Wir diskutierten noch eine ganze Zeit und dann löste sich die Versammlung auf.„Ich habe die Leute zwar immer toleriert aber jetzt verstehe ich was mit ihnen los ist“ sagte mit William, der aufmerksam zugehört hatte „was hast Du jetzt vor?“„Ich werde mir einen Mietwagen nehmen und nach Nikosia fahren und mir die Stadt ein wenig ansehen, morgen bin ich ja im Ministerium verabredet.“„Ich hab ne bessere Idee“ meinte William „gleich fährt ein Kurier nach Dekelia und später weiter nach Nikosia ins Hauptquartier. Der kann Dich doch mitnehmen. Deine Urkunden kannst Du bei mir lassen, dann werden sie Dir in der Stadt nicht geklaut.“„Gute Idee“ sagte ich „dann kann ich mir unterwegs die Gegend anschauen.“So wurde es gemacht, William verstaute die Besitzurkunden in seinem Tresor und brachte mich zum Kurierfahrer und instruierte diesen. Auf dem Weg dahin kam der Standortgeistliche aufgeregt zu und gelaufen und fing sofort an zu schimpfen „so können Sie doch nicht über die Kirche reden, ich hab mir eben den Film von ihrem Vortrag angesehen. Sie können doch das Christentum nicht so runtermachen.“„Ganz ruhig, Herr Pastor. Ich habe nicht das Christentum kritisiert sondern die verknöcherte Amtskirche. Die Regeln die die Amtskirche aufgestellt hat, sind aus der Frühzeit und hatten vielleicht damals ihre Berechtigung um etwas Ordnung zu schaffen. Aber in der heutigen Zeit sind diese Regeln zum großen Teil nicht mehr anwendbar. Die Menschheit ist klüger und dadurch moderner geworden. Da passen viele dieser Regeln nicht mehr hinein. Die Kirchenfürsten und ihre Gesetze passen einfach nicht mehr in 21.Jahrhundert. Das heißt nicht, dass ich das Christentum ablehne. Das ist eine der humanen Religionen, die zumindest in den letzten 100 Jahren die Menschenrechte weitestgehend beachtet.“ Damit ließ ich den Pastor stehen und ging mit William zum bereitstehenden Fahrzeug.„Dem haste aber ordentlich einen vor den Kopf gegeben“ lachte William „da hat er lange dran zu knabbern. Aber du hast Recht, die alten Kirchenregeln passen einfach nicht mehr in unsere Zeit.“Ich stieg in den großen Jeep und es ging los.Nach ca. zwei Stunden kamen wir in Dekelia an und ich ging in die Kommandantur. Dort traf ich den Kommandanten an und wir unterhielten uns über mein Projekt. „Das ist eine gute Idee, denn in dieser Macho-Gesellschaft hier auf Zypern haben die etwas anders Gearteten einen schweren Stand und werden von den meisten geächtet. Ich hab kurz bevor Du kamst die Aufzeichnung Deines Vortrags gesehen, William hat ihn mir über Intranet zugeschickt. Ich muss schon sagen, Du hast Mut, Dich so gegen die Amtskirche zu stellen.“Es gab dann ein kurzes Mittagessen und die Fahrt ging weiter in die Hauptstadt. Dort setzte mich der Fahrer vor meinem Hotel ab und wir verabredeten und für die Rückfahrt am nächsten Tag um 15:00 Uhr.Ich schaute mir die Altstadt an. Es war aber nicht zu sehen, was mich vom Hocker hauen würde. Die Grenze zum türkischen Nordteil Zyperns ließ ich aus, da es langsam dunkel wurde. Nach einem gemütlichen Abend mit einem guten Essen im Hotel und einem langen Schlaf, werde ich am nächsten Morgen schnell munter und gehe nach dem Frühstück zum Termin im Ministerium.Dort werde ich von einem relativ jungen Mitarbeiter empfangen, der mich umgehend zum zuständigen Beamten bringt. Ein mittelalter, leicht angerauter Mann empfängt mich mit den Worten „Sie sind also der Besitzer des Feriencamps bei Paphos.“„Ja, aber nicht der alleinige das Internat in Deutschland ist auch beteiligt.“„Ist auch egal, aber wenn ich das richtig gelesen habe stammt die Idee mit der Sozialen Auffangstation für Heranwachsende von Ihnen.“„Das stimmt, ich habe festgestellt, dass das Problem der jugendlichen Schwulen auf Zypern noch schlimmer ist, als in Deutschland.“„Da haben Sie Recht, hier meinen die Leute, dass ein Mann ein Frauenjäger sein muss, was anderes kommt nicht infrage. Dass es auch anders geht sehen Sie an mir. Trotz meiner Veranlagung habe ich einen leitenden Posten im Ministerium bekommen.“„Sie sind auch….“„Ja bin ich und vor allem von mir wissen es hier im Haus alle und keiner stört sich dran. Draußen ist es anders. Die Männer spielen den Macho und wissen nicht, dass sie insgeheim von Ihren Frauen und Freundinnen geleitet werden“ lachte er.„Das kenn ich“ erklärte ich „Meine Cousine ist mit einem Cyprer verheiratet.“„Aha, daher können Sie gut unsere Sprache.“„Nein, das haben meine Neffen mir beigebracht, die leben beide bei mir in Deutschland. Der eine will in Deutschland studieren und der andere ist bei uns im Internat, weil der hier durch sein Schwulsein arge Probleme hatte.“„Na das ist den beiden gut gelungen, sie gehen sprachlich glatt als Cyprer durch. Aber jetzt zu Ihrem Antrag. Ich habe das mit meinen Kollegen durchgesprochen. Sie sind alle der Meinung, dass es eine gute Idee ist eine solche Station zu haben. Offiziell werden wir es als Erholungsheim für ein deutsches Internat und junge Zyprer titulieren. Dann kommt keiner auf die Idee dort aufzukreuzen und Ärger zu machen, Einverstanden?“„Ja, das bin ich.“Außerdem werden wir Mittel für die Verpflegung bereitstellen. Sie tun es ja schließlich für unsere Kinder und da sollten Sie keine finanziellen Nachteile haben.“„Das ist mehr als ich erwartet habe, aber ich nehme es gerne an. Ich habe auch schon bei der Turtelstation nachgefragt, die nehmen gerne jugendliche Helfer. Die Jungs müssen ja auch was zu tun haben und nicht nur den ganzen Tag faul rumliegen.“„Sie haben ja schon gut vorgearbeitet. Wir haben zudem nach geeigneten Lehrern in der Nähe für den Unterricht in Ihrem Camp gesucht und auch einige gefunden, die werden sich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden.“Damit war alles besprochen, die nötigen Papiere waren vorbereitet und abgestempelt. Ich bedankte und verabschiedete mich um mir noch die Grenze nach Nordzypern, also den türkischen Teil der Insel anzusehen. Vor dem Haus wartete schon der Fahrer. Er wollte aber solange warten, bis ich mir den nur wenige hundert Meter weiter gelegenen Übergang anzusehen.Langsam schlenderte ich hinüber, betrachtete das geschundene Land auf der anderen Seite. Die Bilder erinnerten mich an die deutsch-deutsche Grenze in Berlin. Auf der einen Seite Wohlstand und Sauberkeit. Gepflegte Häuser und auf der anderen Seite der reine Verfall. Mit einem Mal hörte ich auf der türkischen Seite Geschrei und lautes Rufen. Ein Mann schimpfte laut mit einem Jungen und fing an auf das Kind einzuschlagen. Die UN-Posten wurden auch aufmerksam. Der Mann schlug den Knaben so heftig, dass dieser auf die Straße fiel. Er rappelte sich auf und fing an zu laufen, genau auf die Grenze zu. Der Alte hinterher, aber der Kleine war schneller. Mit einem Hechtsprung überquerte der Junge die Grenze und fiel wieder hin. Ohne nachzudenken spurtete ich los um dem Kleinen zu helfen. Als ich bei ihm ankam röchelte er leise „help me“. Ich hob ihn auf und ging in Richtung der ersten Häuser. Die UN-Posten riefen laut „STOPP“. Ich drehte mich um, aber sie meinten nicht mich. Sie meinten den Älteren der auch über die Grenze wollte. Schnell lief ich weiter um an der nächsten Ecke aus dem Sichtfeld der Grenze zu verschwinden. Kurz hörte ich einen Schrei „No!!“ und dann einen scharfen Knall. Im gleichen Moment spürte ich einen kurzen heißen Schmerz an der rechten Schulter.Fortsetzung folgtWie immer, Anregungen und Kommentare sind erwünscht.
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Hinzugefügt: 6 Jahren vor