siegemeinsam, dann beobachtete er sie interessiert beim Schminken. „Gefällt esDir, wie ich mich anmale?“, fragte sie.“Sehr gut sogar, Du schminkst Dich sehr dezent, das passt gut zu Dir.““Kommt das in den Clownseminaren auch vor?““Klar, Du sitzt stundenlang vor dem Spiegel und arbeitest an DeinerMaske.“ Sie grinste keck. „Möchte Dich gerne in Deiner sehen.““Die ist nicht aufregend, Männer tun sich beim Schminken meist schwer.“Dann begann er seine Haare zu föhnen, während sie sich ihren Nägelnzuwandte. Sie waren mit grosser Sorgfalt bei der Sache und es dauerte eineWeile, bis sie aus dem Bad kamen.“Ich werde mein neues Kleid ausführen“, bestimmte Zsuzsa.“Auch die Strapse?“ fragte Gregor.Sie schüttelte den Kopf: „Leider nein, es ist zu kalt draussen. Ich möchtemich nicht verkühlen.““Schade“, meinte er betrübt, „aber es ist so sicher richtig.“Sie überlegte. „Meine dunkelblaue Strumpfhose, der neue Schlüpfer indunkelblauem Leder,… „“Den neuen Body darunter“, schlug Gregor vor.“Ja, das geht“, nickte sie und warf sich in die Schale.Gregor war froh, dass er seinen anthrazitfarbenen Anzug im Koffer hatte. Erhatte ihn oft dabei, um vor Überraschungen wie dieser in Bezug auf seineGarderobe halbwegs gefeit zu sein. Er kombinierte ihn mit einem weissenHemd, das einen Hauch von Rosa aufwies, einer hellen roten Krawatte mitdezentem Tröpfchenmuster sowie schwarzen Socken und Schuhen. Zsuzsa hüpftein der Unterwäsche ins Bad, das Kleid in der Hand. Als sie heraus kam, fandGregor zunächst keine Worte. Alles an ihr passte. Sie hatte das Haar nachhinten gekämmt und an den Seiten mit zwei blauen Spangen befestigt. IhreFingernägel waren blau lackiert und bildeten einen reizvollen Kontrast zuden fingerlosen Handschuhen des Kleides. Dessen schwarze Farbe harmoniertebestens mit dem Blau ihres Beines und ihres Schuhes. Dazu kam ihre schwarzeWolljacke, die sie als Schutz gegen die Kälte noch darüber anziehen wollte.Sie genoss seine Blicke und adaptierte ihre Krücken, damit sie zum flachenSchlüpfer passen würden.“Habe ich ein Glück, dass ich nicht zu Hause bleiben muss“, meinte erbewundernd. Sie lächelte nur.“Was machen wir jetzt bis zum Beginn des Konzertes, wir haben noch fastzwei Stunden Zeit, ein Spaziergang kommt wohl nicht in Frage“, fragte sie.“Am besten wir essen einen Happen im Restaurant gegenüber der Basilika, daspasst stilvoll zum Abend, ist nicht weit von hier und liegt auf dem Weg zumTheater:““Gute Idee, wir müssen nur aufpassen, dass wir uns nicht anpatzen“, meintesie besorgt.Während sie aus dem Zimmer gingen, läutete das Telefon. Cesare war amApparat und bot an, sie wegen des Sauwetters knapp nach acht abzuholen undzum Theater zu bringen. Gregor bedankte sich hocherfreut, bat ihn aber,nicht zum Hotel, sondern zum Restaurant zu kommen. Er sagte zu und gab denRat, dort Pasta e Fagioli zu essen, die italienische Variante derBohnensuppe, die bei den herrschenden Temperaturen besonders bekömmlichsei.Dann verliessen sie das Hotel und eilten zum Restaurant. Gregor hatte ander Rezeption einen Schirm ausgeliehen, andernfalls wären sie sicher nachwenigen Metern schön durchnässt gewesen. Im Restaurant bestellten sie dieSuppe und dann Vitello tonnato, kalten Kalbsbraten mit Fischsauce. „Heutehaben wir den Kalbfleischtag, resümierte Gregor, aber das Vitello jetzt istganz anders als der Nierenbraten zu Mittag und eine leichte Grundlage fürdas Theater danach.Zsuzsa fröstelte. „Am wärmsten wäre es jetzt im Bett“, schüttelte sie sich.“Oder weiter im Süden“, antwortete er. Sie sah ihn lauernd an.“Gregor“, fragte sie dann, „was führst Du im Sc***de?“Er schmunzelte: „Wir fahren weiter, so schnell geben wir uns nichtgeschlagen.“Ihr fehlte jede Lust, sich dagegen zur Wehr zu setzen. „Und wohin?““Rom müsste reichen, ich werde aber auch noch den Comte um Rat fragen.“Sie seufzte und ergriff seine Hand. „Wenn es so weitergeht, kriegst Du michnie wieder los.““Glaubst Du etwa, ich lasse Dich noch aus?“Sie sah ihn mit grossen Augen an und schien nicht einmal zu merken, dassdie Bedienung die Suppe gebracht hatte. Sie drückte fest seine Hand.“Komm, essen wir, ich werde nach dem Konzert im Hotel die Zugverbindungenheraussuchen“, sagte er dann.Ehe sie sich der Suppe zuwandte, drückte sie ihm einen Kuss auf die Wangeund sah ihn vergnügt an: „Auf nach Rom.“Das Essen passte tatsächlich gut zum Abend, ebenso der Prosecco, den siedazu tranken. Auf eine Nachspeise verzichteten sie. Gregor beglich dieRechnung und sie begeben sich zum Ausgang, um dort auf Cesare zu warten.Der kann pünktlich, und brachte sie die wenigen hundert Meter zum Theater.Vor dem Gittertor hatte sich eine grosse Menschenmenge angesammelt, dochCesare lotste sie daran vorbei und brachte sie durch den Seiteneingang insInnere des Gebäudes. Sie gaben ihre Jacken bei der Garderobe ab undstrebten dem Theatersaal zu. Gregor kannte das Teatro Olimpico von früherenBesichtigungen her, war voller Vorfreude und gespannt auf Zsuzsas Reaktion,für die ja alles neu war.An einer Bar vor dem Eingang zum Saal stand grinsend der Comte in einemSmoking und winkte sie zu sich. Sie begrüssten einander, er wehrte denüberschwenglichen Dank der beiden ab und sagte: „Laura kommt gleich.““Habe ich doch gleich gewusst“, tönte es dann hinter ihnen, „wir sehen unsheute noch einmal.“ Sie drehten sich um und vor ihnen stand Laura. Sieumarmten sich stürmisch. Sie war ganz in Schwarz, mit langem Kleid,gestricktem schwarzen Umhang und zierlichen schwarzen Achselkrücken.“Du siehst umwerfend aus“; meinte Zsuzsa zu ihr.“Meine Bewunderung, Comtessa“, sagte Gregor mit einer artigen Verbeugung.Alle lachten, dann blieben Lauras Augen an Zsuzsas Kleid haften. „Wo hastDu den das her?“ fragte sie mit aufkommender Begeisterung.“Aus Vicenza“, antwortete Zsuzsa, „Gregors Geschenk für die erste Nacht.““Das sieht ja super aus, Wo kriegt man so was?“ Gregor beschrieb die Lageder Boutique, in der sie das schöne Stück erstanden hatten und erzählte vonden Hintergründen des ungewöhnlichen Designs.“Dort muss ich hin, das klingt spannend.“ Und zu ihm gewandt meinte siedann: „Geschenk für die erste Nacht? Finde ich cool, ich glaube, ich mussmir auch einen Wiener suchen.“ Gekicher. Der Comte verfolgte das Gesprächin sichtlich guter Laune. Er bestellte Champagner für alle vier underzählte dann: „Stellt Euch vor, meine Tochter hat mich vor dem Weggehengefragt, ob sie gut aussehe. Das hat sie seit sieben Jahren nicht mehrgetan.““Und Etelka hat lobend gesagt, jetzt würde doch noch eine Comtessa aus mirwerden“, grinste Laura. Alle lachten. Dann stiessen sie auf den Abend an.“Was macht ihr eigentlich, fahrt ihr wegen des Schlechtwetters nachHause?“, fragte Laura. Zsuzsa stand vergnügt am Tresen, den Frosch auf dieKrücke gestützt und war nahe daran, mit ihm herumzufuchteln, dann besannsie sich und spielte braves Mädchen, als sie stolz sagte: „Wir fahrenweiter nach Rom. Gregor hat übrigens vorher gesagt, er würde mich nichtmehr loslassen.“Der Comte schmunzelte und sagte zu Gregor: „Hätten Sie eine andere Chancegehabt?“Der feixte: „Ich glaube nicht.““Dachte ich mir.“ Wieder Gelächter, während sie ihn vergnügt in die Seitepuffte.Gregor bemerkte, dass sie irgendwie der Mittelpunkt der Theatergesellschaftwaren, viele Blicke, viele Gespräche, von denen man annehmen konnte, dasssie dem ungewöhnlichen Quartett galten, nirgendwo Ablehnung, viel eherInteresse und Achtung.Dann betraten sie den Theatersaal. Zsuzsa blieb wie angewurzelt stehen undmusterte ungläubig den Raum, der zu den berühmtesten Theatern der Weltzählt. Die Bühne wurde von einer stabilen Konstruktion aus Holz geprägt,die eine alte Stadt zeigt und deren Häuser mit Schnitzereien und mitkunstvollen Bemalungen versehen sind. Raffiniert wurde mit der Perspektivegespielt, es schien, als sei eine ganze Stadt auf der Bühne, dabei waren esnach hinten nur wenige Meter. Vor der Bühne der Orchesterraum, in dembereits ein Kammerorchester Aufstellung genommen hatte und dasZuschauerrund, steil ansteigend wie in einem antiken Theater und keineLehnen an den Sitzen. Zsuzsa war tief beeindruckt. Sie hatten Plätze in derdritten Reihe, dort war die Sicht am besten und die Akustik optimal, wieder Comte betonte. Dann fragte er Gregor, ob das Theater für das geplanteSeminar geeignet sei.Gregor glaubte zuerst, er mache einen Scherz und lächelte nur, aber Laurahakte nach: „Papa hat schon mit seinem Generalsekretär der Stiftunggesprochen, der meinte, er hätte nichts dagegen, insbesondere, wenn seineTochter, die ihm Rollstuhl sitzt, auch daran teilnehmen dürfe.“ Und nacheinem Grinsen: „Das ist in Italien so, obwohl er keine Chance hätte, wennsein Präsident ablehnen würde. Aber ich glaube, es kommt auf Dich an, werdabei sein darf.“Gregor glaubte zu träumen. Er als Leiter eines Clownseminars im TeatroOlimpico, das warf ihn fast um. Er fasste sich aber rasch und meinte: „DasSeminar hier wäre natürlich ein Hammer. Eine Rollstuhlfahrerin passt gutdazu, wenn sie selbst und nicht nur ihr Vater es will. Grundsätzlich glaubeich, dass eine gemischte Gruppe am besten wäre, mit Männern und Frauen,Behinderten und Nichtbehinderten. Vielfalt tut da gut.“Der Comte nickte. „So werde ich es Alfredo sagen“, schloss er.Das Konzert war eine Augenweide und ein Ohrenschmaus. Zuerst Arien vonScarlatti und Salieri, Zsuzsa erinnerte sich an ihre CD, aber hier war dieMusik noch viel eindrucksvoller. Danach folgten Werke von Mozart undRossini, wobei Gregor voll auf seine Rechnung kam. Er liebte die Kraft derOpern Rossinis und die Bartoli brachte jene auch meisterhaft zum Ausdruck.Sie war in bester Form und er legte den Groll ab, den er seit den Absagengegen sie hegte. Sie bekam stürmischen Applaus des Publikums, so dass nichtweniger als acht Zugaben folgten.Am Ende des Konzertes blieb Zsuzsa noch eine Weile still sitzen. „Das warein Erlebnis“, sagte sie begeistert und beide bedanken sich nochmalsnachdrücklich beim Comte für die grossartige Einladung.Sie verliessen das Theater. Der Regen hatte nachgelassen, aber es warweiter windig und kalt. Sie nahmen in einer Bar in der Nachbarschaft desOlimpico noch gemeinsam einen Drink.“Cesare hat sich schlau gemacht, in den nächsten Tagen bleibt es hier so,Rom hat hingegen Frühling, jenseits des Apennin ist das Wetter wesentlichbesser“, berichtete der Comte.Gregor ergänzte: „Ich erinnere mich an eine Osterreise nach Sizilien, dawar bis Bologna ein richtiges Sauwetter, nach dem Tunnel durch die Bergewar es dann Frü“Nichts wie hin“, grinste Zsuzsa.“Ich beneide Euch“, sagte Laura, „aber ich muss morgen wieder an die Uni.““Wir telefonieren“, sagte Zsuzsa und sie nickte bekräftigend. Dannverabschiedeten sie sich, betonend, dass dieser Tag ein optimaler Einstandfür die neue Bekanntschaft gewesen sei, Der Comte sagte Gregor, dass er ihnwegen des Seminars bald wieder kontaktieren werde.Dann gingen er und Laura zum Auto, während Gregor und Zsuzsa die Streckezum Hotel zu Fuss zurücklegten. Beim Vorbeigehen holten sie im Restaurantden Regenschirm ab, den sie im Hotel ausgeborgt, dann im Lokal vergessenhatten, und der noch immer einsam im Schirmständer stand.An der Rezeption liess sich Gregor das italienische Kursbuch aushändigen,während Szuzsa schon die Treppe zum Zimmer hinauf schwang. Er fand eineoptimale Zugverbindung nach Rom über Padua, ab Vicenza um zehn Uhr, inPadua Anschluss an einen superschnellen Eurostar, wie in Italien diesuperschnellen Züge in Anlehnung an den Verkehr unter dem Ärmelkanalgenannt werden, direkt bis Roma Termini. „Also Zeit zum Packen in derFrüh“, stellt er zufrieden fest.Er kündigte dem Mann an der Rezeption ihre Abreise an und bestellte einenWeckruf für halb acht. Der Portier schlug vor, von der Rezeption auselektronische Bahntickets zu buchen, weil sonst die Gefahr bestünde, dassder Eurostar morgens ausverkauft sei, wenn sie erst am nächsten Tag amBahnhof von Vicenza die Fahrkarten nehmen würden. Gesagt, getan. Buchungund Platzreservierung klappten reibungslos, wobei Gregor auch gleich dieRückfahrkarten von Rom nach Verona hinzunahm, allerdings ohne Reservierung.“Das Warten vor italienischen Kartenschaltern dauert oft enervierendlange“; meinte er dann, als er die Belege ordnete und zusammen faltete, „da ist die elektronische Buchung eine grosse Hilfe.“ Der Portier nicktewissend. Dann ging Gregor aufs Zimmer.Zsuzsa stand im Bad, nur mehr mit Body und Strumpfhose bekleidet undhantierte an der Armatur der Badewanne. „Ich möchte noch baden, machst Dumit?“, rief sie. „Ja, Schatz.““Was ist mit der Zugverbindung?“, fragte sie neugierig. Er berichtete überden Erfolg seiner Recherche und die Buchung, was sie sichtlich zufriedenstellte. Sie war nun ganz nackt, während er mit dem Ausziehen begann.Als die Wanne mit Wasser voll war, kletterte sie hinein. „Komm, das Bad istbereit“, sagte sie. Er unterbrach die Lektüre des Konzertprogramms, das sieim Theater erstanden hatten, ging ins Bad und stieg auch in die Wanne.“Das tut gut“, flüsterte er und sie nickte. Sie hob ihren Frosch.“Bin ich froh, dass ich ihn habe, Laura hat keinen solchen wie ich, ihrfehlt das Bein bis zur Hüfte.““War das der Grund Eures Verschwindens?““Nicht der einzige“; feixte sie. „Aber es stimmt, uns hat die Neugiergeplagt.“ Und weiter grinsend: „Mein Frosch hat ihr gefallen.““Hör auf, ich werde sonst eifersüchtig“, meinte er im Scherz.Sie erschrak. „Nein, bitte nicht.“ Er lächelte und streichelte ihren langenSchenkel. Sie schloss die Augen. „Ich möchte treu sein“, murmelte sie dann.Er wunderte sich ein wenig über diese Reaktion, während sie ihn liebevollanblickte und sein Streicheln erste Wirkungen zeigte. Er richtete sich aufund legte sich auf sie. Sie empfing ihn mit der weitesten Spreize ihrerSchenkel, die in der Wanne möglich war. Sie schmusten und dann half sieseinem erigierten Penis in die Scheide, eine Handlung, die allein ihn jedesMal verrückt machte, weil er noch nie bei einer Frau ein so eindeutigesZeichen ihres Willens erlebt hatte.“Ich liebe Dich“, flüsterte er.“Oh Gregor“, keuchte sie, „ich will Dir gehören.“ Dann erlebten sie ihrenersten Höhepunkt unter Wasser, und was für einen. Zsuzsa begleitet ihnlautstark und auch er sparte wieder nicht mit Tönen.Er lag lange auf ihr, ehe sie die Wanne verliessen und das Abtrocknenzelebrierten. Nach der Körperpflege hüpfte sie voraus zum Bett. Als ernachkam, zog sie ihn zu sich und begann, wieder heftig zu schmusen.“Laura gefällt Dir auch, nicht wahr?“, fragte sie dann.Er nickte. „Klar, sie ist eine sehr schöne und kluge Frau.“Er blickte sie an. „Aber es gibt viele schöne und auch viele kluge Frauen,doch nur eine Zsuzsa.“Sie gluckste und drückte ihn heftig an sich. Sie schmusten weiter und erbeschloss, sie wegen der Reaktion von vorhin zu befragen. Sie streichelteihn nachdenklich.“Es gibt neben dem Unfall einen zweiten gravierenden Einschnitt in meinemLeben, und der war, als mein Vater davonlief. Ich war noch ziemlich kleinund mich hat das furchtbar getroffen. Auslöser war meine Mutter mit ihrenVerhältnissen zu Frauen, die er auf Dauer nicht ausgehalten hatte. Ichhatte beide sehr lieb, fühlte mich von beiden, vor allem aber von ihrbetrogen und war ein unglückliches kleines Mädchen, das sich schwor, esspäter anders zu machen. Ähnliche Horrorgefühle hatte ich in meinem Lebennur mehr nach dem Unfall.““Beide Male ein grosser Verlust“, murmelte Gregor. „Deshalb war ich auch soglücklich, als Du sagtest, Du magst keine Gelegenheiten“, ergänzte sie.Er drückte sich an sich und sagte leise. „Gut, dass ich das jetzt weiss.Ich komme nämlich von der anderen Seite. Mein Vater war stets so lieb zumeiner Mutter, dass ich den Wunsch habe, zu meiner Frau auch so zu sein.“Sie genoss mit geschlossenen Augen, was er gesagt hatte, nicht zuletzt dieWorte: ‚meine Frau‘ und würgte an den Tränen. Eine Weile kosten sie sich,wobei er sich in ihre Brüste vertiefte und sie in seine Schenkel.Schliesslich spürte er die sich ihm ausbreitende Müdigkeit und merkte kaum,dass er einschlief. Sie lag noch einige Minuten ihn glücklich streichelndwach, drehte dann das Licht ab und schlitterte auch in den Schlaf.4. TagAm nächsten Morgen war Zsuzsa früh wach, wie immer, wenn eine Reisebevorstand. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es knapp nach sieben war.Sie seufzte, und dachte ans Packen. Sie ging in Gedanken alle Prozedurendurch und kam zum Schluss, dass der Rucksack, wie von Gregor prophezeit,als drittes Gepäckstück unumgänglich war. Sie dachte zufrieden an dieEinkäufe, freute sich über ihre neuen Sachen und über Gregor, der ihr dieschönen Kleidungsstücke und die Schuhe geschenkt hatte. Sie blickte zu ihm.Er lag von ihr abgewendet auf der Seite und schlief noch. Sie hob die Deckeund besah sein ihr zugewendetes Hinterteil. Der Anblick seiner Backenstimulierte sie und sie begann, unter der Decke in die Backen hinein zubeissen. Er brummelte und machte keine Anstalten aufzuwachen. Sie drücktesich an seinen Rücken, streichelte zuerst seinen rechten Schenkel, schobdann ihre Hand zwischen seine Beine hinein und begann, seine Bällchen zukraulen. Er wachte auf. „Hallo Schatz“, flüsterte sie über seine Schultergebeugt, „sollten wir nicht aufstehen?““Wie spät ist es?“, fragte er erschrocken.“Viertel acht.“Er schien erleichtert. „Der Weckruf ist für halb acht bestellt, Kein Grundzur Besorgnis.“ Er küsste sie, was sie veranlasste, seinen Mund nicht mehrloszulassen und ein wildes Geschmuse zu beginnen. Dann glitt sie auf ihn,holte sachte seinen erigierten Penis, leckte dabei genüsslich mit der Zungeüber ihre Lippen und begann ihren Morgenritt.Gregor war glücklich. Er hatte es immer schon gemocht, wenn seine PartnerinInitiativen ergriff, aber gleichzeitig in einem solchen Fall oft innerlicheine gewisse Abwehr verspürt. Doch Zsuzsa tat es mit soviel Zärtlichkeitund Zuneigung, dass er viel mehr aufwachte, das Gefühl hatte, besser zukönnen und schon dabei war, sich gerne an eine grössere Wucht seinerEruptionen zu gewöhnen. Sie war nach einiger Zeit so aus dem Häuschen, dasssie nicht warten konnte. Lautstark nach Luft ringend kam sie und brach aufihm zusammen, während er dann seinen Erguss genoss.Eine Weile lagen sie still aufeinander, dann richtete sie sich auf, blickteihn verliebt an, legte sich wieder auf ihn und murmelte: „Du bist mir einenFleck schuldig.“ Er nahm ihre Hüften, drückte sie auf sich, während ergeniesserisch an ihrem Hals saugte und sie bald wieder in Fahrt kam. Als erlosliess, begann sie ihrerseits an seinem Hals zu knabbern, dabei immerheftiger werdend und den Frosch an seiner Hüfte reibend. Er drang wieder insie ein, sie badeten in der Wonne und kamen noch einmal. „Gregor“,schluchzte sie und wiederholte mehrmals seinen Namen.Es dauerte eine Weile, bis sie bereit waren aufzustehen. Das Telefonklingelte und der Portier fragte, ob sie den Weckruf gehört hätten. Gehörthatten sie ihn, aber es war ihnen auf ihrer Bettreise ins Glück nicht inden Sinn gekommen, den Hörer abzuheben. Gregor bedankte sich über den Anrufund log, als er sagte, sie seine schon im Bad gewesen.Zsuzsa grinste. „Glaubst Du, der hat Dich nicht gehört?““Also wenn hier jemand zu hören ist, dann bist das Du.““Stimmt nicht, Du wirst immer lauter“, beharrte sie.Er gab nach und flüsterte: „Kein Wunder, Du bist unglaublich. Das beginntschon damit, wie Du Dir meinen Schwanz holst, dann die Tiefe Deiner Muschelsowie Deine Art zu kreisen und im Glück zu landen. Ich liebe Dich!“ Siesass still vor ihm und sah ihn mit feuchten Augen an, sprachlos vorZuneigung.Sie standen auf, duschten kurz und machten sich ans Packen, nicht ohne imSpiegel des Waschtisches ihre neuen Knutschflecke begutachtet zu haben.“Der hält sicher bis Rom“, grinste sie zufrieden, hüpfte ins Zimmer undholte zuerst ihren Rucksack aus der Reisetasche.Gregor kam nun auch aus dem Bad, wobei sein Blick auf den grossenBluterguss an ihrer Hüfte fiel. „Der wir wirklich besser, deutlich heller“,kommentierte er.Sie richtete sich auf, besah ebenfalls den Fleck und blickte dann sichtlichangetan: „Er geht wirklich zurück, hättest Du es nicht angesprochen, hätteich glatt vergessen, die Salbe aufzutragen.“ Sie hüpfte nochmals in Bad.Dann läutete Gregors Handy. Eine italienische Nummer schien am Display aufund er nahm den Anruf an. Es war Laura, die schon in Padua war und von derUni anrief. „Ich wünsche Euch eine schöne Reise, kommt gut nach Rom“, sagtesie.“Ich wünsche Dir auch was Schönes“, antwortete er, „Warte mal, da istZsuzsa.“Sie kam aus dem Bad gehüpft und übernahm das Gespräch. Nach der Begrüssunghörte sie ein Weile zu und sagte schliesslich: „Mach das unbedingt, dannsiehst Du ja, ob es läuft. Zum Orthopäden kannst Du ja auch später gehen.“Dann verabschiedete sie sich überschwänglich und gab Gregor das Handyzurück.“Sie war heute Nacht noch im Internet, und hat wegen des Krückenfussballsnachgeschaut. Frauenmannschaften gibt es weder in der Slowakei noch inItalien, höchstens dass vielleicht irgendwo eine Frau bei den Männernmitspielt. Es gibt aber auch in Italien etliche Sitzvolleyballklubs, einendavon in Padua, der gerade eine Frauenmannschaft aufbaut. Dort hat sievorhin angerufen und wurde gleich eingeladen, heute Nachmittag beimTraining vorbeizuschauen.““Das geht ja flott“, meinte Gregor anerkennend. Zsuzsa nickte. „Sie hat nureinen Schubs gebraucht, um aktiv zu werden.“Dann konzentrieren sie sich aufs Anziehen und aufs Fertigpacken. „Ich gebemeinen Schmutzwäschesack in den Rucksack. Willst Du Deinen auch dazutun?“,fragte sie.Er nickte: „Wäre nicht schlecht, mein Koffer quillt bald über.“Sie verstaute auch ihre neuen Schuhe im Sack. „Zwei Paare und vierEinzelstücke, eine tolle Ausbeute“, meinte sie zufrieden. Die Stiefeletteliess sie draussen. „Die ziehe ich heute an“, beschloss sie.Dann warfen sie sich in die Reisekluft. Bei Zsuzsa kam wieder der Jeansrockzu Ehren, diesmal mit der grauen Strumpfhose und einer gelben Bluse aus demFundus ihrer Reisetasche. Gregor hatte nicht ungern gesehen, dass siedarunter ein Höschen und einen Büstenhalter von jenen Dessous trug, die erihr am Samstag im Coin gekauft hatte. Dann schlüpfte sie in die Stiefeletteund adaptierte die Länge der Krücken. Er zog seine blaue Jeanshose und einzart kariertes Hemd, Marke Hilfiger an, das er sehr mochte. Dazu bequemeHalbschuhe und einen dunkelblauen Pullover. Selbstredend hatte er aucheinen Slip aus der neuen Serie vom Samstag an.Zsuzsa befestigte, auf der Bettkante sitzend, ihre Haare mit einem Haarbandzu einem Schweif, während er nur mit den Fingern durch seine Haare fuhr, umihnen Façon zu geben. Sie kontrollierten, ob sie alles gepackt hatten, undGregor entdeckte, dass er beinahe das Programm zum Arienabend vom Vortagauf dem Nachttischchen vergessen hätte. Zsuzsa schob es in eineSeitentasche ihres Rucksacks und dann half er ihr, diesen umzuhängen.“Ich schlage vor, ich kümmere mich zuerst um die Hotelrechnung, dann fahrenwir gleich mit dem Taxi zum Bahnhof und nehmen erst dort in der Bar unserenmorgens üblichen Cappuccino“, verlautete er. Sie war einverstanden.Der Portier grinste, als er sie sah und meinte, er hätte gefürchtet, siewürden den Zug versäumen. Gregor merkte die Botschaft, und musste überdiese Anzüglichkeit schmunzeln. Er beglich die Rechnung und bat, ein Taxizu bestellen.Nach freundlicher Verabschiedung half der Portier, ihr Gepäck im Kofferraumdes Taxis zu verstauen, und war Zsuzsa beim Einsteigen behilflich. Es gossin Strömen und war wie am Vorabend ungemütlich kalt. Auf dem Weg zumBahnhof kuschelte sie sich an ihn und blickte auf das verregnete Vicenzahinaus. „Es war wunderschön hier, ich gehe ungern weg, aber ich weiss, dasswir wiederkommen.“ Und nach einer Pause. „Jetzt freue ich mich auf Rom.“ Ernickte. „Ich auch“, sagte er und küsste sie auf die Wange.Auf dem Bahnhof war reges Leben und vor den Fahrkartenschaltern standenlange Reihen wartender Reisender. „Ein Glück, dass wir schon unsereFahrkarten haben, lass uns gleich zur Bar gehen.“ Sie frühstückten undentschlossen sich, einen früheren Zug als geplant nach Padua zu nehmen, ummehr Zeit für das Umsteigen zu haben.Sie gingen auf den Abfahrtsbahnsteig, auf dem der Zug schon bereit stand.Beim Einsteigen glitt Zsuzsa ab, stiess einen leisen Schrei aus, und verzogdas Gesicht, als sie mit ihrem Knie gegen eine Stiegenkante stiess. Gregorwar gleich zur Stelle, hielt sie fest und half ihr dann den steilenEinstieg hinauf.Im Abteil untersuchte sie das Knie. Unter der Strumpfhose zeigt sich einekleine blutige Schramme, die Hose hatte ein kleines Loch, unter dem eineLaufmasche ihren Weg suchte. Zsuzsa war sauer. „Schade um die Strumpfhose“,tadelte sie. „Am besten, ich ziehe mich gleich um“, knurrte sie, als derZug sich in Bewegung setzte. Gregor half ihr, eine andere Strumpfhose inder Reisetasche zu suchen und sie ging zur Toilette. Als sie wiederkam,hatte sie nun eine hautfarbene Strumpfhose an, unter der man sah, dass sieein kleines Pflaster auf das Knie geklebt hatte. Das leere rechte Bein derHose baumelte herunter.Gregor räusperte sich. „Die hast einen Toilettefehler“, sagte er leise.Sie sah an sich hinab und musste grinsen. „Das passiert mir immer wieder“,meinte sie, als sie das Hosenbein verstohlen in den Bund steckte. Sie besahihr verbliebenes Bein und wurde durch das dünnere und durchsichtigereMaterial der neuen Strumpfhose auf die Häärchen aufmerksam. Sie meinte zuGregor: „Ich muss mein Bein und auch den Frosch dringend von den Haarenbefreien, borgst Du mir in Rom Dein Rasierzeug?““Untersteh Dich“, grollte er, „ich will, dass Dein Flaum bleibt, der machtmich ungemein an.“Sie sah ihn zunächst ziemlich ungläubig, dann sehr belustigt an. „Was habeich denn mir da geangelt!“, kicherte sie. „Einen Dracula, der auf ein armesMädchen mit einem einzigen Beinchen steht, das noch dazu behaart seinmuss.““Autsch“, rief sie dann, denn jetzt war er an der Reihe, sie mit demEllbogen in die Seite zu puffen. „Und bereits am vierten Tag verprügelt ermich“, stichelte sie lachend weiter. Sie gab ihm einen lieben Kuss. „Nagut, wenn es sein muss: die Haare bleiben. Und nichts lieber als das. Denndas Haarentfernen ist eine zeitraubende und keineswegs angenehme Prozedur,auf die ich gerne verzichten kann.““Ausserdem ist für mich Dein anziehender Flaum auf der Haut keineBehaarung“, ergänzte er zufrieden.Draussen zogen schon die ersten Vororte von Padua vorbei, und siebereiteten sich auf das Umsteigen vor. Diesmal waren sie vorsichtiger. Alsder Zug hielt, stieg zuerst er aus und hob das Gepäck auf den Bahnsteighinunter. Dann half er ihr beim Aussteigen. „Dieser Einstieg ist jakriminell, wie eine Hühnerleiter“, ärgerte er sich.Dann gingen sie durch die Unterführung zum anderen Bahnsteig, auf dem derEurostar nach Rom angekündigt war. Gregor suchte auf der Tafel mit denZusammenstellungen der Züge, wo der Wagen mit ihren reservierten Plätzenhalten sollte. Auch hier war ungemein viel Betrieb und an Bahnsteigherrschte dichtes Gedränge. Sie begaben sich zur wahrscheinlichen Haltezoneihres Waggons und beobachteten interessiert das hektische Treiben um sieherum. Wie üblich erregte Zsuzsa beträchtliche Aufmerksamkeit, und sie nahmviele neugierige Blicke wahr. Nicht, dass ihr diese nun egal gewesen wären,aber neben Gregor fühlte sie sich trotzdem wohl, so als wäre dieZweisamkeit mit ihm ein Schutzsc***d gegen das Gaffen.“Tut das Knie noch weh?“, fragte er plötzlich besorgt.Sie schüttelte den Kopf: „Nur ein kleiner Kratzer. Ich hatte zum Glück einPflaster in meiner Tasche.“ Sie blickte an sich hinab. „Trotz des Ungemachsvon vorhin fühle ich mich mit den Krücken sehr wohl. Die Pause beim Tragender Prothese tut sicher gut.““Nun ja, die Kalamität beim Einsteigen in Vicenza könnte Menschen mit zweiBeinen genauso passieren“, ergänzte Gregor.“Ganz sicher, es liegt aber nahe, zu meinen, dass es geschehen sei, weilmir das Bein fehlt“, pflichtete sie bei.“Davon spricht Goffman auch“, nickte Gregor. „Bei Leuten, die einenkörperlichen Makel haben, wird gleich immer angenommen, dass dieser dieUrsache sei, wenn ein Missgeschick passiert.“Er sah ihr zu, wie sie den Frosch auf den Krückengriff legte. „Und dieProthese geht Dir wirklich nicht ab?“, fragte er.“Wie gesagt: ich bin froh über die Pause“, bekräftigte sie. „Ich werdewendiger, mutiger und sicherer. Natürlich macht eine Prothese Sinn, möchteich auch nie auf das Tragen eines Kunstbeines verzichten und bin froh, dassich nicht so dran bin wie Laura. Wenn ich es mir irgendwann leisten kann,hätte ich gerne auch eine bessere Prothese. Aber dauernd nur mit einersolchen herumzulaufen, wie ich es eine Zeitlang getan habe, will ich nichtmehr.“Der einfahrende Eurostar veranlasste sie, ihr Gespräch abzubrechen. Siefanden bald ihren Waggon. Diesmal fiel das Einsteigen deutlich leichter undsie bezogen ihre Plätze in einem Grossraumwagen, in dem die Plätze wie ineinem Flugzeug angeordnet waren. Als der Zug sanft aus dem Bahnhof rollte,blickten sie auf die Häuserzeilen der Stadt. Sie meinte: „Irgendwo dadrinnen ist jetzt Laura:““Du magst Sie, nicht wahr?“Zsuzsa nickte: „Sie ist ein wenig scheu und lebt zurückgezogen, ist aber zumir sehr offen und herzlich. Ich verstehe mich gut mit ihr.““Hast Du zu Hause auch Schicksalsgefährtinnen, wie Laura Euch nannte?““Ja natürlich, aber wenig Kontakte und nur eine Freundschaft, die zu Agata,die ich nach der zweiten Operation in der Klinik kennen lernte und die nacheinem Unfall nur einen Arm hat. Sie lebt in Bratislava, dadurch sehen wiruns selten, telefonieren aber des Öfteren. Am Anfang war ich generell zuanderen Amputierten kontaktfreudiger, habe auch etliche in derRehabilitationsklinik kennen gelernt, aber viel mehr als Depression war dameist nicht; und um meine Taschentücher zu verschneutzen, brauche ich keineKontakte. Gestern war es anders.“Sie dachte eine Weile nach. „Was sagst Du übrigens zu den Achselkrücken,die Laura am Abend trug?““Sie waren sehr zierlich und aus einem edlen Holz, das merkte man ihnenan.““Rosenholz“, nickte Zsuzsa, „schwer zu bekommen. Ich werde sie bei nächsterGelegenheit fragen, woher sie die hat, solche hätte ich auch gerne.““Hast Du einen Krückennotstand?“ grinste er.“Nun, viele habe ich wirklich nicht. Neben denen, die ich jetzt dabei habe,ein zweites Paar Unterarmkrücken als Reserve, so richtig hässliche, MarkeKrankenkasse. Dann die Superkrücken fürs Skifahren, die sind aus derSchweiz. Und schliesslich ein Paar Achselkrücken, auch alles andere alsschön. Die sehen aus wie ein aufgestelltes Paddel, gross und schwer.““Können Krücken überhaupt schön sein?“ zweifelte Gregor.Sie grinste. „Aus meiner Warte schon. Die hier sind zierlich, die schwarzeFarbe passt zu vielen Kleidungsstücken und ich fühle mich auch mit ihnenwohl. Bei den Krücken, die Laura gestern ausgeführt hat, stelle ich mir dasähnlich vor. Zusätzlich hätte ich gerne Unterarmkrücken mit beweglicherSpange, die den Unterarm fast ganz umschliesst. Die Krücken baumeln dann anden Armen, während Du die Hände frei hast; solche sind insbesondere inAmerika gebräuchlich. Aber schöne Achselkrücken brache ich ganz dringend,zumindest eine solche Krücke, um mit meinem Liebsten locker Hand in Handspazieren gehen zu können“, meinte sie anzüglich lächelnd und drückte sichan ihn.Gregor lächelte auch. „Gibt es neben Krücken und Prothesen noch etwas, wasDu als Gehhilfe verwenden kannst?““Ja, das gute alte Holzbein, auch Stelzfuss genannt, wie es die Piratenhatten.“ Ihr Gesicht wurde ganz heiter. „Ich habe so einen Fuss. Voreinigen Monaten war ich in Presov auf dem jährlichen grossen Flohmarkt, daverkaufte einer, er war sicher Roma, ein solches Stück. Alt, aber bestenserhalten und blitzsauber. Es sah aus, als hätte es jemand gehört, der esnie getragen hat. Ich bin sicher, es war eine Frau gewesen. Das Stelzbeinhat einen Korb für den Stumpf, aussen mit Lederriemchen zum Festzurren,einen langen Riemen, den man um die Schulter trägt und einen schwarzenStelzfuss aus Holz dran. Ich habe gefragt, was das Holzbein kosten würde,und da er offenbar bemerkt hatte, dass mir dafür das richtige Bein fehlt,wollte er fünftausend Kronen von mir. Ich ärgerte mich und liess ihnstehen, ohne zu verhandeln. Gegen Ende des Flohmarktes sah ich, dass er denStelzfuss noch nicht verkauft hatte. Ich bat meine Mutter, es an meinerStelle noch einmal zu versuchen. Sie hat den Fuss dann um vierhundertKronen gekriegt. Natürlich hat er blöd geschaut, als ich mit dem Holzbeinim Arm an ihm vorbeigegangen bin.“ Sie kicherte, ehe sie die eigentlichePointe präsentierte: „Und stell Dir vor, der Stelzfuss passt mir. Ich habeihn schon zweimal angehabt und ich fühle mich gut darin, auch wenn odervielleicht weil ein bewegliches Knie fehlt.““Du siehst dann aus wie eine Piratin?““Ja, mir fehlt nur die Augenklappe.“Amüsiert kuschelten sie sich aneinander. „Ich möchte bei nächsterGelegenheit mal so eine moderne Prothese sehen, damit ich mir darunteretwas vorstellen kann“, meinte er dann.“Am besten in Wien, dort gibt es mehrere gute einschlägige Geschäfte,“entgegnete sie und ergänzte warnend: „… aber Schatz, die Preise sindjenseits von gut und böse, ganz besonders aus slowakischer Sicht.““Macht nichts“, beharrte er, Du solltest sie trotzdem im Auge haben,vielleicht ergibt sich einmal was.“Sie grinste. „Ich könnte mich vielleicht als Model versuchen, dieHerstellerfirmen lassen ihre Superbeine durch attraktive Mädchenvorführen.““Na siehst Du, vielleicht kriegst Du sie billiger, wenn Du als damit alsWerbefigur auftrittst.“Sie feixte. „Und bei Dir lerne ich vorher im Seminar, wie man agiert.““Abgemacht.“ Beide lachen.Ein Wägelchen mit Erfrischungsgetränken wurde vorbei geschoben und siekauften Kaffee und Mineralwasser. Draussen flog, nachdem sie die hügeligeGegend mit den berühmten Thermalquellen passiert hatten, die Ebene vorbei,zuerst Rovigo und dann die Brücke über den Po. Der Zug hielt in Ferrara undes regnete auch hier unaufhörlich. Zsuzsa räkelte sich in ihrem bequemenSitz. Sie zog die Stiefelette aus, zog das Bein hoch und stellte den Fussauf die Kante des Sitzes. Ihr Rock rutschte hinauf und gab den Blick aufihren Frosch frei. Das aussen hängende Hosenbein störte sie. „Ich mussnochmals zur Toilette“, stellte sie fest und hüpfte, sich an den Sitzreihenabstützend, zur Tür auf die Plattform des Waggons. Einige andere Fahrgästeblickten ihr verwundert nach.Als sie wieder kam, meinte Gregor: „Wozu brauchst Du eigentlich nochKrücken, Du machst ja sowieso alles ohne sie auf Deinem Fuss.““Na ganz soweit ist es noch nicht“, schwächte sie lächelnd ab. „Ich habeübrigens gerade beschlossen, mich von meinen rechten Hosenbeinen zuverabschieden, sofern ich sie nicht für die Prothese brauche. Zu Hause wirdes einen Festtag für die Schere geben, ich habe ohnehin wieder Lust aufsNähen.“Dann zog sie ein wenig den Rock nach oben. Das Strumpfhosenbein war nuninnen hochgezogen, spannte um den kurzen Schenkel und ihr Haarflaum wardeutlich zu erkennen. Sie schmunzelte: „Das dürfte ziemlich selten sein,ein Frosch im Pelz“.Er lachte, ehe er retournierte: „In der Slowakei, speziell im Osten, sinddie Winter sehr kalt, da tragen offenbar auch die Frösche eine Haube.“Sie blickte ihn amüsiert an, kuschelte sich fester an ihn und legte dannihr Bein über seine Schenkel. Er begann es zu streicheln und sie sah ihmdabei zu. „Ich denke noch immer mit innerem Jubel an das, was Du heute frühüber mich im Bett gesagt hast“, flüsterte sie nach einiger Zeit.“Erlebst Du das wirklich so?“, fragte sie mit leichtem Zweifel.Er sah eine Weile ins Leere. „Ich war bisher nie eine grosse Nummer beimSchnackseln. Damit waren stets zu viele Gefühle verbunden, sich nichtblamieren zu dürfen. Mit Dir verspüre ich diese Ängste nicht. Gleich mitDeiner ersten Geste machst Du klar, dass es wieder wunderschön werden wirdund ich bin dann auch voll auf der Höhe. Ich fühle mich ganz als Mann.“Sie sah ihn verzaubert an. „Und ich fühle mich ganz als Frau“, sagte sieleise. Sie begann, zärtlich sein Gesicht zu streicheln. „Es war für michnoch nie so wie jetzt:“ Auf seinen fragenden Blick hin fuhr sie fort. „Auchich war im Bett nie wirklich glücklich. Angst spielte sicher eine Rolle,ich fühlte mich oft verkrampft und nicht selten tat ein Schwanz in mirziemlich weh. Streng genommen war mir unklar, ob ich überhaupt mit einemMann schlafen wollte. Ich war hübsch, hatte nie einen Mangel an Verehrernund tat es, weil man es tut. Aber am liebsten machte ich es mir selbst.Vielleicht war dies auch ein Grund, dass meine Beziehungen sehr raschabflachten. Auch bei Jan war es so. Wenn ich ganz ehrlich bin, trudelteunsere Beziehung schon dem Ende zu, als mein Unfall geschah. Eigentlich warich nicht böse, weil er ging, sondern wegen des Anlasses, den er dafürbenutzte, und die Art, wie er es tat.“Sie sassen eine Weile still da und sie spürte angeregt, wie er ihreKniekehle massierte. „Was ist seither anders geworden?“, fragte er.“Zuerst waren nach dem Unfall die Verehrer natürlich alle weg. Ich machtewieder Männerbekanntschaften, aber in neuer Rolle. Ich war nun nicht mehrZiel erotischen Begehrens, sondern ein netter Kumpel, der erfreulicherweiseauch Knöpfe annähen konnte. Mein Körper war in der Regel nur dann Thema,wenn einer noch nicht gemerkt hatte, dass mir ein Bein fehlte. EineAusnahme schien ein junger Arzt im Rehabilitationszentrum zu sein. Erbehandelte meinen nicht heilenwollenden ersten Stumpf und lud mich am Endeeiner Visite zum Abendessen ein. Es war wirklich nett mit ihm und der Abendendete gemeinsam im Bett. Mir gefiel es und eine Nacht lang durfte ich mirHoffnungen machen, dass mehr daraus würde, ehe er mir am nächsten Morgeneröffnete, er wisse nun, wie es mit einer Einbeinigen im Bett sei.““War das die Gelegenheit, die Du schon erwähnt hast?“Sie nickte. „Ich brach regelrecht nieder, fühlte mich völlig gedemütigt undverkroch mich bei Mama in Zvolen. Sie brauchte eine ganze Weile, bis siemich wieder halbwegs aufgerichtet hatte. Der Vorfall machte mir einerseitsklar, wie sehr ich mich nach einer Beziehung sehnte, andererseits wurdeschmerzlich deutlich, wie kompliziert nun alles für mich und mein Verlangengeworden und wie verletzlich ich in meiner neuen Lage war. Die Zeit danachwar mühsam, samt Nachamputation, auf Fortschritte gab es immer wiederRückschläge und manchmal war ich wirklich sehr verzagt. Aber sicherbrauchte ich diese Zeit, um die Zsuzsa zu werden, die Du am Arlberg kennenlernen wolltest.““Und die mir entgegen geflogen kam und aufgegangen ist wie einewunderschöne Blume“, flüsterte er. Sie gluckste und warf sich ihm um denHals. Sie schmusten zärtlich und er dachte daran, wie erotisch er ihreOffenheit fand.Sie sah ihn verliebt an und schmunzelte dann. „Weisst Du, wann ich daserste Mal auf einem Mann geritten bin?“Er schüttelte den Kopf. „Vorgestern“, sagte sie leise.Nun war er dran, zu schmunzeln. „Bei mir war es bisher auch ganz selten,ich habe mich in der Regel auf die Missionarstellung verlassen, in der ichmich sicherer fühlte.“Sie grinste. „Und wie bist Du davon los gekommen?““Letztlich über die Seminare, über die ich schon viel erzählt habe, durchdie dortige Arbeit am authentisch Sein, sicher nicht direkt, eine Schulungim Vögeln kennen auch die Clowns nicht, aber insgesamt doch: Gregor pur,nichts vorspielen, das Leben nehmen wie es ist. Und dann passierte es. Ichweiss nicht warum, aber ich habe vorgestern spontan das Bedürfnis gehabt:‚bitte besteige mich‘. Und dann hast Du das in einer Weise getan, die ichmir schöner nicht vorstellen kann. Du kamst zum rechten Augenblick.““Du auch, Liebster.“Sie rieb ihren Frosch an seinem Schenkel. Gregor griff nach ihm und begannihn zu massieren. „Und der Kleine? Was ist sein Anteil am Geschehen?“,fragte er.Unversehens kann sie in Fahrt. „Das ist ein Lustfrosch“, platzte sieheraus, während sich ihr Gesicht angesichts der Massage rötete, „mitPelzchen.“ Er streichelte sanfter weiter und sie wurde wieder ruhiger, ehesie betonte: „Aber ich kann Dir sagen, dass mich Deine Behaarung sichernicht weniger aufregt als Dich der Flaum auf meiner Haut.“Eng umschlungen lagen sie eine ganze Weile in ihren Sitzen. „Ich bin müde,möchte ein bisschen schlafen, aber nachher musst Du weiter von DeinenSeminaren erzählen“, murmelte sie, ehe sie einschlief. Er blieb wach,starrte aus dem Fenster: Ebene, Regen, wie gehabt. Dann kam der Halt inBologna, Zsuzsa kriegte davon nichts mit. Als der Zug die Hügel zum Gebirgehinaufkurvte, kam der Buffetkarren wieder vorbei, der nun nach Pastaduftete. Gregor erstand zwei Portionen Nudeln mit Bologneser Sauce, einFläschchen Lambrusco und noch eine Flasche Mineralwasser. Er hielt Zsuzsadie Pasta unter die Nase, bis sie aufwachte. „Hallo Draculinchen,aufwachen, es gibt etwas Gutes.“Sie sah ihn schlaftrunken an und murmelte desorientiert: „Wieso bin ich dasDraculinchen?““Schau Dir doch einmal meinen Knutschfleck an, der wird immer grösser.“Sie wurde gleich wach. „Möchtest Du ihn grösser haben?Gerne, jederzeit!“ Dann lachten beide und machten sich über die Pasta her.Sie war zwar im Plastikcontainer, aber sie schmeckte. „Die kriegen hiersogar das Plastikfutter so hin, dass es geniessbar ist“, meinte er, als eram Stöpsel der Lambruscoflasche drehte. Während sie mit Papierbechern vollschäumendem Rotwein auf die Reise anstiessen, fuhr der Zug in den langenTunnel ein, der die Emilia Romagna mit der Toskana verband. Gregor wargespannt, was das Wetter auf der anderen Seite bringen würde.Zsuzsa nippte an ihrem Becher und meinte dann: „Der schmeckt gut, an ihnkönnte man sich gewöhnen.““Ich mag den Lambrusco sehr gerne“, bestätigte er, „insbesondere wenn erwie der hier ein trockener Wein ist. Warum sie bei uns nur die süsseVariante vertreiben, ist mir schleierhaft.““Wie in der Slowakei“, fuhr sie fort, „unser Wein ist, mit Ausnahme desSüdostens, wo es auch Tokajer gibt, nicht berühmt, aber sehr bekömmlich,sofern er nicht ins Zuckerfass fällt. Unbeirrt verkaufen sie aber überalldas süsse Zeug.““In den letzten Tagen habe ich gesehen, dass Du Wein magst.““Sie wiegte den Kopf. „Nicht immer, aber wenn er so schmeckt, wie inVicenza oder jetzt, dann schon. Ich muss immer ein bisschen aufpassen, meinGleichgewicht ist labiler als Deines.“ Sie lächelte etwas verlegen.Der Zug rüttelte ein wenig, dann glitt er wieder leise durch das Schwarzdes Tunnels. „Ein tolles Gefährt“, meinte er anerkennend, „schnell, leiseund sehr bequem.“Sie nickte. „Kein Vergleich zum Gerumpel der anderen Züge.“ Er grinstefrech. „Apropos Gleichgewicht: Schade, dass kein Platz zwischen denSitzreihen ist, Du könntest hier locker vor mir balancieren, ohneumzufallen.“Sie grinste zurück. „Und Du wärest unglücklich.““Warum das?““Weil Du Spass hast, wenn ich auf Dich falle, und dies sehr vermissenwürdest.““Da hast Du sicher recht“, feixte er.Der Rotwein ging zur Neige und beide lehnten sich müde zurück. Plötzlichwurde es draussen heller, dann raste der Zug in den gleissendenSonnenschein der Toskana. Beide lehnten sich ruckartig hoch und starrtenauf die grüne Landschaft, in der einige Bäume blühten und über die sich einblauer Himmel wölbte. „Der Frühling“, rief sie freudig, „hier ist erwieder.““Die Hartnäckigkeit hat sich also gelohnt“, stellte er zufrieden fest,“jetzt entkommt er uns nicht mehr.“ Sie stiessen mit den letzten Schluckenin ihren Bechern nochmals vergnügt an und starrten dann weiter auf dievorbei flitzende Gegend draussen.“In der Toskana war ich auch einmal bei einem Seminar dabei, in der Gegendum Siena“, fiel ihm dann ein.“Und was geschah dort?““Spiegel und Masken, so hiess das Thema, das Gesicht stand im Mittelpunkt.““War da auch das Schminken vor dem Spiegel, von dem Du schon gesprochenhast?“Er nickte.Sie bohrte interessiert weiter: „Was hat Dich eigentlich bewogen, solcheSeminare zu besuchen?“Er dachte ein wenig nach, dann erzählte er: „Wer sich, aus welchen Gründenauch immer, mit der Wahrnehmung der eigenen Person beschäftigt, wird baldfeststellen, dass reden alleine zu wenig ist. Es gibt viele Methoden, durchdas Gespräch hinter die Fassade zu gucken und bislang Unbemerktes zuentdecken. Das ist sicher ungemein wichtig und es kann auch sehr anregendsein, wie etwa bei uns gerade vorhin. Aber Du kannst es hundertmalbegriffen haben, das Handeln ist noch immer eine andere Sache. Es kann etwaDir jemand tausendmal sagen, Du würdest beim Telefonieren ins Rohr brüllen,beim tausendsten Mal machst Du es wieder. Wir brauchen also Übungsfelder,die sich auf das Tun beziehen, um erfolgreich lernen zu können, und nichtnur Gelegenheiten zum Räsonnieren, um es einmal boshaft zu formulieren.Einige solche Felder habe ich schon entdeckt, ganz besonders die Clownerie.Aber auch andere Erfahrungen gehören hierher und ich habe immer mehr dasGefühl, dass das Anliegen nicht auf ein einzelnes Feld wie die Clownarbeitreduziert werden darf, diese ist letztlich nur ein gutes Beispiel für dieso genannte ‚Kultivierung des Authentischen‘ in uns.““Was heisst das?“, fragte sie. „Erstens sich selbst so nehmen, wie man ist,und nicht dauernd in seinen Makeln zu schmoren. Zweitens die anderen zunehmen wie sie sind, und sie nicht dauernd ummodeln zu wollen. Drittensschliesslich, zu lernen wie man ist, damit man sich auch ernst nehmen kann.Letzteres sollte man möglichst oft gemeinsam mit anderen tun, damit wasVernünftiges draus wird.““Lass mich das für mich noch einmal sagen“, meinte sie. „Sich selbst so zunehmen, wie man ist, bedeutet, nicht ständig mit dem Schicksal zu hadern,nicht nur im Verlust des Beines zu dunsten, sondern die neue Figur zugestalten. Das kann ich nach den letzten beiden Jahren nur zu gutnachvollziehen. Die anderen zu nehmen, wie sie sind, kann beispielsweiseheissen, einer einbeinigen Frau nicht dauernd offen oder insgeheimvorzuwerfen, dass sie keinen zweiten Fuss hat. Oder, um das an einem ganzalltäglichen Beispiel zu demonstrieren: aus einem Nachtmenschen keinenFrühaufsteher machen zu wollen. Und ich weiss, man muss ziemlich viellernen, um das auf die Reihe zu kriegen, am besten mit Menschen, die sosind wie Mama und Du, vielleicht in Zukunft doch auch mit Leuten, denen esähnlich geht wie mir, beispielsweise Laura.“ Sie hielt kurz inne: „He“,meinte sie dann ebenso angetan wie verwundert, „das ist ja faktisch dasProgramm der Zsuzsa neu.“Gregor lehnte sich mit einem angenehmen Gefühl zurück. „Bei Dir gelingt miroffenbar wirklich viel“, murmelte er, „sogar auch, meinen theoretischenKauderwelsch so zu präsentieren, dass Du ihn verstehst.““Das fiel mir aber nicht schwer“, schwächte sie ab, „passt alles zu mir.““Eigentlich passt das zu jedem oder jeder, egal mit wie vielen Beinen.Einen auffälligen Unterschied zwischen Dir und den so genannten Normalengibt es schon: Du kannst Deine Veränderungen schwer ignorieren, schon garnicht verdrängen.“Sie dachte kurz nach. „Das geht grundsätzlich schon, aber dann fliege ichauf die Nase. Einmal wollten mir zwei Krankenschwestern in der ersten Zeitnach dem Unfall helfen, aufs Klo zu gehen. Sie standen neben mir, die einemit der rechten Krücke, die andere mit der linken. Ich erhob mich von derBettkante und fiel, ehe sie reagieren konnten, der Länge nach zwischenihnen hindurch hin. Ich war als erstes auf meinen fehlenden rechten Fussgetreten. Die zwischen verdutzt und entsetzt flackernden Gesichter vergesseich nie.“ Sie grinste: „Wie eine Szene aus dem Kino. Heute kann ich darüberlachen.“Gregor stellte sich die Szene bildlich vor und musste auch schmunzeln, eheer zum Kern des Themas zurückkehrte. „Also besser, die Situation nicht zuignorieren.““Geht leider nicht anders. Wie lösen das Deine Seminare?““Die Arbeit an den Makeln ist, wie ich gestern schon angedeutet habe, einzentrales Thema. Denn mit den Makeln kommen wir in der Regel vielschlechter zu recht als mit dem, was uns an uns gefällt. Es aber ist nichtmöglich, sich auf die sonnigen Seiten seiner Person zurückzuziehen, wie unsdas verschiedene naive Theorien weismachen wollen. Wir kommen um uns alsganze Person nicht herum, irgendwo sind wir auch Zombies oder Monster, wiedie ganz junge Generation alle, die älter als zwanzig sind, frech zubezeichnen pflegt. Also ist es nur konsequent, am Umgang mit den Makeln zuarbeiten. Die beste Methode, die ich in diesem Zusammenhang kenne, ist dasModellieren von Monstern. Wenn Du beispielsweise als Monster auf einerBühne stehen würdest, Deine Schattenseiten betonend, wie könnte esaussehen?“Zsuzsa überlegte nicht lange. „Nun, es hätte eine riesige Nase, mehrereZahnlücken, viel zu grosse Ohren, eine gerunzelte Stirn, einen rundenRücken, etwas zu breite Schultern, den Hintern links ausgestopft unddadurch viel grösser, einen grossen, nach vorne stehenden bandagiertenFrosch, ein aufgeschlagenes Knie links mit grosser Laufmasche am Strumpf,stünde auf meine unförmigen Achselkrücken gestützt, wäre ausserdem ganz ineinen Pelz gehüllt und hätte eine Menge Knutschflecke.“ Gregor sah sieverblüfft an. „Wie kommst Du auf das alles?““Sieh mich doch mal an, einiges ist Dir ja schon aufgefallen, einiges habeich Dir auch erzählt, für den Pelz trägst Du sogar die Verantwortung undich zähle auf Dich, wenn es um die Flecke geht.“ Sie prusteten dann vorLachen.“Jetzt bist Du dran“, verlautete sie trocken und grinste. Gregor kam kaumaus dem Lachen heraus. Dann begann er sein Monster zu beschreiben. “ Alsomeines hat eine hohe Stirn, einen verkrampften Gesichtsausdruck fast wiejemand, der nach etlichen Tagen erstmals wieder auf dem Klo sitzt, nachinnen gezogene Lippen, schiefen Vorderzahn, gesenkten Kopf, hochgezogeneSchultern, wobei die rechte weniger hoch wäre als die linke, runder Rücken,gebeugt, baumelnde Hände mit wie Krallen eingezogenen Fingern, eine Wampe,spastisch verkrampfte Beine, auf den Zehen trippelnd. Dazu hätte ich einenNadelstreifenanzug an mit offenem Hosentürchen, Hosenträgern und schlechtgebundener Krawatte. Unten Turnschuhe. Schliesslich wäre ich nicht rasiertund würde mit meinen Knutschflecken sehr gut zu Dir passen.“ Wieder grossesGelächter.“Wie bist Du denn darauf gekommen?“, fragte sie. Ich fürchte, Du hast nochnicht genug geschaut“, stichelte er zuerst, meinte dann aber: „Das war einQuerschnitt der Monster, die ich schon war, weil man nicht nur selbst dasMonster baut, sondern auch die anderen Teilnehmenden mitbauen. Du kannstdabei natürlich immer sagen, das, was die da aus mir machen, bin nicht ich.Ich finde das generell sehr gut, denn aufschwatzen sollte man sich nieetwas lassen. Wenn aber zum wiederholten Male jeweils andere Menschendasselbe Monster aus Dir machen, wäre es zweckmässig, darüber nachzudenken,ob sie nicht doch vielleicht auch ein bisschen Recht haben.““Haben wir eine Chance, so gemeinsam auf einer Bühne zu stehen?“, kichertesie. „Klar, zu Pfingsten, noch dazu im Teatro Olimpico.““Spitze“, rief sie. Er fuhr fort: „Und weisst Du, was das Steilste ist? Derganze Makelkrampf beginnt zu bröckeln, schon beim ersten Mal. Du fängst an,Dich und andere mit anderen Augen zu sehen. Du merkst, dass bei Dir Makeldabei waren, die nur Du selbst gesehen hast, während sie den anderen garnicht aufgefallen waren. Du beginnst, Attribute von Dir zu mögen, die Dirvorher verhasst waren, die Du am liebsten weggemacht hättest, wiebeispielsweise eine grosse Nase. Oder Du entwickelst Sympathien für etwas,was Dir zu klein schien, wie bei Frauen oft die Brüste, usw. Du entdeckst,dass es für jede Neigung auch andere gibt, die sie teilen und Du kommst mitder Zeit drauf, dass es die Makel sind, die uns an den anderen faszinierenund die deren ebenso wie unsere Besonderheiten ausmachen, trotz allerSchönheitsideale, die da herumspuken. Apropos Schönheitsideale: es gibtgeschichtlich gesehen kaum einen Makel, der nicht irgendwo und irgendwannauch bessere Zeiten erlebt hat.““Auch meiner?““Kann schon sein, mir fallen da als erstes die Amazonen ein.“Zsuzsa kaute daran. „Wenn ich daran denke, welch läppische Kleinigkeiteneinem enorme Probleme bereiten können. Ich erinnere mich daran, dass ichmir einbildete, ich hätte viel zu grosse Ohren. Mit zwölf entschied ich,ich könne keine Ohrringe mehr tragen, weil meine Löffel dann wenigerauffallen würden. Ich liess meine Haare wachsen, damit die Ohren nicht sodeutlich sichtbar wären. Die langen Haare habe ich heute noch.““Lass mal sehen“, meinte er und besah ihre Ohren. Sie waren nicht klein,aber keineswegs auffällig gross mit schön gezeichneter Muschel undausgeprägten Ohrläppchen. „Dachte ich mir doch. Sie sind sogar schön,stehen nicht ab und haben ein Läppchen, das frech zum Knabbern einlädt.“Sie schmunzelte. „So war es natürlich auch mit der Nase oder mit demHaarflaum und manch anderen mehr, und ging weit über die Pubertät hinaus.Ich habe vor mehreren Jahren ernsthaft überlegt, die Nase kleiner machen zulassen.“ Er schüttelte den Kopf. Dann wurde sie ernst: „Vor etwas mehr alszwei Jahren hörte das allerdings schlagartig auf. Ich war froh, dass bisauf eines noch alles dran war.““Dafür hat Dich dann das Eine ziemlich stark beschäftigt“, merkte er an.Sie nickte. „Das kann man wohl sagen. Da werden dann die kleinen undkleinlichen Makel wirklich ganz unscheinbar und Du hast eigentlich nur mehreine wirkliche Chance: so zu sein, wie Du bist. Und du tust gut daran, Dichdabei zu mögen, das macht alles erheblich leichter. Und wenn Dir dann alsFrau ein Mann sagt: ‚ich mag Dich wie Du bist‘, dann schwebst Du.““Und es kann sein, dass Du ihm entgegen fliegst und aufgehst wie einewunderschöne Blume.“Sie umklammerte mit ihren Händen seinen linken Arm, drückte sich daran undergänzte: „Und dann hältst Du ihn ganz fest.“ Beide strahlten.Sie schmusten eine Weile und blickten dann nachdenklich zum Fenster hinaus.Der Zug näherte sich Florenz. Die Menschen draussen trugen leichteKleidung, es war sichtlich wärmer und die Sonne verstrahlte grosseHelligkeit. Eine ganze Reihe blühender Forsythien begrenzte die Einfahrt inden grossen Bahnhof und eine riesige Magnolie stand in voller Pracht. DerZug hielt, der Waggon füllte sich nun, und ohne Verspätung ging es dannhinaus auf die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Rom.Sie begannen erst nun, Pläne für die Ankunft in Rom zu schmieden. „Ichkenne ein gutes Hotel in San Lorenzo, dem Stadtviertel hinter der Ausfahrtaus dem Bahnhof. Leider habe ich die Telefonnummer nicht dabei.“ Er dachtenach. „Ich probiere mal, meinen Freund Peter anzurufen, der müsste sie auchhaben.“ Er wählte eine Wiener Nummer und hatte Glück, Peter war zu Hause.Gregor strahlte, als er die Nummer des Hotels Laurentia notierte und sahsich dann mit der Neugierde seines Freundes konfrontiert. „Ja eine neueFlamme“, bestätigte er dessen Frage. „Anders“, grinste er dann, „aberdiesmal ist es harmlos, ihr fehlt nur ein Bein.“ Und weiter grinsend,“Darfst Du auch sein, Alter, ich melde mich bei Dir wenn wir in Wiensind.“ Nach der Verabschiedung trennte er die Verbindung und wiegte denKopf. „Na, der hat ja gut reagiert, typisch Peter, er blieb ganz locker,ist schon gespannt, Dich kennen zu lernen, und ich glaube, der meint esehrlich.“Dann wählte er gleich die Nummer des Laurentia. Nach mehreren Versuchenklappte die Verbindung. Zu seiner Freude gab es freie Zimmer. Er hörte kurzzu und sagte dann: „Nein, diesmal ein Doppelbett, unbedingt.“ Er gab nochdie Ankunftszeit in Rom durch und meinte, sie würden wahrscheinlich zu Fusszum Hotel gehen, daher maximal eine halbe Stunde später im Hoteleintreffen. Er war sichtlich zufrieden, als er das Gespräch beendet hatte.“Ohne Quartiervorbestellung in Rom anzukommen, kann unangenehm sein, so istes sicher besser, ausserdem ist dieses Hotel sehr nett.““Ich freue mich auf Rom, war noch nie dort und bin ganz neugierig.Überhaupt war mir Italien so gut wie fremd, hat mich aber bisher voll undganz begeistert“, betonte sie.Nach der Ankunft in Rom verliessen sie den Bahnhof gleich durch denHinterausgang und machten sich auf seinen Vorschlag hin zu Fuss auf den Wegzum Hotel: „Eine halbe Stunde oder länger auf ein Taxi zu warten, hätte beidieser kurzen Strecke keinen Sinn und die Busroute führt seit einiger Zeitso blöd am Bahnhof vorbei, dass wir in derselben Zeit, in der wir den Bussuchen würden, auch zu Fuss schon beim Hotel sind.“ Tatsächlich waren siekaum länger als eine Viertelstunde unterwegs. Zsuzsa trug wieder denRucksack. Sie war ganz konzentriert unterwegs, denn die Gehsteige warenmindestens so desolat wie in Vicenza. Gregor trug ihre Reisetasche und zogseinen Koffer hinterher. Im Hotel wurden sie von einem freundlichen Mann inder Rezeption empfangen, der mit Blick auf Zsuzsa vorschlug, das einzigeZimmer im Erdgeschoss zu nehmen. „Dort war ich schon einmal, das ist schön,das nehmen wir“, antwortete Gregor, während sie ziemlich indigniertdreinblickte. Auf dem Weg zum Zimmer knurrte sie. „Der glaubt wohl, ichkönne nicht Stiegensteigen.“Dann war sie aber mit dem Zimmer sehr zufrieden. Sie probierte gleich dasgrosse Bett aus, während Gregor die Gepäckstücke verstaute. „Au“, rief sieplötzlich. Das Bett hatte ein Fussende, das unter der Decke verborgen war,und gegen das sie mit dem Frosch gestossen war. Sie massierte den Stumpfmit verzogenem Gesicht.“Schmerzen?“ fragte Gregor.“Ja, das war der Knochen“, brummte sie. Sie massierte weiter, und Gregorsah ihr zu.Er mimte ein betrübtes Gesicht und fragte: „Gleich operieren?“Sie unterbrach die Massage. „Niemals, dem Kleinen darf nichts geschehen“;betonte sie mit Entrüstung.Er nickte mit gespielt ernster Miene und feixte. „Du ziehst mich ja auf“;grinste sie dann.Gregors Handy klingelte. Er blickte auf das Display und sah eineslowakische Nummer. „Nimm Du den Anruf, er ist aus der Slowakei“, sagte erzu ihr.Ihre Mutter war in der Leitung, Zsuzsa begrüsste sie freudig. „Mir geht esgut, Mama, wir sind jetzt in Rom.“ Sie lächelte, als sie weiter zuhörte.“Ja, ich kann Dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin… Den Tag derRückfahrt haben wir noch nicht fixiert, aber wir fahren zunächst nachWien.“ Und zu Gregor gewandt. „Wir haben eine Einladung nach Zvolen,könntest Du übernächstes Wochenende hinkommen?““Sollte klappen, komme gerne mit“; antwortete er. Zsuzsa bestätigte denBesuch, legte auf und strahlte. „Meine Mutter freut sich sehr darauf. Ichauch.““Haben wir die Nummer von Laura zur Hand? Ich wüsste gerne, wie es ihr beimSitzvolleyball ergangen ist“, meinte sie dann.“Die Nummer muss in der Rufliste sein“, erwiderte er, „die einzige mit‚neununddreissig nach den beiden Nullen.“ Zsuzsa nickte auf das Displayblickend, und stellte die Verbindung her. Am anderen Ende herrschteoffenbar Freude über den Anruf, wie Gregor aus dem bis zu ihn tönendenJubel entnehmen konnte. „Na toll“, sagte Zsuzsa zwischendurch, dann wieder:“Grossartig.“ Schliesslich bekam sie einen freudigen Gesichtsausdruck undsagte: „Das finde ich lieb“. Und am Schluss: „Ich freue mich riesig mit Dirund schicke Dir einen ganz lieben Kuss, auch einen von Gregor. Wir hörenuns bald.“Sie trennte die Verbindung und gab Gregor das Handy. „Sie möchte nun imKlub spielen, und sie hat gute Chancen, in die Mannschaft zu kommen,nachdem sie heute der Trainerin imponiert hat. Volleyball hat Laura vor demUnfall oft gespielt, daher sind ihr etliche Bewegungen vertraut. Und ihreHüfte tat nicht weh, zumal Sitzvolleyball mit dick wattierten Hosengespielt wird. Ausserdem hat sie beschlossen, ihren Beckenstumpf als Froschzu bezeichnen, sie hat ihn in der Badewanne lange betrachtet und ist zumSchluss gekommen, dieser Name würde auch gut zu ihm passen.“Er blickte sie amüsiert an: „Hast Du ihr erzählt, dass Du Deinen sonennst?““Klar, und ich habe gleich gemerkt, dass ihr das gefiel.“Er griff nach ihrem Frosch, sie hob diesen hoch, und er streichelte ihn.“Das wird Deinen sicher freuen“, meinte er dann.Sie nickte mit rotem Kopf, „Weisst Du, was ihn aber am meisten freut?“ Ersah sie fragend an, und sie fuhr fort: „Wenn Du ihn so lieb anfasst. Dasmacht ihn ganz verrückt.“Sie schmusten lange und innig. Dann wandten sie sich der Körperpflege zu.Das Zimmer hatte kein Bad, dafür aber eine kuriose Dusche. Sie war untereiner Schräge des Vordaches zum Hof untergebracht und das Duschbecken wargute vierzig Zentimeter unter dem Niveau der anderen Teile des Waschraums,zu dem, wie in Italien üblich, auch die Toilette gehörte. Gregor kannte dieEigenheit der Dusche von früher und hatte gleich von Beginn an ihre diebesondere Eignung für Spiele in der Körpermitte gedacht, und als er Zsuzsaansah, war ihm klar, dass sie gleich ähnliches im Auge hatte.Sie grinste und sagte: „Da nehme ich jetzt eine Dusche.““Ich auch“, ergänzte er schnell.Sie stellte das Warmwasser ein und kletterte in die Dusche hinunter,während er davor stand. „Komm rein oder besser gesagt runter“, lud sie ihnein.Er feixte und wartete noch ein wenig, ehe er auch hinunter stieg. Siestanden lange unter dem warmen Wasser und genossen den Strahl. Sie seifteneinander gleichzeitig ein und Gregor tat dies beim Frosch mit betonterVorsicht. „Heute hast Du einen Tag, wo Du überall anrennst“, zog er sieauf, „man kann nicht genug auf Dich aufpassen.“Sie lächelte nur leicht gequält und delektierte sich weiter am Einseifen.Kaum waren sie mit dem anschliessenden Abduschen fertig, kletterte sie ausder Dusche hinauf und stand triefend vor ihm, sein Gesicht auf Höhe ihresBauches. Er kitzelte sie mit der Zunge am Nabel und dann weiter unten. Siespreizte den Frosch zur Seite, hielt sich an den Haltegriffen zu beidenSeiten der Dusche fest und legte den Kopf zurück. Dann streichelt er mitder Zunge ihren Hügel und fuhr geniesserisch mit ihr in ganz langsamenBewegungen die Klitoris auf und ab. Es dauerte lange, bis sie so in Fahrtkam, dafür dann aber äusserst heftig. Sie hing regelrecht in denHaltegriffen, wurde sehr laut und ging ins Knie, als sie kam. Dann hüpftesie in das Becken, während er hinaus stieg, und widmete sich seinem Penis.Nun war er an der Reihe abzuheben, wobei sie wie gehabt mit ihren Zähnenseinem Genuss ein wenig nachhalf, bis es ihn schüttelte. Sie duschten dannnoch einmal, bevor sie sich abtrockneten.Sie hüpfte hinaus. Als er nachkam, lag sie schon im Bett, hatte ihreSchenkel gespreizt und strahlte: „Komm ins Glück.“ Er bestieg sie mit ganzinnigen Gefühlen, stiess sie zärtlich und dann machten beide lautstarkkund, welche Wonne sie dabei erlebten. Er schlief danach auf ihr ein. Siehielt ihn, ehe sie auch wegbrach.Als er aufwachte, lag er noch immer halb auf ihr, er war aber auf ihreramputierten Seite hinunter geglitten. Er weckte sie durch Kosen ihrerBrüste. „Ich habe Hunger“, flüsterte er. Sie erheiterte der Zusammenhangzwischen seinem Tun und seinem Wunsch und streichelte ihn. Er blickte auf:“Bist Du nicht hungrig?“Sie schüttelte lachend den Kopf: „Wie sollte ich hungrig sein, ich habeDich doch gerade vernascht.“Er lachte mit und rollte zur Seite. „Du musst wissen, mein Appetit istriesig“, sagte er.“Meiner auch“, flüsterte sie.Zsuzsa probierte für den Abend eine Hose. Sie bemerkte seinenmisstrauischen Blick, als sie das rechte Hosenbein hinauf schlug. Siedrehte sich einige Male im Kreis, wackelte mit dem Hintern, wurde unsicherund meinte dann: „Doch lieber nicht, ein Rock sieht jetzt besser aus.“ Derneue Schwarze kam zu Ehren, während Gregor bei der Jeanshose blieb, aberdas Hemd wechselte, da er auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel ins Schwitzengeraten war.“Du brauchst streng genommen Hosen für und ohne das Tragen der Prothese“,bemerkte er dann. „Am besten von jeder zwei. Das ist auch grundsätzlichkeine blöde Idee, ich mache das auch öfters, wenn mir eine Hose gutgefällt. Die Sachen sind so verschleissanfällig, dass es besser ist,doppelt zu kaufen.““An so was habe ich bisher nicht gedacht, ich war immer froh, wenn ich dasGeld für eine neue Hose hatte, an zwei war nie zu denken.“ Dann grinstesie. „Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass ich mich umgewöhne.“Sie verliessen das Zimmer, bekamen an der Rezeption ihre Reisepässe zurückund der Abendportier sprach Zsuzsa auf Slowakisch an. Er hatte durch denPass erkannt, woher sie kam. Sie plauderten eine Weile, dann kam sie Gregornach, der zur Eingangstür vorausgegangen war. „Der Mann ist aus Nitra. Erist vor etlichen Jahren nach Rom gezogen und hat hier eine Italieneringeheiratet. In die Slowakei möchte er nicht mehr zurück, er fühlt sich wohlhier.“Dann machten sie sich auf den Weg zum Abendessen. Sie spazierten zuerstdurch das alte Viertel, das einst der italienische Film der Zeit nach demzweiten Weltkrieg berühmt gemacht hatte. Rosselinis ‚Rom. offene Stadt’wurde hier gedreht. Als Gregor dies erzählte, stellte er erfreut fest, dassZsuzsa diesen Film kannte. Sie hatte ihn in einer slowakischen Übersetzungin Presov gesehen. „Diese alten italienischen Filme imponieren mir, es sindstets schöne und auch rührende Geschichten.“ Er nickte zustimmend undschlug dann vor, bei Paolo zu speisen, einer kleinen Trattoria miteinfachem, aber sehr gutem Essen.Sie betraten die Trattoria und wurden vom Wirt gleich freundlich empfangen.Er schlug die Hände zusammen, als er Zsuzsa sah und meinte humorvoll, ersei immer schon dagegen gewesen, dass Frauen zur Armee gingen, man sehejetzt, was dabei herauskäme. Gregor übersetzte; Zsuzsa erinnerte dieseArgumentation an eine ähnliche vor wenigen Tagen und lächelte. Paolo liessGregor besorgt fragen, ob sie solche Sprüche vertrüge. Sie kicherte underwiderte, sie sei gekommen, um fleissig zu essen, damit der Fuss möglichstrasch nachwachse. Paolo schien nach Gregors Übersetzung kurz verblüfft,lachte dann wie einige andere Restaurantgäste schallend, meinte dann, siehätte bezüglich des Restaurants die richtige Wahl getroffen und führte sieschliesslich zu einem freien Tisch.Sie bestellten hausgemachte Gnocchi, die kleinen Bällchen ausKartoffelteig, mit Tomatensauce. Als zweiten Gang wählten sie Kutteln aufrömische Art, was Paolo endgültig aus der Fassung brachte. Er fragteZsuzsa, ob sie wisse, was sie sich da antun würde. „Schmecken die bei Ihnennicht?“, fragte sie nach Gregors Übersetzung mit gespieltem Erstaunen. Erwar noch immer so verblüfft, dass er vergass, wegen ihrer Frage gehörig zuprotestieren.“Eine Frau isst Kutteln“, rief er. „Lea, es gibt neben Dir eine zweite, diedas tut“, rief er in die Küche. Eine ältere Frau streckte grinsend den Kopfaus der Küchentür und machte sich dann an die Arbeit. Die Gnocchischmeckten vorzüglich und sie tranken dazu Weisswein aus den Hügeln südlichvon Rom. Dann kamen die Kutteln und Paolo, blieb in der Nähe des Tischesstehen, um zu beobachten, ob Zsuzsa sie wirklich verdrücken würde. Erwiegte anerkennend den Kopf, als er sah, dass es ihr ernst war, und stellteeinen Korb mit Brötchen dazu auf den Tisch.“Diese Kutteln schmecken prima“, meinte sie zu Gregor, der zustimmendnickte. Sie fegten die Teller leer und tunkten den übrig bleibenden Saftmit dem Brot auf.“Fare scarpe, Schuhe machen, sagt man in Italien dazu“; erklärte er.“Ich mache nur linke Schuhe“, kicherte sie gut gelaunt. Als Paolo kam, umdie leeren Teller abzuservieren, bat Zsuzsa ihren Gregor, er solle PaolosFrau ausrichten lassen, dass ihre Kutteln mit sehr grosser Sorgfalt gekochtseinen, weil sie so gut geschmeckt hätten. Der Wirt wunderte sich nun übernichts mehr, strahlte und fragte, woher sie kämen. Als Gregor von derOstslowakei sprach und dass dort Kutteln eine sehr häufiges Gericht seien,meinte er: „Dorthin fahre ich auf Urlaub, ich esse Kutteln für mein Lebengern.“ Als Nachspeise gab es eine leckere Zabbaione, Wein mit Ei und Zuckerschaumig geschlagen.Als sie die Rechnung beglichen, meine Paolo mit Blick auf Zsuzsas leererechte untere Seite, dass das Essen erst wirken würde, wenn man öfterskäme. Lachend verliessen sie das Lokal. Es war Zsuzsas erster Kontakt zuMenschen in Rom gewesen und war sehr froh über dieses Erlebnis. Sie gingennoch bis zur Piazza Tiburtina an der antiken Stadtmauer und genehmigtensich in einer Bar einen Averna.Während sie an ihrem Magenschoner nippten, fragte sie plötzlich Gregor:“Magst Du dicke Frauen?““Hm, nicht unbedingt“, erwiderte er vorsichtig, „warum fragst Du?““Wenn ich so weiter fresse, wirst Du bald mit einer solchen zusammen sein“,begründete sie ihre Frage trocken und sah ihn ganz lieb an, während erlachte. Als sie die Bar verliessen, blieb sie stehen, nahm beide Krücken indie rechte Hand, und streckte ihm ihre linke Hand entgegen. Dann gingen sieHand in Hand Richtung Hotel.Im Hotel angekommen, hob Gregor Zsuzsa hoch und trug sie zum Zimmer. Siewar überrascht. „Was machst Du?“, fragte sie ihn.“Ich möchte Dich auf Händen tragen“, meinte er.Sie gab ihm einen langen und tiefen Kuss. „Ich liebe Dich“, flüsterte sie.Im Zimmer angelangt, setzten sie das Schmusen eine Zeitlang fort. Sieduschten kurz und bürsteten dann an ihren Zähnen. Sie schlüpfte vor ihm imBett und als er kam, war sie beim Einschlafen. Sie lächelte, als er sie amganzen Körper streichelte und küsste, räkelte sich ein wenig und schliefweg. Er kämpfte noch ein wenig mit der grossen Bettdecke, bis es ihm gelangdarunter zu kriechen, kuschelte sich eng an sie und entfleuchte auch zu denTräumen.Irgendwann in der Nacht wurde Gregor wach. Er brauchte eine Weile, um sichzu orientieren, dann merkte er, dass Zsuzsa neben ihm schnarchte, zwarnicht heftig, aber so stetig, dass es seinen Schlaf gestört hatte. Sie lagauf dem Rücken, vor ihr auf der Bettdecke eine kleine Wölbung. Erschmunzelte, schnappte sie, und drehte sie auf die linke Seite. Siemurmelte im Schlaf, und schlief in der neuen Stellung weiter. Erheitertkuschelte er sich an sie und schlief wieder ein.
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Hinzugefügt: 6 Jahren vor