SelbstgesprächeEssen, Montag, 14. März 2011 12:52 UhrIch sehe in den Rückspiegel und muss lächeln. Ich denke schon wieder an ihn und mein Versprechen. Für mich ist das was in den letzten Monaten geschehen ist, eine vollkommen neue Erfahrung. Seine Prüfungen sind nicht einfach, aber ich will meine innere Siegerin (wie er sagt) wiederfinden. Mit meinem Verhalten kann ich mir und ihm beweisen, dass ich mich unter Kontrolle habe, und man mir vertrauen kann. Die Konsequenz aus meinem Versprechen ist, dass ich eine vorgegebene Zeit von zwölf Monaten durchhalten muss, egal was er von mir verlangt. Das soll mein neuer Weg sein, Ordnung und Struktur in mein Leben zu bekommen. Ich habe zugestimmt, und ich werde ihm beweisen, dass man sich auf mich verlassen kann.Wenn ich auf dem Sitz weit vorrutsche, kann er mich kontrollieren. Jeden Moment kann eine SMS mit einem „B“ wie „Beine auseinander“ kommen. Er sieht dann sofort, ob ich seine Anweisungen befolgt habe. Ich sehe wieder in den Spiegel. Ich muss Thomas, meinen Friseur anrufen. Man sieht die herausgewachsenen Ansätze, und meine Augenbrauen müssten gezupft werden. Außerdem will ich mir ein neues Styling zulegen. Ich denke an einen Retro-Look und ich habe ganz bestimmte Vorstellungen. Stefan wird umfallen, wenn ich damit ankomme. Die Kinder trödeln wie immer. Der tägliche Bring- und Abholstress macht mich noch verrückt, und ich kann kaum noch sitzen. Draußen ist es kalt – zu kalt für den März. Der Regen läuft in Schlieren über die Scheiben. Das „Sch“ „Sch“ der sich hin und her bewegenden Scheibenwischer zehrt an meinen Nerven. Es erinnert mich an die Reibung von Haut an nassem Latex. Er mag Latex, ich eher nicht. Wenn Latex-Strümpfe nur nicht so schwer anzuziehen wären. Dafür bekommen die keine Laufmaschen und können leicht abgewischt werden – das hat auch Vorteile. Die Scheiben sind innen beschlagen und mir ist heiß. Am liebsten würde ich meine Bluse aufknöpfen, aber nicht hier und schon gar nicht vor der Schule. Hoffentlich kommt er nicht wieder auf so eine Idee wie am Sonntagmorgen im Rhein-Ruhr-Zentrum. Die Wachleute vor den Überwachungs-Monitoren hatten bestimmt ihren Spaß. Ich schließe die Augen und die Töne sind in meinem Kopf. Ich summe die Melodie: „…Aber schön war es doch, aber schön war es doch, und ich möcht‘ das noch einmal erleben. Dabei weiß ich genau, dabei weiß ich genau: So was kann es doch einmal nur geben. Aber schön war es doch…“ Meine Gedanken drehen sich wieder um die vielen Dinge die ich heute noch erledigen muss. Das ständige Müssen und Sollen geht mir auf die Nerven. Immer muss ich irgendetwas tun was ich nicht tun will, aber doch tu, weil ich so konditioniert bin – wie ein abgerichtetes Hündchen, immer um Lob und Belohnung bettelnd. Ich will meine innere Ruhe finden. Was für ein Widerspruch, ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich will nur noch das tun, was er von mir verlangt. Warum Stefan noch nichts bemerkt hat, ist mir rätselhaft? Kann ein Mann so ahnungslos sein? Mein Ehemann sieht mich nicht mehr an. Er hat weder die Striemen auf meinem Arsch, noch die blauen Flecken an meinen Brüsten bemerkt. Er wundert sich auch nicht, dass ich nicht mehr nackt, sondern nur noch mit Shirts oder gruselig unerotischen Nachhemden ins Bett komme. Ich will nicht mehr, dass Stefan mich berührt, weil er es als Aufforderung verstehen könnte, dass ich mich ihm hingebe. Aber ich sehne mich nach seinem Körper, nach seinem Geruch, und ich will nur neben ihm liegen und wissen, dass er da ist – mehr nicht. Ich schüttle den Kopf, aber meine Selbstgespräche lassen sich nicht wie eine lästige Fliege verscheuchen. Ist sein Verhalten nur ein schönes Beispiel von ehelicher Blindheit, oder will er nichts bemerken, damit das Konstrukt unserer Ehe (koste es was es wolle) erhalten bleibt und das Fundament keine Risse bekommt? Tiefe Risse die schon längst vorhanden sind, und nur durch ein stillschweigendes Arrangement von Funktionieren und andressierter Ruhe überschminkt werden. Ich muss an einen Dampfkochtopf denken, in dem sich Hitze immer mehr aufbaut, und das Sicherheitsventil defekt ist. Ich betrachte meine Hände. Zu meiner Fingernageltante müsste ich auch. Vielleicht mal Crash-Lack, oder doch lieber ein Knallrot auf verlängerten Krallen? Ob es Kosmetikinstitute für Ehen gibt? Etwas Modellage und ein paar Tupfer Klarlack und alles ist wieder wie neu. Ich werde das nachher mal im Internet checken. Aber was beklage ich mich? Der Zustand wie er ist, ist trotz allem sehr komfortabel. Liebe verändert sich nun mal im Laufe der Zeit und Ehe ist der Killer jeder Leidenschaft – das wussten schon die alten Griechen, die immerhin als Erfinder des „Griechischen“ in die Weltliteratur eingegangen sind. Fast hätte ich laut aufgelacht. In dieser Disziplin ist er ein Künstler – bei den Frauen anderer Männer. Dumm fickt gut, heißt es doch. Das bedeutet nichts anderes, als dass intelligent schlecht fickt. An den alten Sprichwörtern scheint etwas dran zu sein. Stefan ist intelligent und mein Traummann – eigentlich immer noch, und ich möchte mit ihm alt werden. Das rede ich mir oft und wie ein Mantra immer wieder ein, und ich glaube, dass ich auch daran glauben kann, wenn ich solche Sätze nur oft genug wiederhole. Oder ist es nur eine Illusion an die ich mich verzweifelt klammere, und Stefan hat sich schon zu weit von mir entfernt, weil ich dabei bin, mich in eine andere Dimension zu entwickeln? Er behauptet, dass die Art unserer Beziehung schon von Aristoteles als die reinste Form der Liebe beschrieben wurde. „Kleines Fickstück. Das hebt dich aus der Masse und formt dich zur vollkommensten aller Frauen, zum Genie …“ sagt er. Obwohl er hochintelligent ist, passt das alte Sprichwort nicht zu ihm. Er ist ein moderner Mann der seiner Zeit weit voraus ist. Er lässt mich ficken und es gefällt ihm, weil ich für ein Jahr sein Eigentum bin, mit dem er machen kann, was er will. Seit zwei Tagen trage ich sein Brandzeichen auf der linken Pobacke. Er sagt: „Das ist mein Markenzeichen.“ Es ist noch nicht verheilt, und der Schmerz erinnert mich daran, dass er mich verleihen kann. „In seinem Bett das Zeichen eines anderen tragen, und an deinem Hals das Mal, dass ich dir biss. Das haben schon die alten Philosophen gesagt …“ Er ist so belesen, und das imponiert mir. Er kann mich auch verschenken, und eines Tages wird er mich wie eine unnütze Sklavin verkaufen – das spüre ich, und der Gedanke daran quält mich, weil ich ihn nicht verlieren will. Noch zwei Stunden. Ich versuche nicht daran zu denken, aber der Gedanke, dass es da ist, erregt mich. Ich weiß, wo er das Ding angebracht hat. Er hat es mir gezeigt und mir nachdrücklich verboten, es zu verstellen oder zu entfernen. Dumm ist er nicht, und wenn man nicht zu genau hinsieht, fällt es auch nicht auf. Das kleine schwarze Gerät ist unterhalb des Lenkrads, ganz unten an der Konsole. Es sieht aus, als ob es dazu gehört. Nur wenn ich den Wagen in die Werkstatt bringe, muss ich ihn fragen, ob ich es vorher entfernen darf. Die bei BMW gucken bestimmt blöd, wenn die das Ding entdecken, und auf blöde Fragen habe ich keine Lust. Endlich sehe ich die Kinder und die Türen gehen auf. „Hi Mum“ ist alles was ich zu hören bekomme. Ich bin die Mum, das gehorsame Muttertier das die aufgetragenen Fahrdienstpflichten zu erfüllen hat. „…mit dir will ich die Pferde stehlen, die uns im Wege sind. Ich geh mit dir durch dick und dünn…“ Die Taschen fliegen auf den Sitz. Ich drehe am Button und stelle die Musik leiser. Die kleinen Dinger in den Ohren töten jede Kommunikation. Ich will eine gute Mutter sein und mit meinen Kindern sprechen, aber mir fällt nur „wie war die Schule?“ ein. Was habe ich erwartet? Vielleicht eine ausführliche Sc***derung der letzten Stunden? Ich bekomme keine Antwort und mein sogenanntes „schlechtes Gewissen“ macht sich wieder bemerkbar. Im Spiegel sehe ich nur nickende Köpfe, ausdruckslose Augen, und Ohren, aus denen weiße Kabel wachsen. Ich liebe meine Kinder, aber meine Gedanken sind zu weit weg, als dass mich Antworten oder längere Berichte über den Schulalltag wirklich interessieren würden. Er nennt das Spiel authentische und empathische Supervision, und er behauptet, dass er mit seinem auf den Menschen abgestimmten Persönlichkeitsentwicklungs-System sensationelle Erfolge erzielt. Einen Erfolg hat er schon verbucht. Er ist der Erste, der mich wirklich versteht und der zu den finstersten Orten in meiner Seele vordringen konnte. Er sagt: „Wenn du deine Seele beherrschen willst, und eine Expertin für deine Persönlichkeit werden möchtest, musst du zuerst lernen, wie du deine Lebensstory in ihre Einzelteile zerlegen und neu zusammensetzen kannst. Dazu müssen wir das tief Vergrabene in deiner Seele finden. Versetz dich in die Denkweise einer Heldin, einer Abenteurerin, einer Schatzgräberin…“ Am Anfang unserer Beziehung dachte ich oft, dass das nur hohle Sprüche sind, und ich glaube, er hat es mir auch angesehen, dass ich das nicht ernst nahm. Unsere Beziehung hat sich kaum merklich verändert. Sie ist nicht mehr so unbeschwert wie vor einigen Wochen. Aber inzwischen sehe ich ein, dass solche Prüfungen bei einem wirksamen Coaching dazu gehören müssen. Wie soll ich mich jemals frei fühlen, wenn mir bedingungsloses Gehorchen schon so schwer fällt. Er sagt: „Erst wenn du die Analogie der Gegensätze erlebt und mit deinem Körper gelebt hast, kannst du wirklich frei werden.“ Ich bin belastbar und ich will frei werden. Ich will lernen, wie ich mich von allen Zwängen befreien kann, aber ich halte es kaum noch aus. Ich muss auf die Toilette, aber ich muss mich auch konzentrieren und die Kinder unbeschadet nach Hause bringen. Dann muss ich das Essen zubereiten, und die liebende Mutter spielen, und wenn die Kinder abgefüttert sind, kommen meine Bedürfnisse. Und erst danach, wenn die Glocken der Kirche zu hören sind, kann ich auf die Toilette – nicht vorher und nur wenn er auch zustimmt. „Ich will die Glocken läuten sehen“ hat er gesagt, und ich halte meine Versprechen. Ich werde alles tun, was mein Privat-Coach von mir verlangt. Er bekommt sie zu sehen.
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