Erstes TagebuchNicht alle Personen, Orte und Ereignisse sind frei erfunden. Dieser Text stammt aus meinen Tagebüchern, die ich von Anfang 2011 bis heute geschrieben habe. Ich habe versucht, die Ereignisse so darzustellen, wie sie in meinen Erinnerungen sind. Ich weiß, dass ich mir mit der Veröffentlichung meines Tagebuchs viele Feinde machen werde. Manche könnten auch vermuten, dass ich hochgestellte, real existierende Personen beschrieben habe. Das ist falsch. Alle Personen, Orte und die Begebenheiten sind frei erfunden. Anmerken möchte ich, dass ich diesen Satz schreiben muss, um mich vor unberechtigten Forderungen und Gewalt gegen meine Person zu schützen. Und auch du Alex (oder wie du dich auch immer nennen magst) irrst dich. Dich versuche ich zu vergessen. Du kommst in meinem Tagebuch nicht vor. Danken möchte ich meinem besten Freund Raoul, der mir in einer tiefen Lebenskrise geholfen, und mit viel Überredungskunst den Mut gegeben hat, mein Tagebuch in eine lesbare Form zu bringen und zu veröffentlichen. Lob-NutteEssen, Montag, 14. März 2011 19:12 UhrIch bin allein in der Firma und immer noch im Show-Room. Wie oft ich die neue Kollektion arrangiert habe, weiß ich nicht, weil ich nicht mitgezählt habe. Sorgfältig achte ich darauf, dass die schweren Kleiderbügel auf den Chromstangen immer im Abstand von fünfzehn Zentimeter zueinander hängen. Die wertvollen Kollektionsteile brauchen Platz um ihre Wirkung zu entfalten. Auf die exzellente Qualität der Stoffe bin ich besonders stolz. Das Gesamtbild der Kollektion muss stimmen, aber noch mehr kommt es auf die Details an, und die Accessoires sind ein Traum. Auch die weich fließenden Styles und die perfekt abgestimmten Farbnuancen der Cocktail- und Abendkleider sind eine Sensation, aber es gibt noch zu viele Details, die ich ändern möchte. In solchen Sachen bin ich zu kritisch und eine Perfektionistin. Die Orders sind für die Firma wichtig. Aber noch mehr sehne ich mich nach Lob. Nur enthusiastischer Beifall ist die ultimative Krönung meiner Arbeit. „Du bist die Beste.“ Das sage ich mir immer wieder. Ich will immer nur das Beste. Ich bin besser als die Besten, und alles andere kann man in die Tonne drücken. Dennoch hätte ich große Lust, alles noch einmal anders zu machen, wenn der ständige Druck von Franz und die kleinen Gehässigkeiten von Uli nicht wären. Zeit, Kosten und vor allem meine besten Freunde sind meine größten Feinde. Es geschieht nicht bewusst und ist nur gut gemeint, aber sie arbeiten gegen mich und zerstören meine Kreativität. Die Budgetplanung und die endgültige Kalkulation sind auch noch nicht fertig. Zahlen und Statistiken gehören zu meinem Job und ich versuche mein schlechtes Gewissen zu verdrängen. Gibt es niederdrückendes „schlechtes“, und einschläferndes „gutes“ Gewissen? Kann man so etwas verdrängen? In Wirklichkeit sind das nur andressierte Gefühle von Schuld und Minderwertigkeit, die mich brutal manipulieren und vereinnahmen wollen. Ich weiß, dass ich wieder bis spät in die Nacht arbeiten muss. Franz sagt immer: „Du musst nicht, du darfst.“ Als ob mich seine angelesenen Sprüche motivieren würden. Ich öffne eine kleine Flasche Stolzenfels-Sekt. Das ist auch so eine „kleine Erfindung“ von Franz. Vor einem Monat kam er mit drei Kartons Stolzenfels-Sekt in die Firma und hat mit theatralischer Geste verkündet: „Der Aldi-Sekt schmeckt wie die wilden 20er in New-York, und außerdem hat er das Feeling einer einsamen Insel hat, wo alle nackt rumlaufen und sich an weißen Sandstränden unanständig lieben.“ Uli hat hysterisch gegackert und einen Schluckauf bekommen. Verena hat etwas leiser gelacht, und ich habe auch gelacht und mir nichts dabei gedacht. Erst später habe ich begriffen, dass Franz mir damit zu verstehen geben wollte, dass Champagner für das Personal zu teuer ist. Seit einiger Zeit gibt es Moet und Pommery nur noch für gute Kunden. Der Rest (das Kleinvieh, die Schlechtzahler und die Kostenverursacher) bekommt Kaffee aus der Senseo, und ich den Aldi-Sekt. Auch die Süßigkeiten sind zusammen mit der Schale auf dem Empfangstresen und den Blumen im Entrée verschwunden. Ich rufe Stefan an, und als ob er auf mich gewartet hätte, ist er sofort am Telefon.„Du, ich muss hier noch so viel erledigen. Mach dir doch selber etwas zum Essen. Bei mir wird es wieder später. Ich liebe dich.“Ein abwesend klingendes „ich liebe dich auch“ kommt zurück. Ich schüttle den Kopf. Liebe klingt bei Stefan so routiniert wie eine Höflichkeitsfloskel. Die Worte und Sätze „Bitte“, „Danke“, „ich liebe dich“, „hast du Lust“, schön, dass du den Müll rausgebracht hast“ klingen alle gleich, wenn die Emotionen verloren gegangen sind. Stefan liebt mich, daran habe ich keine Zweifel. Aber wie und wann liebt er mich und warum. Liebe ist ein deformierter Begriff für eine überaus komplizierte Angelegenheit. Kein Wunder, dass dir keine Bank einen Kredit gibt, wenn du nur Liebe als Sicherheit bieten kannst.Warum mir jetzt das Beispiel mit dem bunten Schmetterling am Amazonas einfällt, weiß ich nicht. Ist es Gedankenlosigkeit, wenn ein unwissender Indio nach einem Schmetterling schlägt und das kleine Flattervieh tötet? Denkt er dabei an die Folgen, die im schlimmsten Fall fürchterlich sind? Durch den toten Schmetterling können Blumen nicht bestäubt werden, Bienen finden keine Nahrung, Bäume wachsen nicht mehr, ganze Landstriche veröden, und aus der Kettenreaktion entstehen Katastrophen in Europa und Asien, und das Ende der menschlichen Zivilisation ist nah. So ähnlich muss es sich mit der Liebe verhalten. Kleine Unachtsamkeiten kumulieren sich, und am Ende der Kette hängt ein zentnerschweres Liebes-Armageddon.Ich versuche nicht darüber nachzudenken. Stefan und sein Team arbeiten an einem schwierigen Projekt, und er hat seinen Kopf woanders. Eigentlich bin ich froh, dass er keine Fragen stellt und beschäftigt ist. Hoffentlich hält seine Sehschwäche noch einige Zeit an. Es kommen auch wieder andere Zeiten, aber momentan brauche ich meine Ruhe, und ich bin froh, dass seine Ruhe, die Ruhe der sanften Unwissenheit ist.Franz und Uli haben mir schon vor Monaten eine Teilhaberschaft an der Firma zugesagt. Verena war auch einverstanden, und wollte sich um die rechtlichen Dinge kümmern. Zum Beginn des neuen Geschäftsjahrs am 1. Juli 2011 soll ich gleichberechtigte Partnerin werden. Stefan vertraut mir blind. Als ich ihm von der Chance einer Teilhaberschaft erzählt habe, hat er nur geantwortet: „Liebling du machst das schon. Wenn du dir sicher bist, dass du das Richtige tust, dann stehe ich zu dir. Wenn du einverstanden bist, rede ich mit Verena, damit das alles in Ordnung geht.“ Natürlich war ich einverstanden. Zahlen waren mir schon immer suspekt. Das dennoch wollte ich Stefan nicht weiter belästigen. Die Sparkasse hatte zwar anfangs darauf bestanden, dass Stefan den Kreditvertrag als Bürge mit unterschreibt, aber da mir das Haus gehört, ging es dann auch so. Stefan ist immer noch skeptisch. Er meint: „Bis du Mitinhaberin wirst, kann noch viel passieren, und danach noch viel mehr.“ Mehr hat er nicht gesagt, aber ich weiß, dass das mit dem Geld und der Firma gutgehen muss, weil sonst alles schief geht.Franz und Uli sind die Geschäftsführer der Firma. Mit Franz komme ich gut aus, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass zwischen uns etwas ist, was ich nicht durchdringen kann. Uli ist der Unberechenbare und entspricht allen Klischees über Schwule. Er ist spindeldürr, mit einem glattrasierten Kopf (damit er seine Perücken besser aufsetzen kann), und einem obertuntigen Gehabe. Uli kenne ich schon sehr lange, und er ist wie ein guter Freund, dem ich vertraue. Ich schätze ihn als kreativen Marketingexperten im Unternehmen, aber er zickt auch gern herum, und manchmal sind seine Witze sehr verletzend. Franz ist für die Finanzen und das operative Geschäft zuständig. Franz ist mit Verena verheiratet und Verena ist meine beste Freundin. Eigentlich sind wir das perfekte Team. Dennoch ist seit einiger Zeit etwas in mir, was mich verunsichert. Zwar sind es noch drei lange Monate, aber ich werde immer wieder hingehalten. Mal sind es Terminprobleme, dann hat der Steuerberater die Bilanzen noch nicht erstellt, die angeblich für meine Beteiligung wichtig sein sollen. Außer Versprechungen habe ich immer noch nichts Schriftliches in der Hand. Stefan habe ich davon nichts gesagt. Er soll sich keine Sorgen machen. Stefan hat in seinem Job genug um die Ohren. Ich habe einen Kredit auf mein Haus aufgenommen und von der Sparkasse 350.000 Euro zu sehr günstigen Konditionen erhalten, die ich bereits vollständig in die Firma eingebracht habe. Damit konnte die neue Kollektion finanziert werden, die sonst das Budget vollkommen gesprengt hätte. Aber ich bin zuversichtlich. Nächste Woche soll ein Fotoshooting in Marbella stattfinden. Ich werde nicht hinfliegen müssen. Uli, Franz und Verena sind dort, um die Locations zu checken und ich bin hier für die Präsentation der Kollektion verantwortlich. Die ersten Vororders sind besser als erwartet, und sogar die Einkäufer der Handelsketten waren von der Kollektion begeistert. Nur die wirklich großen Aufträge auf die es ankommt, sind noch nicht da. Eigentlich müsste ich mich daran gewöhnt haben, es ist immer das gleiche Spiel von Zuversicht und Hoffnung. Ich schalte meinen Laptop ein und das Fenster zu den unendlichen Weiten des Internets öffnet sich.Zahlen und Statistiken sind mir ein Gräuel. Ich hasse alles was auch nur im Entferntesten wie „Tabellenkalkulation“ oder „Kostenrechnung“ klingt. Nur der Name „Excel“ inspiriert mich. Meine Gedanken schweifen ab, und ich denke an mittelalterliche Folterwerkzeuge in einem dunklen Keller mit rostigen Gitterstäben und Halseisen an Ketten. Auch die Bezeichnung „PowerPoint“ erscheint mir wie eine Metapher, hinter der sich mehr als nur Erfolg und Macht verbirgt. Mein PowerPoint ist die glühende Hölle meiner unendlichen Phantasie, aus der meine Kreativität ihre Kraft schöpft. Die Zahlen auf dem Bildschirm verschwimmen vor meinen Augen. Aber es sieht wie ein lustiges Spiel aus. Wenn ich eine Zahl verändere, bewegen sich die Säulen. Aber was bedeutet das im Verhältnis zur Ewigkeit? Worst-Case und Best-Case sind doch nur hohle Phrasen ohne Sinn. Im Leben zählt nur die Realität – das Ist im Hier und Jetzt.Meine Phantasie beginnt sich zur recken und zu strecken. Die pulsierenden Säulendiagramme erinnern mich an rote und schwarze, steil aufstehende Schwänze – in einer Reihe zum Gebrauch aufgestellt – die Monster kommen zuerst, und die kleinen, weichen am Schluss. Wenn die Aufträge nicht reinkommen, wird alles abgeschnitten und auf einen einzigen blutroten Fleck geschrumpft. Was bleibt ist eine große Blutlache, als ob Caligula zusammen mit Nero und noch ein paar anderen Durchgeknallten eine Party gefeiert hätten. Die Säulen sehen hübsch aus, aber die Reihenfolge ist falsch. Eigentlich müssten die kleinen roten zuerst drankommen. Als Horsd’œuvre, schön lecker zum dran lutschen serviert, bis sie prall und stramm wie schwarze Deutschländer stehen. Später kommen die prallen Hengstschwänze als Belohnung für meine monatelange, harte Arbeit. Ich sollte an die Zahlen denken, aber meine Gedankensprünge sind zu groß. Mir fällt der schöne Roman „Black Emanuelle“ ein. Den Inhalt des Buches kenne ich fast auswendig, so oft habe ich es gelesen. Die Szene, wo eine Frau (war es die Frau des Gastgebers? Ich muss das noch mal nachlesen) vor geladenen Gästen ein Pferd bis zum Höhepunkt masturbiert, ist in mein Gehirn eingebrannt. Ich schließe die Augen und stelle ich mir das vor Lust wiehernde Pferd vor, das sich über der Frau entleert, und ich höre den verdienten Applaus, den die fleißige Gastgeberin dafür bekommt. Frauen im antiken Rom waren von den Männern abhängig. Aber als Hausherrinnen besaßen die römischen Frauen die wahre Macht. Auch ich übe eine gewaltige Macht über ihn aus, obwohl er davon nichts ahnt. Er ist mein kleiner Erfüllungsgehilfe, der nur das macht, was in meinen geheimen Brennkammern meiner Phantasie schon immer vorhanden war. Darüber darf ich nicht mit ihm reden, weil ich ihn noch brauche, und ich ihm seine Illusion nicht rauben möchte. Wenn er auch nur im Entferntesten daran denkt, dass er mich nicht braucht, kann ich nur lachen. Das ist mein innerer Zwiespalt zwischen meinen Bedürfnissen und meinen Träumen von Freiheit und Unabhängigkeit. Meine Gedanken wandern wieder zu ihm, und zu dem, was er mit mir machen könnte. Ist das nur ein Spiel, so wie Monopoly? Wenn ich es richtig sehe, bringt er nur eine Leistung, die nachgefragt wird. Meine Seele lechzt danach, Aufgaben von ihm zu bekommen, und ich bin bereit, alles dafür zu geben. Aber warum macht er das? Ist das nur eine endlose Abfolge sich anziehender und doch abstoßender Reize im Zirkus „statt einem Grund gilt mein Wille?“Geld ist zwischen uns nicht das Zauberwort, aber mit Geld kann man alles erreichen. Seine luxuriöse Wohnung ist etwas Besonderes. Auch seine Terrasse, hoch über den Dächern von Essen ist ein Traum, aber ein Pferd da hin zu bekommen, dürfte auch ihn vor ein Problem stellen. Mit mir hatte er es nicht schwer. Mich in den siebten Stock und dann in seine Penthouse-Wohnung zu locken, war für ihn einfach. Als ich ihm in die Augen gesehen hatte, wollte ich es. Aber mit einem Pferd ist das etwas anders. Passt ein Pferd in einen Aufzug? Wie viel wiegt ein Pferd und ab welchem Gewicht ist die zulässige Nutzlast des Aufzugs erreicht? Wie verhält sich ein verschreckter Hengst der Aufzug gefahren ist, auf einer emanzipierten Frau die seine Wünsche erfüllen will? Kann ein feuriger Araber-Hengst nach einer Aufzugsfahrt auch Erektionsprobleme oder Höhenangst bekommen? In den Stadien des Roms waren solche Aktionen unkomplizierter. Damit sich das Volk erfreuen konnte, wurden erbeutete Frauen und ungehorsame Sklavinnen festgebunden, damit die von Hengsten und Stieren bestiegen werden konnten. Wie man weiß, hat das die Zuschauer und manch eine Senatorengattin erfreut und zu Nachahmungstaten verleitet. Die Viecher kamen danach in die Bratpfannen, und was aus den Frauen wurde, ist nicht bekannt. Die alten Römer hatten Platz im Überfluss, und auch an Pferden und Stieren hat es nicht gemangelt. Das Volk wollte Steaks und Spiele, und darum gab es bei solchen Events auch keine moralischen Bedenken.Er sagt: „Um gottgleiche Wesen zu werden, müssen wir die alten Götter wiederentdecken. Wir müssen das Verhalten studieren und nachmachen. Brot für den Hunger der Seele, und Spiele für die Phantasie…“ Das leuchtet mir ein. Die antiken Götter trieben es zu allen Zeiten und in allen Kulturen bunt durcheinander. „…und die konnten sich, wenn es die Situation erforderte, in Stiere und Hengste verwandeln. Die modernen Menschen spielen ihre Rollen, aus denen sie sich nicht befreien können, und sie sind unglücklich. Wir müssen zurück zu den Spielen der alten Götter…“ Seine Worte haben sich in meinem Gehirn festgesetzt. Ich weiß, ich soll mich mit der Kostenrechnung befassen, und muss lachen. Ich versuche mir die Situation vorzustellen. Der Ehemann kommt müde von der Maloche in seine Villa urbana und im Nymphaeum ertappt er seine Frau mit den Nubier-Sklaven und dem Haus- und Hofhengst. Bei den alten Griechen und Römern hieß es dann: „Schatz, das ist nicht so wie du denkst. Das sind Götter, die dürfen das…“ Er macht zwar öfter Andeutungen und sagt: „Eine ungedeckte Stute ist für mich keine vollwertige Frau…“ und „…ein Freund besitzt einen Bauernhof in der Nähe von Herne. Der veranstaltet hin und wieder Partys, und da fahren wir demnächst mal hin…“, aber ich weiß nicht, ob das nur seine Phantasien sind, oder ob er das wirklich vorhat. Lieber nicht daran, sondern an einen knuffigen Wuschelhund mit sympathischen braunen Augen denken. Dann gibt´s auch keine Probleme mit dem Aufzug. Ich muss mich endlich um das Budget kümmern, und ich bin allein im Büro. Stefan schläft bestimmt schon, und wie ich ihn kenne, hat er die Kinder in die Betten gebracht. Um meine Familie muss ich mir keine Sorgen machen. Auch die schlechten Zahlen beunruhigen mich nicht mehr, aber seit heute Nachmittag habe ich nichts von ihm gehört. Seine Theorie scheint zu funktionieren. „Deine Probleme rühren daher, dass du alles auf die Verursacher und die Wirkung auf dein Leben reduzierst. Wenn du deine Sorgen und Ängste so verstehst, stößt du früher oder später auf Dinge, die sich anders als geplant entwickeln, oder einfach nur Widersinniges, was alle deine Planungen über den Haufen wirft. Du kannst dieses Problem nicht lösen, aber du kannst die Folgen überstehen, wenn du etwas hast, was alles überlagert und dich stark macht. Es ist die Macht deiner Phantasie… “Die Macht meiner Phantasie wollte ihm eine Freude machen, aber das kleine Filmchen hat er nicht kommentiert. Ich sehne mich nach seiner Aufmerksamkeit. Meine Gedanken drehen sich nur um ihn. Ich bin seine Lob-Nutte, seine Sehnsuchts-Hure, die hechelnd und für ein klitzekleines Anerkennungs-Schmacko bereit ist, alles für ihren Herrn zu tun. „Die Frau soll den Webstuhl betätigen und sich im Bett fleißig bewegen.“ So steht es in der Ilias. Sinnbildlich betätige ich den Webstuhl, ich schaffe Geld ran und ich will mich im Bett fleißig bewegen, aber nur wie er es will und nicht mit Stephan, weil ich es so will. In mir ist eine nicht endend wollende Unruhe und ich rauche zu viel. Uli mag die Qualmerei nicht und Franz hasst es auch, wenn ich im Showroom rauche. Mode ist ein sinnliches Erlebnis, das alle Empfindungen ansprechen kann – wenn man es richtig macht. Mir haben Frauen erzählt, dass sie einen Orgasmus hatten, nur weil sie einen meiner besonderen Stoff gestreichelt, oder einen Pelz auf der Haut gespürt hatten. Manche Frauen haben auch heute noch ihren Kinderteddy im Bett, weil der so sinnlich rubbelt. Nylon besitzt auch so eine erregende Eigenschaft, oder das hauchdünne Latex. Der Geruch von Zigaretten tötet die Empfindungen. Nikotin macht stumpfsinnig. Ich kann mich nicht auf die Etatplanung konzentrieren. Für so widernatürliche Pflichten wie Etatplanungen gibt es Buchhalter. Ich bin eine kreative und sensible Frau, und kein Zahlenvieh.Warum ist er mir so vertraut, und warum weiß ich so wenig von ihm? Ich kenne sein Penthouse und wie er lebt, aber ich weiß nur, dass er sich als „Unternehmensberater“ und „Coach“ bezeichnet, und angeblich Führungskräfte aus der Industrie trainiert. Einmal konnte ich ein Telefongespräch mithören. Es war eine lustige Situation. Er hatte mich verschnürt und in den schmalen Käfig unter seinem Esstisch gesperrt. Dann kam ein sehr wichtiger Anruf. Nach einer Stunde hat er mir voller Stolz gesagt: „Der Wichser, mit dem ich telefoniert habe, war eine hochrangiger CDU-Spanner. Den macht es an, wenn der zusehen darf, wie seine Alte von jungen Kerlen gefickt wird, und die bezahlt der auch noch.“ Ich habe nur wie ein kleiner Hund gehechelt. Da hat er gelacht und gesagt: „Die stelle ich dir demnächst mal vor. Das ist ein sehr nettes Ehepaar. Etwas älter, aber das macht ja nichts. Mit ihr verstehst du dich bestimmt gut. Sie hat einen ausgefallenen Geschmack…“ Ist er verheiratet? Hat er Kinder? Ich weiß nur, dass er gebildet ist, und sich ausdrücken kann. Wir hatten vereinbart, dass ich ihm eine SMS sende, wenn ich ungestört bin. Der Code – unser Code für Freiheit ist ein „F“ und sonst nichts. Nur ein schlichtes „F“ und keine persönlichen Dinge oder Liebeserklärungen und solche sentimentale Sachen. Ein „F“ bedeutet „fickbar“, und ich bin universell fickbar – so wie er es möchte. Ich bin sein Fickstück. Ich liebe ihn, weil er meine geheimsten Gedanken errät, bevor ich sie gedacht habe. Mit zitternden Fingern tippe ich ein „F“ in mein iPhone und sende die SMS. Er weiß was zu tun ist und meiner Seele gut tut.Seit ich ihn kenne, denke ich immer, dass man mir die Geilheit ansehen und auch riechen müsste. Ich darf keine Slips tragen. Nicht nur schwarze Strümpfe, auch welche, die mit der Farbe meiner Hände harmonieren, sind mir erlaubt, weil sie mit weitgehend mit meinem Teint übereinstimmen. Satin-Sheers mag er gern. „Die sehen so nass aus“ hat er mir mal gesagt. Strumpfhosen mag er auch, aber keine Slips. Stefan ist da vollkommen anders. Stefan ist es gleichgültig, was ich für Wäsche trage. Stefan ist auch nicht aufgefallen, dass ich mir jeden Tag alle Haare unter den Armen, an den Beinen und in der Intimzone entferne. Im Internet ist alles möglich, aber unverbindlich, und das hat viele Vorteile. Ich mag es mich zu zeigen, aber nur so, dass mich niemand erkennt. Im Internet gibt es anonyme Körper die angeklickt und angestarrt werden. Fette, dünne, haarige, faltige Körper die schwitzen, sich befingern und mit seltsamen Gegenständen malträtieren. Manchmal auch schöne Bodys und immer wieder Schwänze, Ärsche, Titten, Fotzen, mit denen auch die ausgefallensten Geschmäcker bedient werden. Das Internet ist eine gigantische Konzentration positiver Energie auf die Sinne. Spannend wird es, wenn eine kurze Übereinstimmung zu einer realen Beziehung führt. Nervös ziehe ich an einer Zigarette und drücke sie gleich wieder aus. Dann versuche ich mit den Händen den Rauch zu verwedeln. Ich weiß, dass es sinnlos ist. Alles wird sinnlos, wenn die Sucht von dir Besitz ergriffen hat.Mein Handy vibriert. Ich habe eine SMS bekommen. Ich sehe das „Z“ und weiß, dass ich mich zeigen muss. Das ist kein wirkliches „Müssen.“ Ich will mich ja zeigen, weil tief in mir etwas Exhibitionistisches verborgen ist. Schon in der Schule und auf dem Gymnasium mochte ich es, wenn die Jungs alles dransetzten, um ein kleines Stückchen Haut von mir zu sehen, die ich gut zu verbergen wusste, und doch so gern zeigen wollte.Ich schalte meine Webcam ein, und auf meinem Bildschirm öffnen sich die kleinen Kästchen. Fünf, zehn, zwanzig, ich zähle nicht mehr. Männer die mit mir chatten wollen, die sich aufgeilen und auf mich spritzen wollen. Heute bin ich Schlampe35. Den Namen hat er mir zugeteilt. „Bist du geil?“„Was hast du an?“ „Woher kommst du?“„Zeigst du auch mehr?“Das sind die Fragen die am Anfang jedes Chats stehen. Dann werden Schwänze gerubbelt und es wird gespritzt. Wenn das alles bei mir ankommen würde, wäre es ein Sperma-Tsunami. Ich knöpfe meine Bluse auf und ziehe meinen BH unter meine Brüste. Ich bin zweifache Mutter und fünfunddreißig Jahre alt. Meine Brüste hängen etwas, aber ich finde, dass sie immer noch schön aussehen. Meine Brüste quellen über meinen heruntergezogenen BH. Den Anblick mag er, aber noch mehr mag er es, wenn er meine Titten abbinden kann. Darin ist er ein Künstler. Er verwendet Seile aus dem Baumarkt, oder farbige Kabelbinder, das sind die Plastikbänder, die sich nicht mehr öffnen lassen, und die man nur noch aufschneiden kann. Wenn er mehrere um meine Brüste bindet, verformen die sich wie Schläuche und schwellen an. Manchmal nimmt er auch meine Strümpfe. Früher mochte ich das Abbinden nicht, aber inzwischen liebe ich es. Meine Brüste werden dadurch sehr empfindlich und schon eine Berührung reicht aus, und ein Zittern durchläuft meinen Körper. Ich nehme die kleine, grüne Sektflasche und streichle mich damit. Sie hat genau die Größe die ich liebe. Das Glas fühlt sich kalt an. Am Flaschenhals ist das Metall des Schraubverschlusses, aber der schmale Flaschenhals interessiert mich nicht. Ich will das andere Ende.
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Hinzugefügt: 6 Jahren vor