Es war wieder einer dieser eisigen, kanadischen Wintertagen. Minus 35°C und ein Schneetreiben wie es im Buche steht. So vermummt dass er gerade herrausschauen konnte und mit einer Taschenlampe bewaffnet, stapfte er durch den, mittlerweile schon 20cm hohen Schnee der in der letzten halben Stunde gefallen war. Kein Vergleich zu den sonnigen Tagen während der Ausbildung im warmen Kalifornien. Er begutachtete die Maschine. Da stand sie nun. Eine 41 Jahre alte Boeing 737-200, wie ein Adler der mit ausgebreiteten Schwingen versucht sein Nest vor dem herabfallenden Schnee zu schützen. Auf den Flächen türmte sich so hoch der Schnee dass bei seinem Rundgang um das Fahrwerk eine Lawine abging und ihn mit vollem Tempo traf. „Was tue ich hier nur?“ fragte er sich selbst. Nur noch 148 Stunden und er würde seine Typenberechtigung für das Muster bekommen. „Halte durch! nur noch die Stunden abarbeiten und dann bekommst du die lang ersehnten, vier goldenen Streifen.“ Die Aussicht auf Beförderung zum Kapitän brachte einen ungeahnten Durchhaltewillen hervor, der ein jehes Ende fand als er über das, vom Schnee bedeckte, Bodenstromkabel stolperte und unsanft im eiskalten Schnee landete. Der Schnee drang durch jede Öffnung seines schwarzen Mantels und Hemdes und begann sofort auf seiner Haut zu schmelzen. „So ein Mist!“ Das war ihm ja noch nie passiert und er war jetzt schon lange hier oben im Norden. Aber man hatte ihn doch darauf hingewiese das es kein leichter Job werden würde. Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Er beendete schnellst möglich seine Runde und eilte in die geheizte Maschine. „Was ist denn mit dir passiert, Tom?“. Welch ein herzlicher Empfang. Er stand in der Bordküche, sein Mantel war triefend nass und dreckig vom Ruß der Triebwerke welcher sich auf dem Schnee sammelte und sah Sue an. „Ich bin hingefallen. Wer vergräbt schon ein Kabel im Schnee? Kannst du mir einen Kaffee machen?“ „Klar mein Unglücksrabe.“ Sue war gerade 45 geworden und schon 18 Jahre bei Canadian Northern. Trotzdem hatte sie wenig von dem eleganten Erscheinungsbild einer jungen Flugbegleiterin verloren. „Die fachlich Eigenung spielt wohl bei der Einstellung eine untergeordnete Rolle“ dachte er still und begutachtete ihren Po während sie in der Kabine verschwand. „Genug gesehen?“. Eine junge Frauenstimme drang von der Seite an sein Ohr. „Oh hey Vallerie! Sitzt du dort schon lange?“ „Ja. Der Hintern scheint dich zu faszinieren.“ Vallerie war neu anbord und hatte genau die Figur die Sue vor den 18 Jahren auch gehabt haben musste. Sie war schlank, groß und hatte langes braunes Haar sowie gleich farbige. Sie war noch Auszubildene bei der Gesellschaft und heute ersten Mal für die Business Class eingeteilt. Das gelocke Haar fiel über ihre Schultern bis zu den Brüsten. „Welch ein netter Anblick“ dachte er sich und der Gedanke bestätigte innerlich seine Theorie. „Ich kann den Chef nicht länger warten lassen. Klingel doch nach dem Start, dann können wir uns weiter unterhalten. Bis dann“ sagte er schnell und streifte dabei das nasse und triefende Hemd über den Oberkörper und wurf es ihr mit einem lassiven Schwung zu. Dann nahm er das Ersatzhemd vom Bügel im Schrank, lies es über die breiten Schultern gleiten und knöpfte es im Gehen zu. Kurz vor dem öffnen der Cockpittür fiel ihm die fehlende Krawatte ein. Was würde Dave nur dazu sagen wenn er mit „unvollständiger“ Uniform im Cockpit auftauchen würde? Dave war ein ehemaliger Militärflieger, mit unzähligen Auszeichnungen, der seine Tätigkeit und die dazugehörenden Aufgabe sehr ernst nahm. Wann immer sich Zeit ergab sang er Lobeslieder auf seine Heldentaten. Das Tom aus Deutschland kam und Dave Offizier bei der britischen Armee gewesen war schuf ein einseitig, feindzähliges Klima zwischen den beiden. Bei jedem Missgeschick welches Tom verursachte fand Dave natürlich sofort die logische Erklärung dafür. Als Tom im Anflug auf Yellow Knife, aufgrund des heftigen Schneetreibens die Pistenbefeuerung nicht sofort sehen konnte tönte es auch schon über die Kopfhörer: „Deshalb habt ihr auch damals den Krieg verloren!“ Dieser Witz war nun langsam schon so ausgekaut wie der Kaugummi auf dem Dave einen ganzen Tag herumkauen konnte. Die Top-Gun-Zeiten waren zwar bei ihm schon vorbei aber er lies zur jeder Gelegenheit, die sich ihm bot, den britischen „Iceman“ raushängen.Und dann jetzt auch noch ein Fehler an der Uniform. Das würde unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen und dem wollte er um jeden Preis aus dem Weg gehen. Als würde der Knauf glühen zog er schlagartig die Hand zurück, drehte auf dem Absatz seiner durchnässten Schuhe um und ging wieder auf Vallerie zu. „Ich habe meine Krawatte vergessen und ohne gibt es sicher Ärger.“ „Hol sie dir!“ rief sie ihm zu und hielt das Hemd samt Krawatte mit gestreckten Armen unter die Kabinendecke. Dabei fiel ihm ihre goldene Kette auf die in ihrem recht üppigen Ausschnitt verschwand und von den brüsten eingeklemmt wurden. Als er nah genug vor ihr stand griff er nach der Kette. Dabei fiel ihm die süßliche Parfümnote auf. Er zog den Anhänger aus der tiefen, von Busen gesäumten Schlucht, legt eine Schlaufe um seinen Zeigefinger. Die Kette zog sich um ihren Hals zusammen und lies sich kleine Falten auf der Haut bilden. „Du spielst hier mit den großen Jungs, meine Liebe“ flüsterte er ihr ins Ohr und sie nahm sofort die Arme wieder herunter. „Große Jungs?“ Man konnte dieses Knistern in der Luft förmlich spüren. „Ich bin einen halben Kopf größer als du!“ lies sie mit einem Lächen über ihre Lippen gleiten. Doch die Kette schnitt sich in den Hals und so drangen die leztzen Silben ein wenig kratziger hervor. Tom löste die Schlaufe und lies die Kette zurück in ihre Ursprungspostion rutschen. Die roten Falten verloren wieder an Farbe und er legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen um ihr zu symbolisieren sie solle jetzt besser schweigen und das tat sie. Er drehte sich zum, in der Galley eingebauten Spiegel und zirkelte die Krawatte um den Hals. Sie sah gespannt zu in welchem tempo das Schauspiel vor sich ging. Keine zehn Sekunden und der Knoten war gelegt und gerichtet. Tom überlegte sich wie er am besten und elegatesten die Sitution verlassen konnte. Er sah ihr in die tiefen, braunen Augen und versuchte dabei rückwärts richtung Cockpit zu gehen. Wie es kommen musste ertastete er nicht den Türknauf sondern griff ins Leere. Mit einer schwungvollen Drehung krachte er gegen die, noch immer verschlossene Tür. Er konnte von innen schon Daves schadenfrohes, sehr, sehr lautes Gelächer hören. Er musste alles über die Kamera beobachtet habe. Tom öffnete die Tür und trat ein. Dave kugelte sich noch immer vor Lachen auf dem linken Sitz. Ohne ein Worte lies Tom die Tür wieder hinter sich ins Schloss fallen, huschte auf seinen Sitz und vergrub sein Gesicht in der Checkliste. „Welch ein Abgang“ drang unter dem Gelächeter hervor und er schlug Tom mit der flachen Hand kräftig auf die Schulter. „Läuft da was zwischen dir und der kleinen?“ Ohne auf das ganze zu reagieren rief Tom laut in die Luft „Engine Start-Up Checklist!“Die Startvorbeireitungen waren abgeschlossen und über Funk meldtete Tom dem Push-Backfahrer dass sie bereit waren. „Fertig zum Push-Back Candian 75 Lima Juliette“ Bei dem Wort Juliette stockte ihm der Atem. Juliette war seine große Liebe gewesen bevor er nach Kanada ging. Er erinnerte sich an ihr erstes, ungewolltes Treffen. Es war in der Ausbildung als während eines Schulungsflugs das Triebwerk der kleinen Cessna ausfiel und er schnell reagieren musste. Er sah die große Wiese doch kurz vor dem Aufsetzen war da diese Frau auf einem Pferd. Er zog die Maschine hoch doch sie verlor an Fahrt und krachte unsanft in die Bäume am Rande der Wiesen. Nach dem er sich aus dem Cockpit befreien konnte hörte er ihren warme Stimme: „Hey du Verrückter! Du kannst nicht mit dieser komischen Ente in unseren Obstbäumen landen!““Stop, Stop, Stoooop!“ klingelte es über die Kopfhörer. Eine unsanfte Männerstimme riss ihn au seinem Tagtraum. „Hey Mann, wo bist du mit deinen Gedanken? Willst du uns bis Seattle Push-Backen lassen?“ Dave war außer sich. Der Truck hatte sie mittlerweile schon in den tiefen Schnee geschoben. „Wie willst du hier wieder rauskommen? Wenn wir jetz wegen dir hier feststecken steigst du aus und schiebst!“ Tom bekam nichts raus außer einem leisen „sorry“. Sorry, das war auch seine Antwort auf die Landung in den Bäumen. Als er Juliette das erste Mal richtig sah überlegte er kurz ob er bei dem Crash womöglicht doch gestorben wäre und sie war jetzt der Abholservice des Himmels. Unter lautem Aufheulen der Triebwerke und knarzen des Fahrwerks befreite sich die Boeing mühsam aus dem Tiefschnee. „Weiter so altes Mädchen“ sagte Dave und tätschelte die Schubhebel. Mit einem bösen Blick zu Tom fügte er hinzu: „Dieser Träumer weiß nicht wie man mit einer Lady umgeht!“ Der Start verlief reibungslos doch es herschte noch immer Stille im Cockpit. Sie stießen durch die Wolkendecke und erhaschten noch einen Blick auf die letzten Sonnenstrahlen des Abends. Dann fiel es ihm wieder ein. Er hatte doch versprochen Vallerie nach vrone zu holen. Doch wie sollte er Dave fragen ob das möglich war nachdem was vor dem Start passiert war? Er wollte gerade ein Gespräch anfangen als der Lotse sich meldete. „Candian 75 Lima Juliette, vor Ihnen baut sich gerade eine riesige Gewitterzelle auf. Wollen Sie durch oder drumherum geleitet werden?“ Tom sah zu Dave der ihm gestikulierte, mitten durch. Es war schon spät aber sollte man trotzdem dieses Risiko eingehen? Doch ein Wiederspruch, selbst ein nachfragen wäre aussichtslos. Dave hatte das Kommando und das galt. Mit leicht unsichrer Stimme antwortete Tom dem Lotsen: „Canadian 75 Lima Juliette nimmt die direkte Route.“ „Braver Junge“ sagte Dave ohne Tom eines Blickes zu würdigen. „Nun erzähl schon was mit der kleinen hier läuft. Was habt ihr da draußen solange besprochen?“ bohrte der alte Hase nach. „Sie ist ziemlich frech für eine junge Stewardess.“ sagte Tom und dachte über das geschehene nach. „Gewöhn dich dran,“ sagte Dave „die haben es faustdick hinter den Ohren. Das muss ihnen erstmal jemand austreiben.“ Die Sonne tauchte das Cockpit in eine rote Färbung und lies beide Piloten die Augen zusammenkneifen. „Kann ich sie mal nach vorne bestellen?“ fragte Tom vorsichtig und zeigte auf die Cockpittür. „Tu was du nicht lassen kannst.“ erhielt er als Antwort.
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Hinzugefügt: 6 Jahren vor